Netto-Ramen von Lidl

592 72 6
                                    

Ich erwache aus unsanften Träumen. Die Uhr an meinem Bett verrät mir, dass es drei Uhr nachts ist.
„Drei Uhr nachmittags, du Otto!", schreit mein Nachbar und unterbricht meinen Monolog.
Für mich macht das allerdings keinen Unterschied, ich hätte trotzdem lieber weiter geschlafen. Da ich jetzt aber sowieso wach bin, entscheide ich mich dafür aufzustehen und mir meine Post durchzulesen.
Werbung, Werbung, Mahnbescheid, Anklage, Bußgeldbescheid und ein Brief von Mutti.

Ich muss zugeben, dass mir meine Post etwas Sorgen macht.
Meine Mutter bringt mich um, wenn ich ihr schon wieder nicht zurückschreibe.
Andererseits... solange der Brief noch zu ist, bin ich auf der sicheren Seite. Also rechtlich gesehen. Irgendwie sowas halt.

Die Mahnbescheide kommen auf meinen Werbebrief Stapel und ich denke darüber nach, was ich mir zum Frühstück mache. Geld ist knapp und meine Miete muss auch noch bezahlt werden. Ich wähle also die ökonomische Option: Tüten-Ramen von Netto.
Diese Nudeln sind wohl die beste Metapher für den wirtschaftlichen Erfolg Asiens. Scheiß Leistung, aber immerhin isses billig.

„Ich brauch' ne neue Wohnung.", denke ich mir und gehe die Anzeigen in der Zeitung durch. Nach einem kurzen Blick in meinen Geldbeutel blättere ich weiter zu den Todesanzeigen und schaue nach, ob ich nicht irgendwo irgendwas erben könnte. Fehlanzeige.
Neue Wohnung wird also erstmal nichts.

Die Leute fragen mich immer, was ich denn beruflich mache. Ich sage dann immer „Autor".
Ich werde dann immer bis zu dem Moment bewundert, bis die Leute herausfinden, dass ich gar keine Bücher schreibe, sondern Gag-Schreiber einer mittelmäßigen Late-Night-Show bin.
Von da an geht's dann nur noch abwärts.

Als ich einige Stunden später beim Lidl bin, um Ramen nachzukaufen (Die Nudeln kosten da zwar mehr, der Lidl ist aber näher an meinem Haus als Netto. Hätte ich Prinzipien würde ich mich schämen. Aber da hab' ich wohl nochmal Schwein gehabt.)fällt mir ein Zettel am Schwarzen Brett auf:

„WG Sucht neuen Mitbewohner.
Wohnung in zentraler Lage, preislich auch für Studenten bezahlbar.
Bei Interesse einfach mal vorbeikommen"

Darunter eine Adresse, eine Telefonnummer und drei Unterschriften

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Darunter eine Adresse, eine Telefonnummer und drei Unterschriften.

Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube das Universum wollte mich zu dieser WG führen.
Ich hatte dieses Gefühl, dass einem sagt, dass man in Begriff ist etwas sehr richtiges zu tun.

Ich lag nur sehr selten so falsch.











Ich schlendere am nächsten Tag also zur besagten WG. Ich werde begrüßt von drei interessanten Persönlichkeiten.
Alle drei sind Männer mittleren Alters. Also so um die 25.
Zu meiner rechten steht Albrecht. Er hat ne Lederjacke an und grün gefärbte Haare. Und eine dicke Brille.

Wenn ich's nicht besser wüsste würde ich ihn irgendwo zwischen Tattoo-Studio-Besitzer und Radikaler Veganer einordnen. Wobei... das schließt sich heutzutage ja auch nicht mehr aus.

Vor mir steht Steven. Er scheint das von Gott geschaffene Gegenteil von Albrecht zu sein. Immerhin trägt er einen Anzug, achtet scheinbar sehr auf Körperpflege und wirkt, also wolle er mir gleich einen Thermomix 3000 andrehen.

Links von mir steht dann noch Alex. Er hat Arbeitskleidung an und begrüßt mich mit „Schönen Tag auch, Genosse!".

Ich komme mir wie in einer Landesparteitagssitzung vor, mit dem Unterschied, dass alle Anwesenden sich streiten, wer diese Woche dran ist, mit Klo putzen.

„Ähh.. ja... guten Tag auch. Ich bin wegen der Wohnungsanzeige im Lidl hier."
„Die Arbeitsbedingungen sind da unter aller Sau!", ruft mir Albrecht entgegen.
Er scheint also eher auf letztere meiner beiden Deutungsansätze zu zutreffen.

„Freut mich, dass Sie hier sind.", entgegnet mir Steven. „Was machen sie denn beruflich?".
„Ich bin Autor".
„Oh, welch ein ehrenhafter Beruf! Ich selbst arbeite im Vorstand der Lokalen Bankfiliale und Alex in einem Bauunternehmen."
„Sie arbeiten wohl gerne mit Zahlen, was?" sage ich, mit leicht zu überhörenden sarkastischem Unterton.
„Selbstverständlich. Und Alex eben gerne mit seinen Händen!"
„Und was ist mit Albrecht?"
„Er besitzt die Kneipe im Erdgeschoss, ich dachte sie hätten beim Namen „Zum Weltuntergang" bereits ihre Schlüsse gezogen."
Verdammt. Kneipe wäre mein nächster Tipp nach Tattoo-Studio gewesen.
„Ich hab' mir was in der Richtung gedacht..."

Die drei wirkten... nett.
Das ist Beamtensprache für äußerst Zwielichtig. Aber ich brauchte die Wohnung und konnte zwei der drei (Albrecht war nach der Sache mit Lidl nicht sehr von mir angetan) dazu überreden mich aufzunehmen.

Ich packte also meine Sachen und zog in die WG ein. Ich bekam ein eigenes Zimmer mit Bett, Schreibtisch und Kleiderschrank. Und ich war gleich dran mit Toilette putzen. Und das fasst meinen weiteren Aufenthalt hier auch ganz gut zusammen...

Politsch 3-DimensionalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt