Teil 4 - Was nun? Oder besser: WOHIN?

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Hastig eilte sie die Treppe hinunter. Raus aus dem Haus. Weg von der Straße. Weg von der Siedlung. Weg von dem Ort der Schande. Doch bevor sie die Stadt verließ, ging sie zur Bank, hob alles Geld das darauf war ab, gab die Karte am Schalter ab und ging wortlos. In der Nähe der Bank hielt sie noch einemal kurz an und warf den Umschlag mit dem Brief an ihre beste Freundin in den zum Haus gehörigen Briefkasten.

Sie warf einen letzten Blick auf das Haus von Mia. Mit traurigen Augen ging sie. Der Abschied fiel ihr extrem schwer. Nur langsam kam sie voran. Jeder Schritt schmerzte in ihrem Herzen. In Gedanken erlebte sie nocheinmal jeden der vielen tollen Momente mit ihrer besten Freundin und auch all die schlechten Zeiten. Als sie Mia erzählte was der Freund ihrer Mutter mit ihr machte. Auch wenn sie es nicht wollte, würde sie all diese Dinge (hoffentlich) irgendwann vergessen. Hastig wischte sie sich die Tränen weg und lief los. Erst als die Stadt schon gut 2 Kilometer hinter ihr lag, gönnte sie sich eine kleine Pause. Sie blickte sich um. Alles war düster und kühl war es auch schon geworden. Unbeholfen bastelte sich sich in dem kleinen Wäldchen einen Unterschlupf der für die eine Nacht reichen sollte. 2 dickere Jacken dienten ihr als Matratze, die größere Tasche und das Kissen waren ihre Kissen und mit der Decke die sie mitgenommen hatte, deckte sie sich zu. Bevor sie in ihren traumlosen Schlaf versank, ging ihr der Tag noch einmal durch den Kopf. Der verpennte Morgen,das Gespräch mit ihrer Mutter, die letzte Nacht, der unschöne Nachmittag ....

Mit einem tiefen Seufzer entschlief sie der materiellen Welt.

Am nächsten Morgen weckten sie die Sonnenstrahlen die durch die Blätterkronen der Bäume fielen. Blinzelnt öffnete sie die Augen und schaute sich um. Noch etwas verträumt streckte sie sich und gähnte ausgiebig. Sie setzte sich auf und streckte sich erneut. Die Nacht war trotz des harten Untergrunds dennoch die erholsamste Nacht seit Wochen gewesen. Als sie ihren Blick schweifen ließ, bemerkte sie einen kleinen Bach in ihrer Nähe an dessen Ufer ein kleines Häschen saß. Sie beobachtete dieses eine Weile bis ihr knurrender Magen sie aus ihren Gedanken riss. In ihrer Eile hatte sie sowohl vergessen zu essen als auch welches einzupacken.

'Oh Mann, ich will gar nicht wissen wann ich das letzte Mal etwas gegessen hab...' murmelte sie. Langsam aber doch begann sie ihr notdürftiges Nachtlager abzubauen. Sorgfältig packte sie alles zurück in ihre Taschen.Gerade als sie losgehen wolle, hörte sie wie ein paar Jugendliche an ihrem Versteck vorbeigingen. Dabei bekamm sie ein paar Sätze des Gesprächs mit:

"Und die is' wirklich von einem Tag auf den ander'n verschwunden?"

- "Ja! Naja, das heißt, man hat sie schon seit ein paar Tagen nichtmehr gesehen... Und in der Schule fehlt sie schon seit Wochen. Und außerdem hat Tami heut ihre Mutter völlig aufgelöst in den Straßen herumirren gesehen!"

"Und? Das is ja bei denen nichts neues gewesen?"

- "Ja, aber als Tami sie fragte was diesmal los sei sagte sie dass ihre Tochter verschwunden sei!"

"Krass. Weiß man wieso sie abgehauen ist?"

- "Gerüchte sagen dass irgendwas mit ihrem Stiefvater schief lief..."

Und damit waren sie dann an ihre vorbei. Für sie stand fest dass es sich um sie handelte. Sie wartete noch bis die kleine Gruppe endgültig vorbeigegangen war, schulterte ihre Taschen und ging dann in Richtung der nächstgelegenen Stadt um Lebensmittel zu kaufen - aber nur das Nötigste. Sie schaute vorerst ein letztes Mal zurück in Richtung ihrer bisherigen Heimatstadt ehe sie sich umdrehte und losging. Endgültig.

In der Stadt angekommen, suchte sie sich einen Lebensmittelladen und kaufte ein paar Wasserflaschen, ein paar Brötchen und ein wenig Obst. Anschließend ging sie zu einem Bahnhof wo sie ihre großen Taschen in einem Schließfach verwahrte. Eine kleine Tasche wo sie eine Wasserflasche, Obst und 10 Euro mit sich trug nahm sie mit. Damit schlenderte sie dann zurück ins innere der Stadt. Als sie dort den Hauptplatz erreichte, setzte sie sich dort auf den Rand eines Brunnens und aß einen Apfel und ein paar Erdbeeren. Sie beobachtete die Menschen die an ihr vorbeiliefen. Außer ihr saßen noch ein paar Jugendliche am Brunnen, alle schienen älter als sie zu sein. Sie betranken sich und rauchten - vermutlich nicht bloß Zigaretten. Da sie ein wenig abseits von ihnen saß, beobachtete geistesabwesend das plätschernde Wasser und tagträumte etwas vor sich hin. Da fiel ihr ihre Mutter ein. Ob sie sie vermisste? Wohl kaum. Und wenn, dann würde sie sie in ein paar Tagen vergessen haben, denn sie war ja glücklich mit ihrem neuem Mann. Wegen dem es die letzten Wochen nur Streit und Kummer gegeben hatte. Sie verwarf den Gedanken an ihre Mutter und döste ein wenig in der warmen Sonne vor sich hin. Bevor sie es überhaupt realisierte, dämmerte es schon wieder und die Leute verzogen sich vom Platz.

Für sie hieß es nun wohl wieder einen Schlafplatz für die kommende Nacht zu finden.

MissbrauchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt