Kapitel 1 Teil 2: Grimmauldplace Nummer zwölf

1.5K 54 6
                                    

Kapitel 1 Teil 2: Grimmauldplace Nummer zwölf

Voldemorts Lachen klang in Harrys Ohren. „Wen willst du heute als Schild benutzen, Potter?", höhnte er. „Du hast immer nur auf Kosten derer überlebt, die sich für dich geopfert haben. Glaubst du wirklich das Liebe-", er spuckte das Wort geradezu aus, „dich wieder retten kann?" Voldemort ging um Harry herum. Sie waren alleine, standen auf einer Lichtung im verbotenen Wald, die vom Mondlicht erleuchtet wurde. Harry konnte Voldemorts bleiche Haut erkennen, die sich über seine fahlen Wangen spannte. Seine durchdringenden roten Augen starrten ihn böse an.
„Diesmal wird keiner kommen um dich zu retten, Harry Potter. Ich weiß nicht wieso du überlebt hast, aber ich werde dich solange umbringen, bis du und alle die für dich kämpfen tot zu meinen Füßen liegen!" Voldemorts Stimme war zu einem tiefen Dröhnen aufgeschwollen. Harry war sich sicher, dass jeder im Radius mehrerer Kilometer ihn vernommen haben musste. Auf seinen Armen bildete sich unwillkürlich Gänsehaut und er blickte haltsuchend empor zu den Baumwipfeln. Die Kronen der dunklen Bäume verschwanden vor dem schwarzen Nachthimmel und ein erdrückendes Gefühl machte sich in ihm breit. Als würde er in einem tiefen Kessel sitzen, aus dem langsam die Luft herausgezogen wurde.
Voldemort sprach leise weiter. „Du bist nichts Besonderes Harry Potter. Du hast nur durch die Opfer anderer überlebt", betonte er wieder. „Du hast nur überlebt, weil ich einen Fehler gemacht habe. Du hast keine Macht, Potter. Du hast keinen Schutz mehr. Der Schutz deiner Mutter, fließt auch in meinen Adern." Er strich sich über den Arm, als würde er das Blut spüren. „Du hast mich durch dein Blut noch stärker gemacht Harry." Voldemort lachte kalt, so dass Harry das Blut gefror. „Du hast niemanden mehr der dich liebt, niemand wird sich mehr zwischen uns stellen! Sie sind alle bereits gestorben. Ich habe sie alle getötet. Jeden einzelnen Menschen der dir jemals etwas bedeutet hat." Voldemorts Augen glühten. „Und ich werde sie alle töten. Alle in diesem Schloss, die zu dir gehalten haben. All deine kleinen Freunde, all die Blutsverräter und Schlammblüter. Es ist mir egal. Zauberer die so töricht sind dir zu folgen haben es nicht besser verdient als zu sterben." Voldemort war nun in einen fast schon genüsslichen Singsang verfallen, der Harry den Magen umdrehte. „Ich werde sie wohl ein wenig foltern müssen.", feixte der schlangenhafte Mann und spielte mit seinem Zauberstab in seinen Fingerspitzen. Harry war nicht in der Lage sich zu rühren. Er wusste, dass seine Freunde in Gefahr waren, doch der einzige Weg sie zu schützen, war es Voldemort hier und jetzt zu töten. Harry trat einen Schritt zurück und richtete seinen Zauberstab zuerst auf Voldemorts Herz und dann auf seinen Kopf. Er war sich nicht sicher ob der dunkle Zauberer überhaupt noch ein Herz besaß, das verwundet werden konnte.
Harrys Mund war trocken und wund und die Worte kamen viel zu leise und zögerlich heraus als er den „Avada Kedavra" murmelte. Voldemort lachte nur laut auf, als der kleine grüne Lichtblitz von Harrys Zauberstab auf den Waldboden fiel. Harry versuchte es erneut doch wieder war der Zauber zu schwach.
