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"Ich war nicht in deinem Zimmer." Ich zwang mir ein schwaches Lächeln auf, hoffte dass mein Talent im Lügen auch bei ihm Auswirkungen zeigen würde, und das tat es anscheinend, denn seine Gesichtszüge wurden sanft.

„Natürlich nicht." Harolds Mundwinkel hoben sich, sein Mund zeigte ein wunderschönes, ehrliches Lächeln und er führte seinen Spaziergang um mich herum weiter, während ich versuchte mich auf den Schwamm in meiner Hand zu konzentrieren.

Gott sei Dank reichte das Wasser bis zu meinem Schlüsselbein wenn ich eintauchte, und der Schaum, der an der Oberfläche trieb, verdeckte die Sicht auf den Rest meines Körpers.

Mein Kopf schoss augenblicklich hoch als ich eine kühle, trockene Hand auf meiner nassen Schulter spürte und ich sah hoch in seine Augen, welche immer wieder grün waren. Obwohl ich spürte wie ich nervös wurde, versuchte ich meine Gefühle zu verbergen als er mich anlächelte.

„Mögt Ihr Musik?"

Ich nickte langsam, immer noch auf der Hut, als Harolds Hände sich um meine Schultern legten und seine Daumen sanft meinen Nacken auf und ab strichen. „Musik ist etwas Wunderbares, nicht wahr? Sie erlaubt uns ganz uns selbst zu sein."

Ich nickte erneut, hörte jedoch nur halb zu; sein Atem, der nun meinen Nacken kitzelte, lenkte mich ab.

„Spielt Ihr ein Instrument?"

„Klavier."

Harold liess ein leises Lachen hören. „Meine Mutter war eine grossartige Pianistin. Ihr Flügel steht im unteren Stock, falls es Eurer Aufmerksamkeit entgangen ist. Ich persönlich bevorzuge die Violine."

Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Der Atem in meinem Nacken beschleunigte den Schlag meines Herzens welches dumpf gegen meinen Brustkorb hämmerte.

„Mögt Ihr Literatur?" Ein erneuter, sanfter Luftstoss liess die Haare in meinem Nacken zu Berge stehen und ich holte tief Luft. „Ich bevorzuge Filme."

„Und ich dachte schon dass Ihr möglicherweise daran Gefallen gefunden habt seit Ihr Euch an meinen Büchern bedient habt."

Shit.

Ich merkte wie meine Hände zu zittern anfingen, die kühle Maske nicht mehr länger aufrechterhaltend. „Das muss ein Irrtum sein."

Ein leises, heiseres Kichern war zu hören und seine Hand glitt von meinen Schultern ab als er seinen Spaziergang um mich herum fortsetzte. „Ich irre mich nie."

Vor Schock schien mein Körper wie gelähmt. Harold schlich mit einem leichten Lächeln weiter um mich herum, und ich fragte mich was für ein Spiel er spielte, doch als er erneut vor mir stand und mich mit seinen weissen Augen fixierte, verschwand sein Lächeln auf einmal.

Ich beobachtete entsetzt wie Harold eine Reihe spitzer Zähne, die ich bis dahin noch nie gesehen hatte, entblösste, als er den Mund öffnete und ein unmenschliches, kreischendes und ohrenbetäubendes Geräusch zu hören war. Ich presste meine Hände auf beide Ohren, so laut war es, das Geräusch liess meine Haare zu Berge stehen und schein mein Trommelfell zum Zerbersten zu bringen. Ich kniff vor Angst die Augen fest zusammen. Am Rande hörte ich, wie das Kreischen verstummte und wagte es, einen Blick auf ihn zu werfen, doch als ich die Augen öffnete fand ich mich Auge in Auge mit Harold.

Er war so über mich gebeugt, dass es keine Möglichkeit zu flüchten gab und als ich in sein bleiches, von braunen Locken umrahmtes Gesicht sah und sich die Lippen über seinen scharfen Zähnen zu einem Grinsen verzogen, wurde es mir klar weshalb er mich hierhergebracht hatte; ich war ihm hier schutzlos ausgeliefert.

„Ihr seid eine Lügnerin." Seine Stimme war laut und tief und hatte einen merkwürdigen Doppelklang. Die Worte hallten von den Wänden wider und ich schüttelte hektisch den Kopf.

PhantomWo Geschichten leben. Entdecke jetzt