Wie der ganze Scheiß anfing (2)

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,,Hoffentlich bist du nicht nachtragend.",flüsterte er. Ehe ich etwas erwidern konnte, küsste er mich.

Ich riss geschockt meine Augen auf, während er die seine schloss, als würde er es ernst meinen. Aber er konnte es einfach nicht ernst meinen. Schließlich kannten wir uns gar nicht. Also....Was sollte das? Am liebsten hätte ich ihm eine gescheuert. Wieso tat ich das dann nicht? Ging wohl schlecht. Dazu brauchte man Hände und meine hielt er gerade fest, vielleicht um genau das zu verhindern.

Ich hörte wie Nana hinter mir laut aufquietschte. Ihre Anwesenheit hatte ich schon völlig vergessen. Für mich gab es in diesem Moment nur ihn, mich, und der Kuss, der uns verband. Alles andere war in meinem Kopf in den Hintergrund gerückt.

Schneeflöckchen (und ja, das ist jetzt sein neuer Spitzname) löste sich bereits nach einigen Sekunden von mir. Er wendete sich meinem Ohr zu. Seine heisere raue Stimme und sein warmer Atem verpassten mir eine Gänsehaut des Todes. (Und ja, ich wäre wirklich fast gestorben, wäre mein Herz wirklich stehen geblieben)

,,Es tut mir leid. Ich hoffe du hast mehr Glück als ich.",flüsterte er. Er nahm noch einmal tief Luft und fügte hinzu: ,,Renn, kleiner Hase, renn."

Diese Worte trafen mich wie eine Peitsche. Etwas stach in mein Herz, es tat weh aber es war ein angenehmer Schmerz. Es war warm, fast schon zu heiss. Ich legte den Kopf in den Nacken und keuchte leise auf. Für einen kurzen Augenblick blieb mein Herz stehen, ich schien innerlich zusammengesackt  zu sein, denn plötzlich war alles in mir tot. Ich hörte nichts, ich spürte nichts, ich sah nichts, ich dachte nichts.

Dieser Moment schien ewig zu wirken, war jedoch extrem kurz. Plötzlich war es so, als wäre ich wieder hochgefahren. Alles kehrte wieder zu mir zurück, lauter, schneller und stärker als je zuvor und es erschlug mich fast. Ich war so erschrocken, dass ich handelte, ohne es überhaupt wirklich zu wollen.

Ich stieß Schneeflöckchen (endlich) von mir weg, was mir darauf hin ziemlich leid tat, weil er ja verletzt war, drehte mich auf den Absatz um und packte mir Nanas Hand. Dann rannte ich los.

Ich wusste nicht wohin aber einfach nur weg. Alles in meinem Kopf schrie danach. Du bist hier nicht sicher. Renn!! Sonst kriegen sie dich.

Nana schrie auf aber das kümmerte mich nicht.  Ich drehte mich auch nicht nach ihr um um zu gucken, ob ich die ganze Nana hinter mir her zog oder ihr den Arm abgerissen hatte. Mit Denken war gar nichts mehr. Noch nicht einmal Angst verspürte ich.  Zumindest keine Todesangst.

Während ich rannte, kreisten meine Gedanken um den Jungen, der mich geküsst hatte. Aus den Augenwinkeln hatte ich gesehen, dass er mir nach sah und ich hätte schwören können etwas wie Mitleid in seinem Blick gesehen zu haben. Dann rannte er auch weg. Aber in eine andere Richtung.

Was waren das für Geräusche? Und was zur Hölle geht hinter diesen Mauern ab? Das war doch gar nicht mehr normal, das ein schwer verwundeter Junge einfach so über die Mauer sprang und vor irgendetwas zu flüchten schien. Mann, war ich froh, nichts mit dieser Schule zu tun gehabt zu haben.

Eine Stimme drang dumpf in meinen Kopf. ,,Aila!", schrie Nana. Als ich sie registrierte, blieb ich abrupt stehen. Wir waren durch so viele Strassen, Gassen und Landschaften gerannt, dass ich gar nicht mehr wusste, wo wir waren.

Nana stolperte und legte sich aufs Maul. Wäre ich in der Stimmung wie vor 15 Minuten, hätte ich sie hochkannt ausgelacht. Ich sah sie einfach nur stumm an, wie sie wieder aufstand und sich das Dreck von ihrer Uniform abklopfte. Und das schwer atmend, als bekäme sie keine Luft.

Dann ließ sie sich erschöpft auf den Boden fallen. ,,Seit wann....",sie hustete, ,,kannst du so schnell rennen?" Nana rang nach Luft und bekam wieder einen Hustenanfall. Seltsamerweise war ich kein Bisschen müde. Verwirrt legte ich zwei Finger auf meine Pulsader am Hals. Es schlug schnell, raste aber nicht.

,,Weißt du wo wir sind?",fragte ich. Ich wollte das Geschehene einfach vergessen und was eignet sich da besser als ein sinnvoller Themenwechsel?

Nana zeigte in eine Richtung. ,,Wir sind von dort gekommen. Wenn wir den Weg zurück gehen, müssten wir bald eigentlich wieder an der YzM sein." Als in das sagte zuckte ich zusammen. Ich wollte da nicht mehr hin. Dort lebte irgendetwas, was mir mehr Angst machte, als ich zugab. Ich würde in Zukunft einen großen Bogen darum machen.

Nana sah mich eindringlich an, als würde sie mein Verhalten analysieren. ,,Wer war das gerade? Er war verletzt, wieso hast du ihm nicht geholfen?"

,,Ich weiß es nicht.",sagte ich leise. Ihn wollte ich am ehesten vergessen aber wie konnte ich das? Er hatte mich schließlich geküsst!

,,Du weißt nicht wieso du mit ihm rumgeknutscht hast, statt einen Krankenwagen zu rufen?",sagte sie scharf. Ich schaute sie entsetzt an. ,,Nein, ich weiß nicht, wer der Kerl ist. Und unternommen habe ich nichts weil...Weil..." ich biss mir auf die Unterlippe. Wieso eigentlich? Tief in mir drinne kannte ich die Antwort.

Nana hob eine Braue. ,,Weil...?" Ich kniete mich hin, schlang meine Arme um meine Beine und wich wieder ihrem Blick aus. Die Sonne verlieh uns beiden einen goldenen Ton und die Schatten hinter uns waren Meter lang ,,Weil ich es einfach nicht konnte. Ich konnte gar nichts tun und ich glaube....Er wollte auch nicht, dass ihm geholfen wird."

Bei den letzten Worten vergrub ich mein Gesicht in meine knie und nuschelte es eher vor mich hin als es zu Nana zu sagen. Sie seufzte. ,,Also hat dich gerade einfach mal so ein dir fremder, schwer verletzter Hottie in weiss geküsst, und dich hat Amours Pfeil getroffen?"

Geschockt sah ich auf. ,,Was? Du hast ihn begafft als wäre er das letzte Stück Schokolade auf der Welt. Das war schon fast peinlich.",verteidigte sie sich. Ich musste grinsen. Das liebte ich an Nana. Bei ihr kann ein Schwerverwundeter an ihr vorbei spazieren und das einzige, was ihr durch den Kopf gehen würde, wäre, wie süß seine Haare verwuschelt waren. Und ich hatte keine Ahnung ob das negativ oder positiv an ihr ist.

Sie stand auf, klopfte ihren Rock ab und reichte mir die Hand. ,,Lass uns nach Hause gehen." Ich nickte und sie zog mich hoch. Wir machten und auf den Weg. ,,Mann, ich hoffe echt dass es ihm gut geht.  Wäre echt schade um sein hübsches Gesicht." Ich lächelte sie schwach an. Ja. Hoffe ich auch. Und zwar sehr.

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Nana und ich waren fast zu Hause angekommen. Wir unterhielten uns noch über alles, wobei ich ihr von dem komischen Black-out und den seltsamen Gefühlen nichts sagte. Sie hatte mich eh die ganze Zeit über den Kuss ausgefragt, mit den Augenbrauen gewackelt und mich kichernd angestubst, obwohl ich mir unter einem romantischen Kuss doch eher etwas anderes vorgestellt hätte.

Als wir eine Straßen überqueren wollten, hielt vor uns plötzlich ein schwarzer Van an. Wir beide erschraken tierisch und waren mehr als nur irritiert, als das Fenster des Beifahrersitzes herunter ging und ein glatzköpfiger, breiter Mann mit Sonnenbrille hinaus sah.  ,,Aila Tanaka?",frage er tief.

Ich nickte und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. ,,Das bin ich." Er nahm die Brille ab und musterte zuerst mich, dann Nana, und dann wieder mich. ,,Ich muss Sie bitten, mit mir zu kommen."
Und da schlugen wieder die Alarmglocken.

Mann in schwarz, breit, Sonnenbrille,  Van. Also, entweder wollen sie mich kidnappen oder....
DIE JAPANISCHE REGIERUNG  IST HINTER MIR HER?! Alter, ich hab doch nur einen Jungen geküsst?! Bin ich jetzt Staatsfeind Nr. 1?

Ich nahm wieder Nanas Hand, die ebenfalls erstarrt war, und drückte sie unauffällig. ,,Renn", flüsterte ich ihr zu. Sie nickte und wir rannten zum zweiten Mal  (für mich das dritte mal, wenn man meinen Traum mitzählte) vor etwas weg.

Jedoch kamen wir nicht weit. Als wir um die Ecke abbiegen wollten, standen da plötzlich zwei weitere Männer. Sie packten uns dann einfach. Nana und ich schlugen um uns und schrien. Dann sprüht uns einer der Kerle ein Zeug ins Gesicht. ,,Lass mich los, du großer, breiter, 150 Kilo, knuffliger...Bär...Ich werde dich anzei....." Weiter kam ich nicht, denn schon war ich eingeschlafen.

Und ich ahnte Böses.

Sooo.  Das war der zweite Part des ersten Teiles. Hoffe es gefällt euch.

     Sayoonara, eure Titan_hearts

Renn, Häschen, RennWo Geschichten leben. Entdecke jetzt