„Avada Kedavra!", rief er jetzt laut und hielt den Zauberstab entschlossen auf Voldemort gerichtet. Das grüne Licht erhellte kurz die Lichtung, aber Voldemort stand nach wie vor lachend vor ihm. Er hatte den schwächlichen Todesfluch mit einer kleinen Bewegung seines Zauberstabs abgewehrt.
„Gib es auf Harry", sagte er nun gehässig. „Hat dir denn niemand erklärt, dass du einen unverzeihlichen Fluch auch wirklich so meinen musst? Der Todesfluch erfordert einen Hass und eine Entschlossenheit, die ein so schwacher Junge wie du, niemals aufbringen kann. Nicht einmal um deine kleinen Freunde zu schützen." Harry schluckte. Er hatte diesen Rat bereits einmal von Bellatrix Lestrange bekommen, als er nicht fähig gewesen war sie zu foltern. Doch den Cruciatus-Fluch hatte er schließlich bei Carrow zur Anwendung gebracht. Der Hass der ihn in diesem Moment durchfahren hatte, war allerdings erschreckend und allumfassend gewesen. Das Gefühl hatte ihn fast sein Selbst vergessen lassen. Doch der Hass den er für Voldemort empfand war wesentlich stärker und die Angst um seine Freunde im Schloss ließ ihn fast zerspringen. Er verstand nicht, wieso er es dennoch nicht schaffte Voldemort umzubringen.
Voldemort hatte begonnen Harry zu umrunden. Sie gingen in einigem Abstand umeinander herum. Harrys Blick glitt zwischen ihnen von Voldemort, zu seinem und zu seinem eigenen Zauberstab.
„Nichts wird dich mehr retten Potter! Du kannst nichts tun." Voldemort sprach ruhig, mit einer Verachtung und einem gespielten Mitleid. „All die armen Menschen die für dich gestorben sind", er grinste wieder. Er wollte Harry verspotten. „Wenn sie dich jetzt sehen könnten, wären sie gedemütigt! Niemand sollte sein Leben für einen solchen Versager wegwerfen." Voldemort bückte sich und hob etwas vom Boden auf. Harry konnte nicht erkennen was es war, doch Voldemort strich mit seinen langen Fingern darüber und begann es in seiner Hand zu drehen. „Deine arme Schlammblutmutter! Sie hätte sich bestimmt nicht für einen Schwächling geopfert. Sie hätte leben können, ich wollte sie nicht töten. Ich hätte sie Severus gegeben, er hätte sich sicher gefreut", spottete Voldemort. „ Er hat sie begehrt, wusstest du das? Hat mich angefleht ihr nichts zu tun. Aber sie wollte dich ja unbedingt beschützen." Voldemort lachte schleimig. „ Aber was hat es gebracht? Jetzt werde ich dich doch töten und sie ist umsonst gestorben. Sie ist tot. So wie Severus. So wie dein Vater." Er drehte das Etwas in seinen Händen weiter. „ Dein Vater war ein guter Kämpfer. Er hätte mich schon lange getötet, wenn er an deiner Stelle gewesen wäre. Du machst ihm Schande!" Mit diesen Worten beendete er die dritte Drehung und hinter ihm erschienen drei schattenartige Gestalten. Das Mondlicht strahlte das rot schimmernde Haar seiner Mutter an, sodass Harry sie sofort erkannte. Neben ihr stand James Potter. Er fuhr sich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar und trat dann neben Voldemort. Harry blickte seinen Vater hilfesuchend an. Er hatte erwartet in seinem Blick Zuspruch und Unterstützung anzutreffen, doch der Mann starrte ihn nur enttäuscht und angewidert nieder. In seinen Augen stand Abscheu und Hass. Als er sprach kam seine Stimme aus weiter Ferne, aber Harry konnte jedes der leisen Worte genau hören und sie stachen ihm direkt ins Herz. „Du bist nicht mein Sohn! Du bist eine Schande für uns. Ich wünschte du wärest nie geboren worden!" James sah hinüber zu Lily Potter, die Harry den Rücken zugedreht hatte. Sie schluchzte laut hörbar und Harry wollte fast schon zu ihn gehen, sie festhalten und sich von ihr trösten lassen, als die dritte Schattengestalt auf sie zutrat. Severus Snape nahm Lily in die Arme und sie lehnte sich an seine Brust. Sie sprach ebenso leise wie zuvor James, doch Harry konnte die Worte wiederrum genau verstehen.
