An seidenem Faden (2)

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Aufs Neue ließ ich mich in mein Bett fallen. Ich hatte den Tag gut versteckt und zusammen mit Chita überlebt, war geduscht und mir ging es wieder etwas besser, nach der Sache mit dem Laptop. Eigentlich war alles gut, doch ich wollte einfach nicht einschlafen, weil ich Angst hatte. Richtige Angst. Ich hatte es zwar geschafft, es den ganzen Tag über zu verdrengen aber der Traum von letzte Nacht hinterließ seine Abdrücke in meiner Seele. Ich hatte mich noch nie so schlecht gefühlt wähend eines Traums und er kam mir so real vor, was bei der Tatsache, dass Tobias darin vorkam (und das lebend) sehr beunruhigend war.

Mein Blick fiel auf meinen Wecker. Schon halb 11. Okey, Aila. Das war nur ein Traum und vielleicht kam der dir so komisch vor, weil dich der Tag so verwirrt hatte. Man träumt nicht zwei Mal das selbe. Du kannst dich also beruhigt entspannen und einschlafen, besonders weil du morgen früh Sport hast und der Nancy dich killen wird, wenn du müde bist.

Ich schloss die Augen und wenig später öffnete ich sie wieder.. Wieder sah ich auf die Uhr. Es waren nur wenige Minuten vergangen. Plötzlich war mir schrecklich übel. Ich stand auf. Luft, ich brauchte frische Luft. Ich taumelte zum Fenster und öffnete es. Noch nicht einmal die Luft schien zu helfen. Ich sah auf, zum Mond und mein Herz rutschte mir in die Hose. Rot, roter, alles um mich herum. Sofort schloss ich es wieder und lehnte mich daran. Mein Herz raste. Ich ließ meinen Blick durch mein Zimmer gleiten und da war sie wieder. Diese einseitige 3D-Brille.

Ich entdeckte wieder diesen weißen Faden, der mich zu Tobias geführt hatte. Wieder ging er über mein Zimmer hinaus. Würde er mich wieder zu ihm führen? Und wenn ja, würden ich ihn dann wirklich sehen wollen? Ich meine, ich war nicht gerade scharf drauf, einen Toten zu sehen. Aber du bist scharf auf ihn. Mensch, schieb schon deinen Arsch aus dem Zimmer. Scheiß drauf, tot hin oder her.

Und wieder hatte mein Unterbewusstsein recht. Sicherheitshalber sah ich noch einmal aus dem Fenster. Kein Sturm, also keine Blitze. Ich würgte noch einmal kurz, schnappte mir meinen Mülleimer, falls ich doch hätte kotzen müssen, und verließ mein Zimmer.

Der Faden führte mich wieder auf das Dach des Mädchentraktes und tatsächlich. Da saß er wieder. Dieses Mal blies kein Wind, dafür hatte man aber einen perfekten Blick auf den beunruhigend roten Nachthimmel. Ich ging einige Schritte auf ihn zu. Dann hielt ich inne. Das letzte mal bin ich vom Dach gefallen. Das war nicht schön. Sollte ich echt so nah ran gehen?

Plötzlich hob Tobias den Blick und drehte sich um. Ich hielt den Atem an, als er mir direkt in die Augen sah. Er lächelte. Er winkte mich zu sich. Als wäre alles normal. Und ich. Ich stand da, mit dem Notfall-kotz-Eimer unter dem Arm und starrte ihn mit offenem Mund an. Er war es also wirklich. Vorsichtig setzte ich einen Schritt nach dem anderen, ging langsam auf ihn zu.. Er hatte sich wieder umgedreht. Was er genau machte, sah ich erst, als ich mich neben ihm an den Rand des Daches des Mädchentraktes setzte.

Er las in einem kleinen braunen Taschenbuch. Tess. Ich runzelte die Stirn und sah dann wieder ihn an. Seine Augen bewegten sich schnell von oben nach unten. Er las es also wirklich. Als hätte er meinen Blick gespürt, hob er seinen und starrte mich ebenfalls stirnrunzelnd an. ,,I-ist was?",fragte ich etwas zittrig. Sorry aber ich rede zum ersten mal mit jemanden, der eigentlich tot sein sollte.

,,Wieso trägst du einen Eimer mit dir mit?" Mir schoss die Röte ins Gesicht. ,,Weil ich das Gefühl habe, gleich einen Regenbogen auskotzen zu müssen. Warum liest du Tess?" Er hob eine Braue. Mann, wie ich Leute beneidete, die das können. Seine Mundwinkel zuckten. ,,Brauche ich dafür denn einen Grund?." Kaum merklich schüttelte ich den Kopf. ,,Findest du das denn nicht beunruhigend?" ,,Was?" Ich deutete mit dem Kinn auf den Himmel. ,,Ist das der Grund, weshalb dir schlecht ist?" Ich zuckte mit den Schultern. Tobias schüttelte den Kopf. ,,Nein, ist eigentlich ganz angenehm. Liegt aber wahrscheinlich daran, dass du nicht hier sein solltest."

Renn, Häschen, RennWo Geschichten leben. Entdecke jetzt