Die Sonne schien wieder und ich vermisste die Tage, an denen schwere Regenwolken über New York gehangen hatten. Ein grauer Himmel hätte besser gepasst, zu den tonnenschwerer Lastwagen, die durch unsere Straße bretterten und dabei beinahe die Stromkabeln mitrissen.
Es war ein scheiß Tag, der sich mit ratternden Motoren angekündigt hatte.Ich war bereits mit einem Fuß aus dem Haus als mein Vater mich um 7 Uhr morgens abfing. "Du bist so laut mit deinem rumgerenne, du weckst sogar die Nachbarn auf! Jeden Tag! Jeden Tag das selbe!"
Natürlich war es nicht ich, die ihn geweckt hatte, aber Lastwagen ließen sich schwer anschreien.
Eier brutzelten in der Pfanne, während mein Vater die erste Seite der Zeitung aufschlug.
Elf Minuten nach sieben kam meine Mutter mit hastigen Schritten in die Küche gelaufen. Offensichtlich in dem Glauben, die Welt sei untergegangen, denn sie hatte verschlafen und niemand war gekommen, um sie deswegen anzubrüllen.
Ein leises "oh" entwich ihr, als sie mich am Herd stehen sah.
Nach zehn Sekunden, Staunens war meinem Vater die Geduld ausgegangen, schließlich hatte er heute schon genug ertragen müssen. "Was glotzt du so?", fragte er über die offene Zeitung hinweg. "Kann sie nicht auch mal Frühstück machen, wenn du ganz offensichtlich zu faul dafür bist?"
Verlegen verteilte ich die Spiegeleier auf zwei Tellern und versuchte angestrengt nicht Teil dessen zu werden, was auch immer zwischen meinen Eltern vor sich ging. Der Stuhl knarrte laut unter meiner Mutter auf, als sie sich setzte, und dann folgte die erdrückende Stille, der ich so lange versucht hatte zu entgehen.
Ich warf die letzten vier Scheiben Speck in die Pfanne und spürte, wie sich eine riesiger Sturm anbahnte.
Die Zeitung raschelte, mein Vater murmelte irgendetwas über die Wirtschaft und, dass er nur mehr bergab ging mit der Arbeiterklasse. Meine Mutter räusperte sich, ihr Stuhl knarrte abermals, schwere Schritte, der Kühlschrank öffnete sich.
Er war leer, das wusste ich, und mit meiner Mutter, stieg die Zahl der Wissenden in den kritischen Bereich von zwei. Ich hielt die Luft an, in zwei Minuten würde ich weg sein und dann konnten sie so viel über Essen und Geld streiten, wie sie wollten.
Die Kühlschranktür viel mit einem dumpfen Geräusch wieder zu, ich fischte Teller aus dem Schrank über mir.
"Gibts noch Bier?", fragte mein Vater plötzlich hinter seiner Zeitung. Fast hätte ich die Teller fallen gelassen bei dem Klang seiner Stimme. Die Luft war warm und stickig geworden.
Die Zeitung wurde weggelegt. "Ich habe etwas gefragt!"
"Das waren die letzten Eier.", verkündete meine Mutter und brachte mit schweren Schritten Distanz zwischen sich und meinem Vater.
"Ich habe nicht nach den Eiern gefragt!", rief er.
Ohne von der Pfanne aufzusehen, hatte er meine volle Aufmerksamkeit. Das Frühstück war fertig, in dreißig Sekunden konnte ich in der Einfahrt stehen.
"Wir haben kein Geld für Bier.", sagte meine Mutter leise, denn irgendjemand musste es tun und ich wäre eher verhungert.
"Wir haben kein Geld?" Eine Zeitung wurde auf den Tisch geschlagen, ich zuckte abermals zusammen. "Wir haben kein Geld für Bier? Ich arbeite jeden Tag acht Stunden und du sagst mir, dass wir kein Geld für Bier haben?"
"Der Kühlschrank ist leer.", sagte meine Mutter leise.
"Dann friss weniger!", schrie mein Vater und ich ahnte, dass er rot angelaufen war. "Wir haben kein Geld für Bier? Das kann nicht sein! Wenn ich das noch ein einziges mal höre, dann kannst du was erleben!"
Ich warf einen verstohlenen Blick auf die Küchenuhr - 7:35, der Schulbus musste jeden Moment da sein. Zwei Teller in den Händen drehte ich mich um. Meine Mutter setzte sich stumm an den Tisch, mein Vater sah so aus, als hätte er nur mit größten Mühen das Schlimmste abwenden können. Mit zitternden Händen stellte ich sein Frühstück vor ihm ab.
"Bis später.", murmelte ich und war mit zwei Schritten aus der Küche.
"Hannah!", rief mir mein Vater nach.
Ich verzog mein Gesicht zu einer hässlichen Grimasse ehe ich mich umdrehte.
"Du weißt, dass ich spät heimkomme.", sagte mein Vater mit etwas mehr Selbstbeherrschung. "Und ganz offensichtlich ist deine Mutter heute vollkommen nutzlos." Er zog seine Geldbörse hervor. "Ich will, dass am Abend, wenn ich erschöpft heimkomme, Bier im Kühlschrank steht.", sagte er und hielt mir einen grünen Schein entgegen.
☂
Als sich die Haustür hinter mir schloss, war der Schulbus nicht mehr zu sehen.
Sechs Stunden um einen Sixpack Bier zu kaufen, das wird doch wohl möglich sein, dachte ich und lächelte halbherzig.
☂
Ich warf einen Blick auf die Glasscheibe des Supermarktes und musterte meine Reflexion. Vielleicht sah ich aus wie siebzehn oder achtzehn aber niemals wie einundzwanzig.
Möglichst unauffällig sah ich mich nach jemanden um, der mir helfen konnte. Etwas Abseits des Eingangs, saß ein älterer Mann mit langem, verfilztem, Haar und einen Wendys Becher in der Hand. Seine Jeansjacke war womöglich älter als ich selbst.
"Guten Tag, können Sie mir vielleicht einen Gefallen tun?", fragte ich und hatte plötzlich das dumpfe Gefühl, er könnte einfach ablehnen.
Der Mann musterte mich von Kopf bis Fuß. "Was für einen Gefallen?", fragte er schließlich mit rauer Stimme.
"Ich brauche einen Sixpack Bier."
"Bier also. Darf man fragen, wie alt du bist?"
"Darf man nicht.", sagte ich und verschränkte die Arme.
"Verstehe, wie wär's, wenn du mir erstmal etwas in meinen Becher wirfst?", fragte der Mann und ließ das Kleingeld klimpern.
"Ich habe bloß einen zehn Dollar Schein. Das geht nicht."
"Zehn Dollar also. Und ich krieg' was übrig bleibt?"
"Nein, aber zwei Dollar und zwei Zigaretten. Wie wäre das?"
Der Mann musterten mich, wollte wohl etwas über mein Alter sagen und tat es dann doch nicht.
"Drei Zigaretten.", sagte er schließlich.
Ich nickte.
"Aber wir gehen in ein anderes Geschäft.", sagte er nachdem er aufgestanden war und sich abgeputzt hatte.
"Warum?"
Er sah mich an. "Hier kennen sie mich, ich kann froh sein, dass sie mich nicht verscheuchen. So jemand wie ich, wird nicht gerne in Geschäften gesehen.", sagte er. "Vor allem nicht mit jungen Mädchen."
"Ich bleibe draußen."
"Das macht es nicht viel besser. Lass uns zu einem anderen Laden gehen, ich kenne da einen Schuppen ganz in der Nähe.", sagte er und ich hatte das miese Gefühl, dass er wie gedruckt log.
"Das geht nicht.", sagte ich. "Ich hab's eilig." Eine Lüge die sich ausgesprochen wirklich billig anhörte.
"So, so."
"Entweder hier oder nicht.", sagte ich entschlossen.
"Ich brauche das Bier nicht."
"Aber das Geld."
Er nickte. "Okay, los, gib mir die zehn Mäuse."
Ich reichte sie ihm, ohne loszulassen.
"Und ja keine dummen Ideen, mein Freund sitzt da hinten im Auto und wartet.", sagte ich und deutete auf einen geparkten Chevrolet, in dem durch reinen Zufall, wirklich jemand saß. Nur eben nicht mein Freund.
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Feel the pain
Teen FictionMit Problemen zuhause hilft es nicht, dass Hannah sich auch noch mit der "Tussengang" an ihrer Schule anlegt. Als auch noch Kyle auftaucht und sie trotz seiner Freundin küsst, gibt es kein zurück mehr. Zu tief steckt Hannah in allem drinnen als Kyl...