„Ich hätte mich für dich entscheiden sollen Severus.", sagte sie zwischen zwei Schluchzern. „Unser Sohn wäre sicherlich nicht eine solche Enttäuschung geworden!" Snape strich ihr über das Haar. „Ja Lily, unser Kind wäre besser geraten als das da!", spuckte Snape mit einem Kopfnicken in Harrys Richtung aus. „Er ist mittelmäßig und arrogant. Er hat es immer schon genossen berühmt zu sein, für etwas das du ihm geschenkt hast. Sein Ruhm mag ihn bis hierhin beschützt haben, aber er war es nicht wert, dass du dich für ihn geopfert hast." Harrys Herz setzte einen Schlag aus, als er seine Mutter nicken sah und er dachte er würde gleich ohnmächtig werden als Snape begann sie zu küssen und an sich zu drücken.
Voldemort lachte und drehte den Stein der Auferstehung abermals in seinen Händen. Sirius kam zwischen den Bäumen auf sie zu und von der anderen Seite traten Lupin und Tonks zu James. Sie sahen auf Lily und Snape und dann zu Harry. „Das ist alles deine Schuld", blaffte Sirius ihn an. „Ich bin froh das ich nicht länger dein Pate sein muss."
„Und dafür sind wir gestorben, Harry? Ich habe dir nicht beigebracht ein solch schwacher Zauberer zu sein." Es war Remus Lupin, der ihm das vorwarf. Seine Frau schlang ihre Arme um ihren Körper. Tonks' leuchtend weißes Haar strahlte im Mondlicht, aber ihre Augen schienen dunkel und bösartig zu funkeln. „Ich habe meinen Sohn verlassen, Harry! Wegen dir wird mein Kind ohne Eltern aufwachsen. Wie konntest du es wagen Teddy seine Eltern zu nehmen? Grade du!" Sie blickte sich zu James um und sah dann auf Lily, die immer noch in Snapes Armen lag und nun begonnen hatte ihre Hände unter seinen Umhang gleiten zu lassen. Harry fühlte wie seine Beine unter ihm zitterten. Er fühlte sich elend und hilflos. Suchend blickte er zwischen den Augenpaaren seiner verstorbenen Familie umher. Beim Blick auf seine Mutter drehte ihm sich der Magen um und er versuchte zu ignorieren, dass Lily ihre Hand knutschend in Snapes ungewaschenem Haar vergraben hatte.
Immer mehr Gestalten tauchten zwischen den Bäumen auf und stellten sich zu den Rumtreibern und neben Voldemort. Sie bildeten auf der Lichtung einen Halbkreis um Harry, der von Einem zum Anderen blickte und verzweifelt nach Halt suchte.
Fred Weasley stand am Rande des Halbkreises. In seinen Augen war kein Lachen mehr, sondern nur noch Verachtung. „Ich dachte wir wären sowas wie Familie für dich, Harry. Glaubst du, du kannst dir unsere Unterstützung kaufen?" Harry stammelte. „Nein, nein Fred, das Geld war für euren Laden. Das weißt du doch. Ich wollte doch nur helfen. Ich..." Harrys Stimme erstarb als Fred höhnisch auflachte. „Auf deine Hilfe kann ich verzichten. Wir alle-" er machte eine Armbewegung über die Menge an Leuten auf der Lichtung, „wären ohne dich viel besser dran gewesen!"
Neben Fred quiekte der kleine Colin Creevey: „Ich dachte du wärst mein Held!", und Mad‑Eye‑Moody grunzte zustimmend bevor er auf den Boden spuckte. Harrys Blick blieb an einer kleinen Gestalt hängen. Die großen Ohren hingen schlaff herunter und die kugelrunden Augen waren mit Tränen gefüllt. Der kleine Körper wurde von Krämpfen geschüttelt, als Dobby weinend zu Harry hinüber sah. Dieser war inzwischen auf seine Knie gesunken und damit auf Augenhöhe des Hauselfen, den er eigenhändig begraben hatte.
„Harry Potter ist es nicht wert, das Dobby wegen ihm seine Familie verraten hat. Das Messer der Miss in meiner Brust, war die gerechte Strafe dafür." Dobby sah ihn stur an. „Ich habe nie gedacht, dass Harry Potter so schwach ist."
Harry versuchte den vorwurfsvollen und hasserfüllten Blicken auszuweichen. Er versuchte nicht in die Augen der Gestalten um ihn zu schauen und auch nicht auf seine, noch immer knutschende, Mutter im Hintergrund. In der Mitte der Menge stand Voldemort mit leuchtend roten Augen. Er lachte laut und sah voll sadistischem Vergnügen auf Harry herab. An seine linke Seite trat nun ein großer Mann mit langem weißem Bart. Dumbledore schaute Harry nicht an. Er nahm seine Halbmondbrille ab und spähte zwischen die Bäume. In seinen Augen lag keine Wut, kein Hass, nur Enttäuschung als er schließlich auf Harry herabblickte. „Ich habe dich wohl überschätzt, Harry." Er sah auf die umstehenden Gestalten. „Ich dachte wirklich du könntest die, die du liebst retten. Ich dachte sie würden dir mehr bedeuten!" Er setzte seine Brille wieder auf, trat einen Schritt von Voldemort weg und drehte sich dann, ohne einen weiteren Blick auf Harry um. Während er langsam in den Wald hinein ging, hörte Harry sich selbst rufen. Er rief nach seinem Schulleiter, er solle ihm helfen, er würde doch schließlich nur seinen Plan befolgen. Er hatte doch von Anfang an, nur das getan, was Dumbledore für ihn vorgesehen hatte.
Voldemort lachte böse über seine Worte. „Der große Harry Potter hat also keine Schuld an seinem Handeln? Du bist so schwach! Du versteckst dich nur hinter dem Schutz und den Plänen anderer. Und nun willst du auch vor deiner eigenen Verantwortung und Schuld entkommen." Die Stimmen der Umstehenden erhoben sich von einem Murmeln zu lauten Vorwürfen. „Du bist ein Versager Harry!" „Du bist schwach." „Du bist kein Held, ein Held hätte uns gerettet!" „Du bist nicht mein Sohn." „Du bist nur ein Versager." „Ohne dich wären wir alle besser dran. Ohne dich wären wir noch am Leben."
Die Stimmen vermischten sich mit einem kalten, hohlen Lachen und fernem Stöhnen und Keuchen seiner Mutter. Harry ließ seinen Zauberstab fallen, den er bisher umklammert gehalten hatte und hielt sich die Ohren zu. Er hatte das Gefühl zu ersticken. Es drehte sich in seinem Kopf. „Du bist Schuld. DU bist SCHULD!", sagten die Stimmen immer wieder und nahmen Harry die Kraft zu atmen.
Keuchend fuhr er hoch. Seine Decke lag schwer auf ihm und in dem Zimmer war es heiß geworden. Er warf die Beine vom Bett und setzte sich hin. Die Samtvorhänge vor dem Fenster waren zugezogen, aber durch einen Spalt konnte Harry erkennen, dass es noch dunkle Nacht sein musste. Er sah sich in Sirius' altem Zimmer um, dass er nun seit seinem Einzug im Grimmauldplace bewohnte. Die silbergrauen Tapeten schimmerten in der Dunkelheit und zeigten helle Flecken, wo es Harry endlich gelungen war die Poster abzunehmen, die dort Jahrzehnte lang festgeklebt hatten. Er griff nach einem Glas Wasser auf dem Nachttisch neben dem aufwendig geschnitzten Holzbett. Diese Albträume verfolgten ihn nun bereits seit zwei Wochen und er begann sich zu fragen, ob er wohl jemals wieder eine Nacht durchschlafen können würde. Harry stand wackelig auf und ging hinüber zum Fenster. Als er es öffnete spürte er, wie die kühlende Nachtluft seine erhitzte Haut und seine schweißnasse Stirn erfrischte. In den ersten Nächten hatte er erschrocken nach einem Brennen seiner Narbe gefühlt, doch diese fühlte sich genauso klamm wie seine Stirn an. Bisher war er Albträume dieser Art nur in Zusammenhang mit Visionen von Voldemorts Geist gewohnt gewesen, doch er wusste, dass Voldemort tot und diese Bilder Produkte seines eigenen Verstandes waren.
