„Mum, wo sind wir? Was ist das für ein Haus?» Ich war mir nicht sicher, ob ich auf die letzte Frage tatsächlich eine Antwort haben wollte. Das Innere dieses Hauses strahlte pure Magie aus, allerdings eher die der dunklen Sorte. «Das ist das Haus eines...nun ja... eines sehr guten Freundes.» Am Ende des Flurs, in dem wir uns befanden, hörte ich zwei männliche Stimmen. Allerdings waren sie zu leise, als das ich etwas verstehen konnte. Die Stimmen verstummten. Kurz darauf trat ein Mann in den Flur und hastete auf uns zu. „Selina! Da bist du ja!» Ich sah den Mann prüfend an. Er sah nicht gesund aus. Er war abgemagert, hatte fahles, schwarzes Haar und graue Augen, die schon viel Schreckliches gesehen haben mussten. Beides, seine Haare und seine Augen kamen mir seltsam bekannt vor. Sein Gesicht liess darauf schliessen, dass er einmal sehr hübsch ausgesehen haben musste. Meine Mum sah mich an. Er wandte sich mir zu und hielt mir seine Hand entgegen. «Du bist dann wohl Elaine?» Ich nickte. Er machte eine einladende Geste in die Richtung, aus der er gekommen ist. „Kommt in die Küche. Ich hab Kekse gebacken." „Du und backen? ", fragte meine Mum misstrauisch. Der Mann wurde ernst. „Ja, ich und backen. Weisst du, nach 15 Jahren passiert es schon mal, dass man sich ändert." Spannung baute sich zwischen den Beiden auf. Ich setzte mich an den Tisch, nahm einen der selbstgebackenen Kekse und biss hinein. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan. Der Keks war aussen verkohlt und innen noch nicht durchgebacken. Trotzdem lächelte ich und versuchte, die Stimmung etwas zu heben, indem ich sagte: „Die Kekse schmecken ausgezeichnet, Mister... äh..." Mist! Ich wusste nicht, wie der Mann hiess. Der starrte mich verwirrt an, dann wandte er seinen Blick wieder zu Mum. „Du hast es ihr nicht gesagt?" Meine Mutter schüttelte den Kopf. Ich war mit der Situation überfordert. Mir fiel nichts Besseres ein, als zu fragen: „Könntet ihr mich vielleicht aufklären, was Momentan das Problem ist. Ich blick da überhaupt nicht durch." Der Mann setzte sich mir gegenüber an den Tisch und sah mir tief in die Augen. Auf einmal fiel mir ein, woher ich seine Augen und seine Haare kannte. Ich sah sie jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sah. Nein! Ich bemerkte erst jetzt, wenn ich da vor mir hatte. Mum setzte sich neben mich und begann, mir fürsorglich über den Rücken zu streichen. «Das mit dem guten Freund vorhin war gelogen, oder?», hauchte ich. «Nun ja, gewissermassen ist er ja ein guter Freund», witzelte Mum. Ich sah sie befremdlich an. Wie konnte sie jetzt Witze machen? Rasch erstarb ihr Lachen. «Elaine, bitte dreh jetzt nicht durch. Egal, was ich dir jetzt sage, okay?» Ich starrte sie nur weiterhin an. Sie seufzte einmal tief und sagte dann: «Du erinnerst dich noch an letztes Jahr, als Sirius Black aus Askaban floh?» Ich nickte, wusste aber nicht, was der Ausbruch von Sirius Black mit dieser ganzen Geschichte zu tun hatte. «Nun, er war unschuldig. Und das musst du mir glauben», fuhr Mum weiter. Sie sah zu dem Mann. «Nun, da sitzt er jetzt. Und...ähm...er ist...