Kapitel 5

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Ludmilas Sicht

Es war so klar, dass Mutter total ausrasten würde, weil wir erst so spät zu Hause waren. >>Diego! Ludmila! Da seit ihr ja endlich! Könnt ihr mir mal bitte verraten, wo ihr wart? Euer Vater hat sich Sorgen gemacht. Er war kurz davor, die Polizei zu rufen.<< Wie eine Furie lief sie vor uns auf und ab. Sie trug ihren dunkelblauen Morgenmantel und ihre Haare waren zerzaust. >>Wir waren nur in einem Club.<< Diego zuckte mit den Schultern und wollte an ihr vorbei, die Treppe zu seinem Zimmer hoch gehen, doch Mutter hielt ihn fest. >>Bist du jetzt völlig durchgedreht oder wieso nimmst du deine kleine Schwester einfach so mit in die Disco?<< Sie redet ja so, als wäre ich noch ein Säugling, das er entführt hatte. >>Reg dich ab. Es ist ja nichts passiert.<< Jetzt schrie sie nur noch lauter. >>Nichts passiert? Du hast Ludmila vom Lernen abgehalten. Ihre Geschichtsaufzeichnungen lagen noch auf dem Schreibtisch. Euer Vater hat befürchtet, jemand hätte sie entführt. Habt ihr eine Ahnung wie schwer es ist, ihn wieder zu beruhigen? Ich musste ihm Schlafmittel ins Essen mischen, damit er endlich Ruhe gibt.<< Natürlich hatte sie selbst sich keine Sorgen gemacht. Es ging ihr nur darum, dass wir ja nicht beide sterben, damit einer die Firmen übernehmen kann und das ganze Geld nicht verloren geht. Sie weiß, dass ich Diego mit jeder erdenklichen Macht versuche hoch zu puschen. Denn ohne mich wäre er aufgeschmissen. Deswegen bin ich ihr wohl wichtiger, als Diego. Unser Vater ist da ganz anders. Bevor er die Firma seines Vaters übernommen hatte, war er ein leidenschaftlicher Tänzer. Oh ja, meine Mutter hat auch getanzt. Doch ihr ging es immer nur ums gewinnen. So wie heute noch.  Doch Papá hat getanzt, weil er es liebte. Diego hat sehr viel von ihm geerbt. >>Komm jetzt Schätzchen, Mamá fragt dich noch mal ab.<< Sie zog mich an der Hand hinter sich her.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich todmüde. Doch ich musste aufstehen. Wir schrieben heute diesen Geschichtstest und ich musste ihn unbedingt summa cum laude bestehen. Die Note macht 25% meiner Gesamtnote aus und ist dementsprechend auch sehr wichtig. Nachdem ich mich fertig gemacht hatte, rannte ich die Treppe herunter und setze mich zwischen Papá und Diego an den Frühstückstisch. Unsere Haushälterin tigerte umher und goss die Blumen, während Mamá ihre Zeitung las. >>Alles klar, Ludmi?<< fragte Diego und berührte besorgt meine Hand, die zitterte, während ich nach einem Apfel griff. >>Natürlich. Ich bin nur etwas müde.<< Mutter sah auf. >>Müdigkeit ist ein Anzeichen von Schwäche und eine Ferro ist niemals schwach, also setz dich gefälligst ordentlich hin und trink deinen Grünkohlsaft.<< Ich verzog das Gesicht und schob meine tägliche Ration Ascorbinsäure unauffällig ein Stück von mir weg. >>Nun bedräng sie doch nicht so.<< Ermahnte Papá seine Frau. >>Ach Gregorio. Wann lernst du endlich, dass Kinder nur durch Forderungen Erfolg erlangen?<< Meine Mutter schüttelte den Kopf und trank ihren Espresso. >>Ich muss dann auch los.<< sagte ich, um dieser Unterhaltung so gut es geht aus dem Weg zu gehen. >>Du kannst bei mir mitfahren. Ich muss aber noch Leon abholen. Er hat mich gefragt und ich kann schlecht Nein sagen.<< Diego griff zu seinen Autoschlüsseln nahm mir die Tasche ab und zog mich zum Auto. Bevor er den Motor startete fragte er noch: >>Bist du dir sicher, dass es dir gut geht? Du hättest gestern nicht so lange lernen sollen.<< Ich antwortete ihm lächelnd. >>Alles Prima und jetzt fahr los, ich will nicht zu spät kommen.<<