Ein Blick auf die Armbanduhr die er zum siebzehnten Geburtstag bekommen hatte, verriet ihm, dass es kurz nach halb sechs war und die Sonne gleich aufgehen würde. Bereits jetzt hatte sich die schwarze Dunkelheit gelichtet und ein sanfter Schimmer von rosa, blau und orange begann den nichtsichtbaren Horizont zu färben. Harry hatte von dem Fenster im zweiten Stock einen guten Blick über den Grimmauldplatz und über die Dächer Londons, die langsam begannen die ersten Sonnenstrahlen zu reflektieren. Heute würde wieder ein sehr warmer Julitag werden und die Stadt würde sich schnell aufheizen und in ihren Mauern kochen. Doch noch lag die angenehme Kühle und Stille der Nacht wie eine Decke über den Dächern. In den Häusern auf dem Platz rund um Nummer zwölf gingen langsam einige Lichter an. Die Muggel die dort wohnten begannen aufzustehen und sich für die Arbeit fertig zu machen. Harry erkannte Silhouetten von Menschen die hinter den Vorhängen umherliefen. Ohne die Absicht zu haben, folgte Harry mit seinen Augen der Gestalt einer Frau, die allem Anschein nach grade aus der Dusche stieg und sich ein Handtuch umschlang. Ein Fenster weiter rechts, sah er sie kurz darauf umher tänzeln und schließlich das Handtuch fallen lassen. Eine Weile später hatte sie sich wohl angezogen und Harry konnte sie erneut vorm Fenster erkennen. Ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein, verfolgte er sie immer gespannter. Mit einem Ruck öffnete die junge Frau ihre Vorhänge und das Fenster, und Harry schluckte als er erkannte, dass sie bloß Unterwäsche trug. Einen Augenblick zu lange ließ Harry seinen Blick über die beinahe nackte Haut wandern. Denn die Frau schien seinen Blick zu spüren und sah sich neugierig nach ihren Nachbarn um. Er vergaß völlig, dass der Grimmauldplace Nummer zwölf für sie nicht sichtbar war und auch, dass sie Harry nicht sehen konnte. Er zog sich peinlich berührt und mit roten Wangen vom Fenster zurück. Eigentlich hatte er nur den Sonnenaufgang beobachten und nicht spannen wollen. Wobei er vor sich selbst zugeben musste, dass dieser Anblick ihm gefallen hatte. Außer Hermine, die er manchmal im Zelt beim Umziehen gesehen hatte, hatte er noch nie ein Mädchen in Unterwäsche gesehen. Und Hermine war für ihn immer eher eine Schwester gewesen, deren Körpern ihn überhaupt nicht interessierte oder erregte. Wenn er hingegen an Ginny dachte, begann sich sein Körper plötzlich aufzuheizen. Das Blut kochte in ihm und sofort schämte er sich für seine Gedanken. Ginny und er hatten nie mehr gemacht, als sich zu küssen und verliebt über das Schloßgelände zu laufen. Er hatte nie mehr gesehen, als ihre seidigen Oberschenkel unter dem hochgerutschten Schulrock. Doch er würde lügen wenn er sagen würde, dass er sich sie nicht schon vorgestellt hatte. Harry brauchte dringend eine kalte Dusche oder eine Ablenkung. Er beschloss auf den Dachboden hinauf zu steigen und sich von dort aus wirklich den Sonnenaufgang anzuschauen.
Vor ein paar Tagen hatten Kreacher und er die dritte Tür, die von dem kleinen Treppenabsatz vor Sirius' und Regulus' Zimmern auf gezaubert, um daraufhin enttäuscht und erleichtert festzustellen, dass sie nur zu einem ungenutzten Dachboden führte. Harry schlich sich jetzt die schmale Holztreppe herauf. Er war darauf bedacht nicht allzu viel Lärm zu machen um Kreacher, der in Regulus' altem Zimmer schlief nicht zu wecken. Harry hatte ihn überreden können, seinen Schrank in der Küche zu verlassen und stattdessen das Zimmer zu beziehen, aber bisher wehrte sich der Hauself noch entschieden dagegen in dem Bett seines alten Herrn und nicht in dem Haufen Lumpen zu schlafen, welchen er mit aus seiner Kammer hochgenommen hatte. Allerdings hatte Kreacher es sich nicht nehmen lassen, das große Portrait Mrs. Blacks in seinem Zimmer aufzuhängen, nachdem der Klebefluch aufgehoben war und Harry sie im Flur abgehängt hatte. Diese neigte aber auch am neuen Standort noch dazu, bei dem leisesten Geräusch, oder der kleinsten Unterbrechung laut los zu brüllen und das konnte Harry grade gar nicht ertragen.
Er schlüpfte durch die Tür am oberen Ende der Treppe und stand in der großen, staubigen, schrägwandigen Dachboden. Der Raum war beinahe leer. In der einen Ecke hatte jemand einen großen Schreibtisch aus dunklem, schwerem Holz abgestellt. Auf der Tischplatte lag eine Zentimeter dicke Staubschicht, was Harry darauf schließen ließ, dass der Tisch schon sehr lange nicht benutzt worden war. Er strich über die Oberfläche und der Staub wirbelte auf und erfüllte den Raum. Durch ein kleines Dachfenster am anderen Ende des Speichers fiel nun die Morgensonne herein. Der angeleuchtete Staub wirkte wie eine Hand, deren Finger in der Dunkelheit des Dachbodens tasteten. Harry überkam bei dem Anblick ein Schauer und dann das beklemmende Gefühl, beobachtet zu werden. Er blickte sich um, doch nach wie vor war die Tür geschlossen und er allein auf dem Dachboden. Schnell ging er zu dem Dachfenster hinüber. Darunter stand ein Sofa, gehüllt in ein großes Laken, das sicherlich einmal weiß gewesen war. Harry stieg darauf und öffnete das Fenster. Sofort schwang eine Briese herein und fegte den Staub in kleinen Wirbeln über den Boden. Harry betrachtete diese Bewegung einen Moment hypnotisiert, bis ihn ein plötzliches Rascheln aus seinen Gedanken riss. Wieder blickte er sich um, doch konnte er nichts entdecken. Der Orden des Phönix hatte dieses Haus, vor der Nutzung als Hauptquartier gründlich untersucht, aber es war niemals ein Gespenst oder ein Poltergeist erwähnt worden. Der einzige Geist der sich hier herum getrieben hatte, war der Schutzzauber in Gestalt von Alastor Moody gewesen. Doch nachdem Harry diesem mitgeteilt hatte, dass Snape tot war, war Moodys Gestalt nicht wieder aufgetaucht. Mad-Eye hatte das Hauptquartier mit seinem Zauber davor bewahren wollen, von Snape enttarnt zu werden. Nicht einmal der Auror hatte vermutet, dass Snape in Wahrheit doch auf ihrer Seite gekämpfte hatte. Harry schüttelte energisch den Kopf. Er wollte nicht an Snape denken. Zum einen, weil er dann daran dachte wie sehr er seinem ehemaligen Lehrer doch immer Unrecht getan hatte, aber auch, weil er immer noch die Bilder aus seinem Traum vor Augen hatte. Die Vorstellung von Severus Snape wie er mit Harrys Mutter knutschte waren zu viel auf leeren Magen, würden aber wohl auch nach einem ausgiebigen Frühstück noch ungenießbar bleiben.
Plötzlich ertönte das Rascheln erneut und Harry erkannte eine Bewegung über ihm. Zwischen den Dachbalken saß im Dunkeln eine große Gestalt. Harry erschauderte. Er zog mit einer hastigen Bewegung seinen Zauberstab aus der Hose, den er inzwischen ständig am Körper trug und unter dem Bund der Pyjamahose klemmte.
„Lumos!", flüsterte er und er Zauberstab erfüllte den Dachstuhl mit Licht. Ein großer, dunkelbrauner Körper saß zusammengeduckt auf einem der Querbalken. Harry versuchte genauer zu erkennen, was es war und fixierte das Gewirr aufmerksam, als ihn plötzlich zwei orangene Sphären anfunkelten. Erschreckt wich er einige Schritte zurück, bis er mit dem Rücken an den großen Schreibtisch stieß. Ohne ein Geräusch zu machen, glitt die Gestalt zu Boden und blickte ihn auffordernd an.
Harry sah sich einem riesigen Vogel gegenüber, der den Kopf mit den orange leuchtenden Augen schief gelegt hatte. Der Uhu war fast einen Meter groß und so dunkel wie die Schatten im Gebälk. Auf dem Kopf standen ihm wild einige Federn ab, die zusammen mit den schrägen Federohren einen verwegenen Eindruck machten. In dem halb erleuchteten Raum wirkte der Uhu wie eine Erscheinung. Seine Federn schimmerten sanft im einfallenden Licht, wirkten dabei aber so zerzaust und wirr, dass sie Harry an Hagrids dunklen, wuchernden Bart erinnerten. Mit einem leisen Laut, der wie „Ruuhbohh" klang, hüpfte die Eule in Richtung des Sofas und bedeutete Harry mitzukommen. Aber konnte eine Eule ihm überhaupt etwas mitteilen, fragte sich Harry. Trotz dessen, das er sich fragte, ob er nun den Verstand verloren hatte, so lange ohne die Gesellschaft eines anderen Menschen, folgte er dem Uhu, der sich jetzt auf der Armlehne des Sofas niedergelassen hatte.
Wieder schuhute der Vogel und Harry setzte sich neben ihn.
„Wer bist du?", fragte Harry und wurde sich erst zu spät darüber bewusst dass die Eule weder Antworten noch ihren Namen verraten konnte. „Ich meine, wie kommst du hier herein?", korrigierte er schnell. „Gehörst du jemandem?"
Der Uhu sah ihn an und schüttelte deutlich den Kopf. Dann sah er sich in dem Dachzimmer um, blickte Harry an und legte wieder den Kopf schief.
„Du hast dich hier versteckt? Du warst schon hier als der Fidelius-Zauber gesprochen wurde, deshalb konntest du immer wieder rein, was?" Der Uhu nickte. Es kam Harry tatsächlich so vor als würde der Vogel mit ihm reden und das war auch für einen Zauberer eine merkwürdige Angelegenheit. Hedwig hatte zwar auch mit Harry kommuniziert, allerding ging es dabei meist darum, dass sie ihn aufforderte sie zu füttern oder ihren Käfig zu putzen.
