Der Bruder und die Freundin (2)

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Ben verbeugte sich mit zusammengekniffenen Augen vor mir. Ich blinzelte perplex. ,,ES TUT MIR JA SO SCHRECKLICH LEID!",rief er. Ich fuhr hoch. Hölle, hatte der ein Temperament. Ich wusste nicht so recht, wie ich hätte reagieren sollen. ,,Ähm...das-" Weiter kam ich nicht.

Er erhob sich und sah mich an. ,,Ich wollte dich wirklich nicht so verletzen und dann war es auch noch dein erster Tag. Ich hätte mir gar nicht ausgemahlt, was noch passiert wäre, wenn Jacob nicht aufgetaucht wäre. Himmel, es tut mir ja so leid." Er bereute es und es tat ihm wirklich sehr leid, dass er mich angegriffen hatte. Die Aufrichtigkeit in seinen Worten war herzerwärmend, aber ich konnte nichts darauf erwidern. Ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir nicht anmerken zu lassen, dass ich kurz davor war, mich in meinen Schuh zu übergeben. Ben roch... und zwar aus dem Mund....und das, als hätte er zuerst Döner mit Zwiebeln und dann sardinen roh gegessen. Ben war groß, breit und braunhaarig. Ich hätte eher gedacht, er wäre ein Rowdie aber dass er so sentimental sein konnte.

Ich wollte ihn nicht verletze, also bemühte ich mich um ein freundliches Gesicht, obwohl mich sein Atem fast umbrachte. ,,Ist... ähm.....schon gut. Es ist ja nichts passiert." Ich schielte zu Chita, die so aussah, als würde sie gleich einen Lachkrampf des Todes erleiden. Chita, du Miststück, hilf mir bevor ich dir auf deinen Schwanz trete!

,,Aber es hätte etwas passieren können. Ich bin froh, dass Jacob mich aufgehalten hat. Bitte entschuldige." Und du bitte mach den Mund zu. Ich verzog das Gesicht. Bitte Lieber Gott, hilf mir, bitte. Egal wie, nur mach, dass das aufhört.

Das war der Moment, an dem ich ernsthaft darüber nachdachte, Nonne zu werde. Jacob und Kaoi betraten das Klassenzimmer und alle Blicke waren auf sie gerichtet. Gott sei Dank auch Bens. Und meiner übrigens auch. Die beiden sahen gemeinsam atemberaubend aus, und da Jacob das gleiche Gesicht hatte wie sein Bruder, schätze ich mal, dass Tobias zusammen mit Kaoi mindestens genau so atemberaubend ausgesehen hatte, was mir einen Stich ins Herz verpasste. Mensch, Aila, reiss dich zusammen. Er ist tot. Da gibt es nichts mehr zu machen.

Unterbewusstsein, kannst du nicht ein einziges Mal nett zu mir sein? Ich konzentrierte mich wieder auf Jacob. Es war Jacob und Jacob war jemand ganz anderes als Tobias. Sie waren nur Zwillinge, mehr auch nicht. Das durfte ich nicht vergessen.

Einige Mitschüler gingen auf sie zu, nahmen Kaoi in den Arm oder klopften Jacob aufmunternd auf die Schultern. Beide lächelten, aber keiner lächelte aufrichtig. Vielleicht sollte ich aufstehen und ihnen mein Beileid zusprechen. Ich dachte an den Blick, den mir Jacob am Vortag zugeworfen hatte und erschauderte. Er mochte mich nicht, bestimmt nicht. Und ich traute mich auch nicht, ihn so vor allen anderen anzusprechen. Aber ich musste mich noch bei ihm bedanken, weil er mich gerettett hatte. Ich seufzte. Nach der Literaturstunde. Dann würde ich mit ihm reden, unter vier Augen.

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Chita stöhnte. ,,Ich hasse Literatur." Ohne sie zu beachten packte ich hastif meine Sachen zusammen. ,,Was haben wir jetzt?",fragte ich. ,,Mathe." Jetzt stöhnte ich auf. ,,Weisst du, ob Jacob auch in diesem Kurs ist?" Sie sah mich stirnrunzelnd an. ,,Ja, wieso?" ,,Gut.",sagte ich knapp, stand mit meinen Sachen auf und verließ den Literaturraum. Das würde es mir leichter machen, ihn zu finden.

Auf den Gängen hielt ich ausschau nach ihm und fand ihn realitv schnell in einer Traube aus Leuten. Ich presste die Lippen zusammen. Er war ein Wolf und Wölfe lebten ja bekanntlich in Rudeln. Tja, da war sein Rudel. Ich nahm all meinen Mut zusammen und ging mit festen Schritten auf sie zu. Jacob drehte mir den Rücken zu und hörte einem anderen zu. Er schien geistesabwesend, nicht ganz bei sich. Als wäre er mit seinen Gedanken ganz woanders, oder wannanders. Vielleicht, als sein Bruder noch da war.