Natürlich empfang uns Natalia, als wir aus dem Wagen ausstiegen. >>Ich habe dein Wasser Ludmi.<< Sie sprang um mich herum, wie ein hilfloser Welpe und reichte mir eine Flasche. >>Gib schon her.<< Ich riss sie ihr aus der Hand und lief an ihr vorbei. Diego legte mir einen Arm um die Schulter und Leon setzte seine Sonnenbrille auf, die Natalia für ihn geputzt hatte. während wir vorliefen, rannte sie uns hinter her, als wären wir etwas Besseres. Oh halt, wir sind ja auch etwas Besseres. Ich musste mir ein Lachen verkneifen und stieß die Tür zum Studio auf. Es war, als würden auf einmal alle Gespräche verstummen. Alle starrten uns an und ich genoss die Aufmerksamkeit des Fußvolkes. Als wir an Violetta und ihren kleinen Loser-Freunden vorbeiliefen, sah ich provozierend in ihre Richtung. Doch sie bemerkten mich gar nicht. Sie standen alle um IHN herum. Der Sänger von gestern Abend. Was macht der denn hier? Wütend und zähneknirschend lief ich weiter. Er stielt mir dir Show. Und ich hasse Leute, die mir die Show stehlen. An meinem Spint angekommen, gab ich die Kombination ein ( Diegos Geburtstag) und holte meine Bücher für den Tag heraus. Wir hatten gleich in der ersten Stunde Geschichte, weswegen ich mich wohl langsam beeilen sollte.

Ich setzte mich auf meinen typischen Platz neben Diego und begann mit der Arbeit. Der Test erforderte kein großes Können. Man musste nur einen Lückentext ausfüllen und dann noch ein paar Kreuzelfragen beantworten. Als ich fertig war, war gerade mal ein bisschen mehr als die Hälfte der Zeit, die uns zur Verfügung stand vorüber. Als ich zu Diego sah, bemerkte ich, dass dieser bis jetzt noch gar nichts ausgefüllt hatte. Seufzend tauschte ich unsere Blätter aus und füllte sein Blatt für ihn aus. >>Das musst du nicht tun, ich steh zu meinen Fehlern.<< flüsterte er mir zu. >>Aber ich steh nicht zu deinen Fehlern, also sei leise.<< Ich schmierte mit Absicht ein bisschen und bemühte mich, Diegos krakelige Schrift so gut, wie nur irgendwie möglich nachzumachen. Als der Lehrer durch die Reihen ging, um die Blätter wieder einzusammeln, tauschte ich unsere Arbeiten wieder um. Als es zum Ende der Stunde klingelte, sah mich Diego dankbar an. >>Es tut mir so leid, ich habe dich noch mehr gestresst. Das war nicht meine Absicht.<< Ich winkte ab. >>Mamá wäre total ausgerastet, wenn du eine schlechte Note in diesem Test geschrieben hättest. Das weißt du. Papá hätte vielleicht die Schulleitung bestochen, damit du nicht durchfällst, aber Mutter würde dich sicherlich auf ein Internat schicken. << Er umarmte mich kurz. >>Habe ich dir schon mal gesagt, dass du die beste Schwester auf der ganzen Welt bist?<< flüsterte er, ehe er mich wieder los lässt. >>Ja, aber ich höre es immer wieder gern.<< grinste ich.

Als ich schließlich den Raum verlies, um mein Geschichtsbuch zurück zu bringen, trat mir plötzlich der italienische Junge in den Weg, der gestern in diesem Club gesungen hatte. >>Ich weiß, was du getan hast.<< sagte er mit italienischen Akzent und musterte mich mit dunkler Mine. >>Kannst du mich bitte vorbei lassen? Ich habe nicht ewig Zeit.<< ging ich gar nicht erst auf sein Gespräch ein. >>Ich aber schon. Und ich habe gesehen, wie du den Test für deinen Bruder ausgefüllt hast.<< Ich seufzte. >>Und was genau willst du jetzt machen? Es Señor Rodriguez sagen? Mein Vater kennt ihn schon seit Jahren. Er kann sicherlich verhindern, dass mein Bruder Probleme bekommt, also geh mir bitte aus dem Weg.<< Er schüttelte den Kopf. >>Wer hat denn von Señor Rodriguez gesprochen? Oder von deinem Vater? Ich dachte da eigentlich mehr an deine Mutter. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann soll sie unter keinen Umständen  erfahren, dass du für ihn die Arbeiten schreibst. Hör mal. Ich bin keine Petze, aber wenn ihr meine Freunde nicht in Frieden lässt, werde ich zu einer. Also sieh dich vor, Supernova. Ich werde dich in die Luft sprengen und sei dir sicher, dass du ohne Licht untergehen wirst.<<

Fedemila und Diecesca- Mit dir oder ohne dich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt