Musik an, Welt aus - Oder doch nicht ?

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„Das ist doch jetzt wohl ein schlechter Scherz“, fauchte ich bei einem Blick in den Aufbewahrungsort unserer Blutbeutel. Es waren keine mehr da. „Verdammt nochmal, ich brauche Blut!“
Schlecht gelaunt verließ ich das Haus und steuerte auf den nächsten Menschen zu, den ich ausmachte. So ungern ich das tat, es ging nicht anders. Ich sah der jungen Frau eindringlich in die Augen. „Du wirst nicht schreien und wegrennen und sobald ich dich loslasse, vergisst du, dass wir uns heute schon gesehen haben. Wenn dich jemand fragt, woher du die Wunde hast, ist sie von einem Tier.“
Die Frau nickte wie in Trance und wiederholte die Worte leise, dann grub ich ihr meine Zähne in den Hals und gönnte mir ein paar Schlucke ihres Bluts. Als ich genug hatte, ließ ich von ihr ab, wischte mir selbst das Blut mit einer Hand ab, dann ließ ich die Frau ganz los.
„Caroline, schön dich zu sehen“, bemerkte sie plötzlich und ich lächelte. Manipulation hatte also bestens funktioniert.
„Guten Abend“, erwiderte ich nur und machte mich dann auf den Weg zum Grill. Dort wartete meine Clique schon an einem größeren Tisch. An der Theke entdeckte ich Rebekah, die gerade mit Matt lachte und dann den Kopf in meine Richtung wandte. Sie nickte mir zu und ich antwortete nur mit einem schwachen Lächeln. Matt sah mich ebenfalls kurz prüfend an, dann wandte er sich wieder Rebekah zu, die beinahe sofort kicherte. Ich gesellte mich zu den anderen und ließ mich neben Stefan nieder. „Hey Leute“, begrüßte ich die anderen. Elena starrte stumpf vor sich hin und murmelte nur eine Begrüßung, Damon wirkte nicht besser gelaunt und sagte sogar gar nichts. Stefan schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln, Bonnie jedoch stand auf und kam zu mir, unsanft packte sie meinen Arm und zerrte mich nach draußen vor die Tür.
„Care, was ist los?“, verlangte sie zu wissen. „Am Anfang habe ich zugegeben nicht gemerkt, dass es dir nicht gut geht, aber mittlerweile machst du dir kaum noch Mühe, es zu verbergen.“ Streng funkelte sie mich an, doch ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Es ist nichts“, gab ich zurück, doch unter ihrem ernsten Blick gab ich schließlich nach. „Bonnie, ich kann und will nicht drüber reden, okay? Du würdest es nicht verstehen.“
„Erzähl es mir, ich will die Wahrheit hören. Ich kann dich nicht so sehen, liefer mir einfach ein Geständnis ab, warum es dir nicht gut geht.“
Geständnis...
„...Aber ich verschwinde auch wieder, ohne Schadenfreude“, meinte der Urhybrid und ich drehte mich schwungvoll um.„Im Gegenzug für eine winzige Sache.“
„Die da wäre?“, fragte ich schnippisch.
„Ich will ein Geständnis von dir.“
„Was? Ein Geständnis?“ Ich lächelte verwirrt und schüttelte leicht den Kopf. „Wieso, ich hab nichts getan.“ Klaus begann zu lächeln, während ich das sagte. „Ein Geständnis worüber?“
„Mich“, erwiderte er nun ernster und mein Lächeln verblasste, mein Herzschlag setzte aus. Das war doch ein schlechter Scherz. „Wenn wir hier fertig sind, werde ich auf der Stelle gehen. Und dann komme ich nie wieder zurück. Dann musst du nie mehr die Verbindung zwischen uns hinter Feindseligkeit verstecken oder Abscheu. Und auch deine dunkelste Seite musst du nicht länger verabscheuen, die mir zugetan ist, trotz allem, was ich getan habe. Dann bin ich fort.“ Klaus ging einen Schritt auf mich zu und fuhr fort. „Und dann bist du frei.“ Er sah mich kurz schweigend an und ein leicht flehender Ausdruck trat in seine Augen, was mich unsicher werden ließ. Was sollte ich tun? „Ich will...nur, dass du ehrlich zu mir bist.“
Von den letzten Sätzen hatte ich schon einmal geträumt, aber sie hingen in meinem Gedächtnis fest. Eine einzelne Träne rann über meine Wange und Bonnies besorgte Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. „Caroline, rede mit mir, was ist los?“, drängte sie sanft. Ich schüttelte jedoch nur den Kopf und sie zog mich seufzend in ihre Arme. „Komm, gehen wir wieder rein.“
Drinnen war die Stimmung nun etwas lockerer, Jeremy war inzwischen auch da. Wir setzten uns wieder zu den anderen und unterhielten uns, bis plötzlich Stefan aufsprang. „Karaoke – wie wär's?“
„Du? Du kannst doch gar nicht singen“, provozierte Damon seinen Bruder.
„Besser als du.“
„Herausforderung angenommen“, knurrte der Schwarzhaarige und stand ebenfalls auf, die beiden sangen nacheinander je zwei Lieder. Als sie wiederkamen, sahen sie uns auffordernd an.
„Stefan“, bekräftigten Bonnie und ich, Jeremy und Elena waren für Damon.
„Unentschieden“, grinste Stefan, Damon grummelte nur irgendetwas.
„Jetzt zeigen wir euch mal, wie das richtig geht“, beschloss Elena und schleppte Bonnie mit sich. Wir feuerten die beiden bei ihrem Duett fleißig an, sie sangen auch wirklich nicht schlecht.
„Wie geht’s dir?“, wandte Stefan sich zwischendurch an mich.
„Wie immer“, antwortete ich ihm und jubelte, als Bonnie gerade sang. Stefan musterte mich streng, ging aber nicht weiter darauf ein.
Wenige Minuten später kamen die beiden Mädels wieder. „Blondie, was ist mit dir?“, warf Damon ein.
„Oh nein, vergiss es“, wehrte ich mit einem gezwungenen Lächeln ab.
„Na komm schon, Care“, flehte Bonnie.
„Ja, mach schon“, bat auch Elena und Stefan stupste mich sanft an.
„Los, Meisterin, du kannst von uns mit Abstand am besten singen“, stichelte er und ich seufzte tief.
„Na gut, ich geh ja schon.“ Ich stand auf und lief zur Bühne, wo die Band gerade eine kurze Pause machte. „Hey, ich würde gern singen...“
„Welches Lied denn?“, fragte der Bandleader und ich gab meinen Wunsch an ihn weiter. Er nickte und sprach sich kurz mit dem Rest der Band ab.
Dann begannen sie zu spielen und ich atmete noch einmal tief durch, bevor ich das Mikro in die Hand nahm und zu singen begann. Bonnie und Elena jubelten mir einmal zu, doch Stefan wirkte schon beim ersten Ton des Liedes merkwürdig misstrauisch. Wer konnte es ihm verübeln, das Lied war mir spontan in den Sinn gekommen, weil es meine Situation beinahe perfekt beschrieb. Für einen Moment ließ es mich immer vergessen – dass das heute nicht der Fall war, konnte ich ja schlecht ahnen.
„All I want is nothing more... to hear you knocking at my door. 'Cause if I could see your face once more, I could die a happy woman I'm sure“, begann ich und blickte einen Moment zu Stefan, der die Augen zusammengekniffen hatte und sehr nachdenklich wirkte – ebenso wie Bonnie, die jetzt auch ruhiger geworden war. Matt und Rebekah, die immer noch an der Bar standen, sahen mich ebenfalls an – Rebekah mitleidig und Matt prüfend. Lange konnte es nicht dauern, bis auch die anderen es verstanden.
„When you said your last goodbye... I died a little bit inside. I lay in tears in bed all night... alone without you by my side...“
Die anderen dachten wahrscheinlich, es wäre wegen Tyler, aber wer von ihnen mal nachdachte, würde darauf kommen, dass es auch noch die Alternative namens Niklaus Mikaelson gab. Aber momentan dachte da niemand dran.
„If you loved me, why'd you leave me? Take my body, take my body. All I want is and all I need is to find somebody... I'll find somebody... like you, like you. Like you...“
Der Schmerz, der mich plötzlich erfasste, nahm mir einen Moment die Luft. Die Tatsache, dass der Urhybrid mich gleich zweimal zurückgelassen hatte, sorgte dafür, dass mir die Tränen hochkamen, doch ich drängte sie bestimmt zurück.
„So you brought out the best of me...“ Streng genommen war das eine der wenigen Zeilen, die nicht auf mich zutraf – dass ich das Beste aus ihm herausgeholt hatte, stimmte wohl schon eher. Aber einen Liedtext konnte man eben nicht einfach ändern. „A part of me I'd never seen. You took my soul and wiped it clean. Our love was made for movie screens.“
Bei Stefan schien inzwischen langsam der Groschen zu fallen, ebenso wie bei Bonnie. Elena, Damon und Jeremy schienen nur verwirrt, Rebekah und Matt wechselten einen Blick und sahen mich mitfühlend an – vielleicht hatte die Urvampirin ihm auf die Sprünge geholfen. Die restlichen Leute im Grill waren wirklich begeistert von mir, weil ich fantastisch sang.
„If you loved me, why'd you leave me? Take my body, take my body. All I want is and all I need is to find somebody... I'll find somebody.“ Mir kamen inzwischen doch die Tränen wieder hoch und ich gab es auf, sie zurückzuhalten, während die instrumentale Bridge mich zu den schönen Erinnerungen an Klaus brachte. Sein Lächeln und Lachen. Die wenigen Momente, in denen er seine Menschlichkeit zuließ. Seine Geschenke an mich. Die Erinnerungen ließen mich kurz lächeln und dann brachten sie mich beinahe um den Verstand. Wie hatte ich zulassen können, dass er ging. Mich verletzte das wahrscheinlich mehr als ihn. Wie kleine Dolche bohrte sich der Schmerz in mein Herz und eine der prägendsten Erinnerungen brach wieder an die Oberfläche.

Ich warf den Hut meines Abschlussdresses zu den anderen und drehte mich um, Klaus kam mit einem angedeuteten Lächeln auf mich zu. „Wie sind Sie so schnell hierher gekommen?“, fragte ich und musste unwillkürlich ein wenig lächeln.
„Ich war bereits auf dem Weg“, erwiderte er und ich zog fragend die Augenbrauen hoch. „Ich erhielt deine Abschlusseinladung. Sehr subtil.“ Ich begann zu grinsen. „Ich vermute, du erwartest Geld?“
„Das – oder einen Minikühlschrank“, antwortete ich zuerst etwas ernst und begann dann zu lächeln.
„Ich erwog, dir ein Erste-Klasse-Ticket anzubieten, um mich in New Orleans zu besuchen...“ Ich warf ihm einen Dein-Ernst-Blick zu und blickte dann an ihm vorbei. Er wusste, dass ich das niemals tun würde. „Aber ich wusste, was deine Antwort sein würde. Also wählte ich etwas, wovon ich wusste, dass du es akzeptieren würdest.“
Abwartend und aufmerksam blickte ich ihn an. Was sollte er mir anderes schenken wollen? Ich musterte ihn und mir fiel auf, dass ihm die nächsten Worte offensichtlich nicht leichtfielen. Er wirkte angespannt und schien sich selbst zwingen zu müssen – er war definitiv nicht sehr glücklich damit, es sagen zu müssen.
„Tyler darf wieder nach Mystic Falls zurückkehren.“
Überrascht und fassungslos sah ich ihn an. Konnte er das noch einmal wiederholen, damit ich mir sicher sein konnte? Er ließ Gnade walten? Wegen mir? „Was?“, fragte ich vollkommen perplex nach.
„Er ist deine erste Liebe...“, meinte der Urhybrid und kaum hatte er geendet, umspielte ein schwaches Lächeln seine Lippen. Ich konnte mein Glück kaum fassen, auch wenn ich mit mehr Freude von mir selbst gerechnet hatte. Irgendwie war ich sogar enttäuscht, doch ich ließ mir das nicht weiter anmerken. „Ich beabsichtige, deine letzte zu sein. Egal, wie lange es dauert.“ Er blickte mich nun ernster an und ich betrachtete ihn zum Teil mitfühlend, zum Teil so nach dem Motto 'Wusste ich doch, dass er nicht aufgibt'. Klaus beugte sich vor und gab mir einen Kuss auf die Wange, was meinen Herzschlag in die Höhe jagte. Die Stelle, an der seine Lippen meine Wange berührt hatten, brannte wie Feuer und ich bekam eine Gänsehaut – so mächtig und gefährlich und doch so sanft. Und er hatte sich für mich entschieden, für niemand anderen – für einen einfachen Baby-Vampir. „Glückwunsch, Caroline“, raunte er mir zu und ich begann zu lächeln. „Lass uns hier verschwinden, bevor zwölf wütende Hybriden sich dazu entscheiden, einen Kampf zu beginnen“, meinte er und bot mir seinen Arm an. Ich hakte mich lachend bei ihm unter und gemeinsam verließen wir in aller Ruhe den Sportplatz.
Diese Erinnerung ließ mich beinahe zusammenbrechen und der Schmerz überrollte mich erneut. Er hatte soviel für mich geopfert und mich dennoch allein gelassen. Fehlte gerade nur noch...

Na, Liebes, worauf wartest du eigentlich gerade?
Richtig, die Hälfte, die mir das Dunkel schön redete – Teufelchen. Und das ziemlich gründlich.
Du weißt genau, was ich von dir erwarte.
Ja, das weiß ich, danke.
Warum tust du es dann nicht? Der Einfachheit halber, meine ich.
Keine Ahnung, was fragst du mich das?
Naja, du musst mich immerhin bitten, ihn umzulegen, meine Liebe.
Was du nicht sagst.
Aber wir kennen beide deine Entscheidung schon, nicht wahr?
...Richtig.
Die Bridge war gerade zu Ende und ich setzte mit allem Gefühl, dass ich aufbringen konnte, wieder ein.
If you loved me, why'd you leave me? Take my body, take my body. All I want is and all I need is to find somebody... I'll find somebody... like you.“
Schon während der letzten Zeilen spürte ich nur meine Tränen, sah die Gesichter meiner Freunde. Es lief alles wie in Zeitlupe ab. Rebekah begriff als erste und starrte fassungslos zu mir hinüber, Matt rüttelte an ihrer Schulter und sprach drängend auf sie ein, Bonnie fiel es wie Schuppen von den Augen und sie schnappte nach Luft, Stefan sprang von seinem Platz auf, seine Lippen formten sich zu einem flehenden Nein, Elena verstand es schlagartig und schlug sich die Hände vor den Mund, Jeremy begriff offensichtlich nicht, was da vor sich ging, bis Elena es ihm rasch zu erklären schien und Damon begann zu grinsen und den Kopf zu schütteln. Im nächsten Moment redete Elena auf ihn ein und schien ihn anzuschreien, während er nur mit den Schultern zuckte.
Zuletzt gelangte mein Blick zur Tür, die kurz zuvor aufgeflogen war, drei altbekannte Personen standen dort. Elijah, Kol und Klaus. Rebekah blitzte zu ihnen und rüttelte an Klaus' Schulter, doch dieser stand wie angewurzelt dort und fixierte mich fassungslos mit seinen grünen Augen, der Schock stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Und im gleichen Augenblick, als sich unsere Blicke trafen und ich ihn erst wirklich erkannte, kippte mein innerer Teufel den Schalter und die Schmerzen waren fort. Kein Schmerz, keine Freude, keine Liebe. Nur Leere und Gleichgültigkeit.

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