Ich räusperte mich. ,,Ähm...Jacob?" Er hörte mich nicht und ich wagte es nicht, ihn anzurühren. Ich versuchte es etwas lauter, wieder keine Reaktion. Ignorierte er mich etwa? Einer seiner Kunpel bemerkte mich. ,,Jake, da will wer was von dir." Verwundert drehte ,Jake' sich um und sah mich an. Ich machte mich auf den schlimmsten aller Killerblicke gefasst. Aber da war gar keiner. Er sah nur...müde aus. ,,Mmh?"

Für einen kurzen Moment vergaß ich, was ich überhaupt von ihm wollte. ,,Können wir reden?" Er zögerte, wendete sich dann seinen Freunden zu. ,,Sagt Naoki, dass ich später komme. Ich muss noch etwas erledigen." Der Typ von vorhin nickte knapp. ,,Geht klar." Und dann verschwanden sie. Oder sie sind gegangen und ich habe ihren Abgang nicht realisiert, weil ich wie gebannt Jacob angestarrt hatte, wie er sich über die schlappen Ohren strich und somit auch durch die Haare und sich auf die Unterlippe biss, als kostete es ihm eine Menge Überwindung und Kraft, mich anzusehen.

,,Und? Was ist?" Er versuchte zu lächeln, vergeblich. Ich brauchte eine Weile, um die richtigen Worte zu finden. ,,Ich...wollte mich bei dir bedanken, weil du mich gestern gerettet hast." Nichts. Langsam stieg mir die Schamröte ins Gesicht und ich sah auf meine Nägel. ,,Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst." Mir wurde ganz kalt, als ich mich an die Situation vom Vortag zurückerinnerte. ,,Ich hatte mich schon mit dem Tod abgefunden, nochmals danke."

Ich hob den Blick, in der hoffnung, er würde irgendetwas sagen. Er erwiderte meinen Blick, ausdruckslos aber mit einem Funken Wärme in seinen Augen. Er war nicht sauer....glaubte ich. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde er sich ebenfalls an den Vortag zurückerinnern und seine Mundwinkel zuckte. Aufrichtig.

Erleichterung machte sich in mir auf, bis mir wieder einfiel, dass er mich ja ausgelacht hatte. Wieder wurde mir schrecklich warm. Mir wurde bewusst, dass ich IHN angeschrien hatte, ich hätte keine Angst vor ihm gehabt und war dann anschließend hochkannt weggerannt. Gott wie peinlich!

,,Ich habe dich zwar nicht gerettet aber nichts für Ungut, wars das?",sagte er gleichgültig. Überrascht sah ich auf, er hatte etwas gesagt!

Ich schluckte dies runter. ,Doch hast du. Und nein.",antwortete ich etwas perplex. ,,Ich wollte mich auch noch für das Versteck bedanken, das du mir gezeigt hast." Er runzelte die Stirn und wandte sich abrupt zum Gehen. ,,Ich habe keine Ahnung wovon du redest. Und nochmal, ich habe dich nicht gerettet.",sagte er mit Nachdruck.

Ich zog an seiner Jacke und er drehte sich wieder um. Ich sah, dass er sich um einen genervten Ausdruck bemühte, seine Augen aber sich selbst fluchten und fragte mich, was seine Mission war, da ich sowieso schon Bescheid wusste. ,,Doch hast du.", sagte ich ruhig. ,,Sagt wer?" ,,Das ist doch offensichtlich."

Interessiert verschränkte Jacob die Arme. ,,Ich höre?" Ich holte tief Luft. ,,Okey. Erstens, du hast mich gerettet. Ich wurde auf dem Schulhof angegriffen und du warst gestern nicht im Unterricht, weshalb du in deinem Zimmer gewesen sein musstest. Vom Jungstrakt aus konntest du alles beobachten und bist mir zu Hilfe geeilt, als es ernst wurde. Und dann hast du so getan, als wärst du auch im Blutrausch, um mich anschließend in dieses Versteck zu führen." Er schien unbeeindruckt.

,,Und woher willst du wissen, dass ich dich nicht wirklich fressen wollte?" Auch darauf hatte ich eine Antwort. ,,Deine Augen haben dich verraten. Sie waren...menschlicher." Ich versuchte wirklich, meine Worte nicht all zu kitschig zu gestalten.

Wieder blieb er unbeeindruckt. Die Luft zwischen uns war so dickt, dass mir das atmen schwer fiel. Aber ich bemühte mich um Ruhe. Wieder drehte er sich um, dieses Mal hielt ich ihn nicht auf. Alles war gesagt. ,,Wenn du meinst. Lass mich bitte in Zukunft einfach in Ruhe, das war eine einmalige Sache."

Ich sah ihm nach. Ich zögerte. ,,Jacob?" Plötzlich hatte ich wieder diesen Kloß im Hals. Er blieb stehen, sah mich jedoch nicht an. Ich legte eine Hand auf mein Herz, weil es mir irgendwie schmerzte, das laut auszusprechen.

,,Es tut mir leid, was mit Tobias passiert ist. Kaoi und du, ihr habt mein aufrichtigstes Beileid."

Sein Kopf hob sich etwas, aber nur kurz, dann ging er endgültig und ließ mich dort stehen.

Hey ho!

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Sayoonara, eure Titan_hearts

Renn, Häschen, RennWo Geschichten leben. Entdecke jetzt