äh...nun er ist...» Sirius Black, dem das Gestotter meiner Mum wohl zu lange dauerte, unterbrach sie und liess so die Bombe selbst platzen. «Nun, ich denke, deine Mutter will dir sagen, dass ich dein Vater bin.» Die Übelkeit von vorhin kehrte zurück, diesmal aber zehnmal schlimmer. Ich spürte, wie alles Blut aus meinem Gesicht floss. Mum stellte das Streichen ein und sah mich prüfend an. „Alles in Ordnung?», Fragte sie. Ich sprang auf und Mum zog ihre Hand blitzartig zurück. «Nein, ist es nicht, verdammt noch mal!», schrie ich sie aufgebracht an. Ich raufte mir die Haare und lief am Tisch entlang hin und her. Wütend blieb ich vor Mum stehen. «Du willst mir also weiss machen, dass dieser Typ, dieser Sirius Black, mein Vater ist, der uns noch vor meiner Geburt verlassen hatte?!», fuhr ich sie an. Und auf einmal ging mir ein Licht auf. «Du sagtest, dass ich nicht mehr bei dir wohnen könne. Meintest du damit etwa, das ich hierbleiben werde?» Der niedergeschlagene Blick meiner Mutter war Antwort genug. «Oh nein. Nein nein nein nein! Niemals! Da mach ich nicht mit!» Ich verliess die Küche fluchtartig. Ich hörte schnelle Schritte, die mir folgten, doch ich machte mir nicht die Mühe, mich umzudrehen. Gerade als ich die Eingangshalle durchquerte, packte mich eine knochige am Arm und wirbelte mich herum. Ich sah Black direkt ins Gesicht. Ich schrie auf und befreite meinen Arm mit einem Ruck aus seinem Griff. Keine zwei Sekunden später setzte ein unheilvolles Geschrei ein. Black liess den Kopf hängen und eilte dann zu einem Porträt im Flur. Während er versuchte, einen dicken Vorhang vor das Gemälde zu schieben, schimpfte die alte Frau, die auf dem Bild zu sehen war, ihn aus. «Blutsverräter! Der Familie nicht würdig! Raus hier, du Schandfleck eines Sohnes!» Endlich schaffte Black es, die Frau zum Verstummen zu bringen, doch ich stand vor Schrecken erstarrt da. Black konnte mich so ohne weitere Anstrengung in die Küche zurückschieben. Dort sass Mum immer noch am Tisch und hatte ihr Gesicht in ihren Händen vergraben. Black drückte mich sanft neben sie auf die Bank und setzte sich uns gegenüber. «Bitte Elaine, hör uns einfach zu», flehte Black. Ich seufzte, blieb aber sitzen. Mum und Black sahen sich an. „Ich denke, es ist am besten, wenn wir von vorne beginnen. Deine Mum und ich hatten uns in Hogwarts kennengelernt. Wir hatten uns verliebt. Als wir die Schule abgeschlossen hatten, waren wir ein Paar geblieben. Ich war Mitglied im Orden des Phönix geworden und hatte sehr wenig Zeit für deine Mum gehabt. Sie hatte sich immer mehr zurückgezogen. Ich hatte nichts bemerkt. Eines Tages waren James, der Vater von Harry Potter, und ich auf einem Einsatz gewesen, um Todesser zu belauschen. Dabei hatte ich deine Mutter entdeckt. Sie hatte an ihrer Besprechung teilgenommen. An diesem Abend hatte sie mir gesagt, dass sie schwanger sei und das hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich hatte mir keine Zukunft für dich vorstellen können, hatte gedacht, man würde dich wahrscheinlich töten. Das hatte ich nicht erleben wollen und war abgehauen. Ich war ein Feigling gewesen. Das hatte ich eingesehen und es tut mir auch wirklich leid." Dass meine Mutter eine ehemalige Todesserin war, wusste ich. Das war aber das Einzige, das ich über ihre Vergangenheit wusste. Den Rest davon pflegte sie totzuschweigen. Durch die Erzählung meines Vaters konnte ich nun auch die Beweggründe für sein Fortgehen verstehen. Ich musste mir eingestehen, dass ich ihn sogar sehr gut verstehen konnte.
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Lebensentscheidungen
FanficElaine ist glücklich bei ihrer Mutter aufgewachsen. Ihren Vater hat sie nie gekannt, da er ihre Mutter noch während der Schwangerschaft verlassen hat. Doch was passiert, wenn die dunkle Vergangenheit von Elaines Mutter sie einholt? Wenn ihre Mutter...