„Willst du heraus?" Harry stand auf und streckte sich zum Fenster um es ein wenig weiter zu öffnen. Aber der Uhu bewegte sich nicht und schaute Harry nur erwartungsvoll an. Als Harry sich wieder setzte, schwang er sich mit einem kurzen Flügelschlag auf seinen Schoß. Harry keuchte überrascht auf, da das Tier einiges wog, fühlte sich aber schmerzlich wohl. Die Eule auf seinem Schoß beobachtete seine Reaktion mit den großen orangenen Augen, schloss sie dann und legte ihren Kopf an Harrys Brust. Der gleichmäßige Atem des Vogels beruhigte Harry und trotz des Gewichts auf seinem Schoß, trotz der Krallen, die durch den dünnen Flannellstoff seiner Hose stachen, begann er müde zu werden. Sanft strich er mit der Hand über den Kopf des Uhus und streichelte das geschmeidige Gefieder. Während sie so dasaßen erhob sich die Sonne am Himmel und auch der Lärm der erwachenden Stadt schwoll an. Harry dachte an Hagrid, an den der Uhu ihn mit seinem zerzausten dunklen Gefieder erinnert hatte. Er hatte sich nicht bei dem großen Halbriesen gemeldet, seit er im Grimmauldplace wohnte. So wie er niemandem ein Lebenszeichen gegeben hatte, seitdem er Kreacher wieder ins Schloss geschickt hatte. Täglich sah er Eulen über den Platz kreisen, die mit Sicherheit von Hermine, Ron oder den anderen Weasleys stammten. Doch die Eulen konnten das Haus genauso wenig aufspüren wie die Absender ihrer Briefpost und flogen schließlich wieder zurück. Harry hatte noch immer nicht die Absicht ihre Briefe überhaupt zu lesen. Vielleicht konnte er trotzdem diese Eule bitten, Nachrichten an seine Freunde zu bringen. Sie sollten wissen dass es ihm gut ging und aufhören ihre Eulen zu ihm zu schicken.
„Sag mal?", richtete er das Wort an den Uhu, „ Hast du eventuell Lust für mich einige Briefe zuzustellen?" Der Vogel nickte verschlafen. Seinen Kopf hatte er im dichten Gefieder vergraben und dieses damit noch mehr verwuschelt. Harry grinste. „Du siehst wirklich genauso aus wie Hagrid!", teilte er dem Uhu mit. „Vielleicht sollte ich dich einfach auch nach ihm benennen? Wenn du nichts dagegen hast natürlich.", setzte er nach. Dieses Tier hatte einen ganz eigenen Charakter und Harry wollte es nicht kränken. Aber die Eule schuhute nur zustimmend und blickte auffordernd.
„Lass mal überlegen", dachte Harry laut, „Hagrid passt nicht zu dir. Aber Rubeus ist doch ein guter Name, oder?" Der Uhu gab erneut einen Laut von sich und Harry fand dass es sich wie „Rubo" anhörte. „Ok, dann Rubo!" Harry lachte. Langsam stand er auf und Rubo hüpfte von seinem Schoß. „Lass uns runter in die Küche gehen. Ich habe Hunger und ich wette du auch. Außerdem wollte ich ja diese Briefe schreiben." Harry ging durch den Raum und der Uhu folgte hüpfend. Er wusste nicht, ob es eine gute Idee war eine neue Eule zu haben. Er hatte sich aus gutem Grund hier zurückgezogen. Aber er wollte auch nicht, dass seine Freunde sich wieder wegen ihm sorgten, dass hatten sie bereits zur Genüge getan. Sie sollten endlich eine Chance bekommen ihr eigenes Leben zu leben. Harry öffnete die Tür des Dachbodens und trat auf die Treppe. Als er sich umdrehte um auf Rubeus zu warten, flog der gewaltige Körper des Uhus über ihn hinweg, die Treppe herunter und das Treppenhaus herab. „Ruuhboh!", schuhute es und unwillkürlich musste Harry grinsen.

>>>
Hallo liebe Leser! Ich freue mich das ihr weiter lesen wollt und das euch meine Erzählung allem Anschein nach gefällt ;)

Ich weiß, dass nicht alles perfekt ist, aber ich bemühe mich laufend darum, meinen Stil zu verbessern und meine Fehler zu verringern.
Vergesst bitte nicht, dass dies noch der Anfang ist von etwas, dass wie ich hoffe noch lange dauern wird.

Ich würde mich so, so sooooooo freuen wenn ich viele Kommentare und Sternchen bekomme! Das macht mich so glücklich :)
Viel Spaß noch
Karin

Harry Potter und die verlorene ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt