3. März 2017

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Hey hey

In diesem Kapitel geht es weniger um die 'Handlung' wie in den letzten Kapiteln. Ich versuche in diesem eher einen anderen inneren Konflikt zu verarbeiten, der mich zum Großteil ausmacht.
Meine Verlustängste.

Ich erkläre hier wie sie sich anfühlen, was sie bewirken. Und ich würde gern eine Rückmeldung haben: Hättest ihr sie in meiner Form gern?

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Wie beschreibt man etwas, das man nicht beschreiben kann? Etwas, das man nicht beschreiben will? Etwas, das man hasst? Etwas, bei dem man sich wünschte, es existierte nicht? Etwas, das kein Teil von einem selbst sein sollte?
Wie beschreibt man etwas, mit dem man sich nicht auseinandersetzen will, weil es einen anekelt, einschüchtert, weil es die dunkelsten Seiten beschreibt?

Eine Freundin fragte mich heute, wie es sich denn anfühle? Wie ich mich dabei fühle? Denn sie empfindet es nicht.
Wie denn auch? Sie war nicht ich. Hatte nicht das durchgemacht, was ich hatte erleben müssen. Sie hatte nicht die Gründe wie ich. Sie war nicht zu so etwas geworden wie ich.
Sie hatte doch genau genommen keine Probleme. Nicht solche.

"Wie fühlen sich diese Ängste an?", fragte sie mich, legte dabei den Kopf leicht schief, hob beide Augenbrauen. Ich hasste diesen Blick. Ich wollte nicht antworten. Das war mein Thema. Sie würde es nicht verstehen. Konnte das gar nicht.
"Sag schon. Wie fühlen sich deine Verlustängste an?"

Verlustängste.
Sosehr ich sie auch hasste, sie waren ein großer Teil von mir. Machten viele meiner Handlungen aus. Beeinflussten mich, selbst wenn ich es nicht merkte.
Ich hatte Verlustängste.
Und was für welche.

Ich hatte ihr in diesem Moment nicht antworten können. Zum Teil, weil ich das Gefühl nicht beschreiben konnte, weil ich mich nicht daran erinnern, es wieder ins Gedächtnis rufen wollte und zum Teil auch, weil ich mich nie so genau mit ihnen beschäftigt hatte, das gar nicht wollte.
Sie waren ein Teil von mir, aber trotzdem versuchte ich sie einfach zu ignorieren. Zumindest in Momenten, wenn dies möglich war.

Doch später am Tag, dachte ich wieder darüber nach. Ihre Worte kamen mir in den Sinn.
Was waren diese Ängste überhaupt? Wie fühlten sie sich an?
Zum Ende hin, konnte ich sie dann in drei Bereiche eingliedern, nachdem ich mich wieder und wieder in Situationen versetzt hatte, in denen sie aufgetreten waren.
Denn die Ängste waren kein einzelnes Gefühl, nein. Sie waren eine Gefühlsfolge, eine Aneinanderreihung.
Der Schock, die Erschöpfung und die Trauer.
Drei Bereiche, ich wusste nicht, welcher der schlimmste war.

Der Schock, die erste Stufe der Reihe, war vergleichbar mit jedem Schock. Doch es war nicht ein Bruchteil einer Sekunde, wie sonst, auf den eine andere Emotion folgte...es waren Minuten. Man erstarrte, den Blick leer in die Ferne gerichtet, alle Farben, der Chor und das Selbst waren verstummt, rührten sich nicht, gefangen in der eigenen Anspannung.
So konnte man es am besten ausdrücken: Es war eine innere Anspannung, die sich wie Fesseln um einen legten und in der inneren, eigenen Stille gefangen hielten.
Der Schock hatte eine Intensität, als würde einem jemand berichten, ernst und wahrheitsgemäß, die eigene Mutter wäre tot. Und egal, welches Thema die Ängste ausgelöst hatte, egal wie klein, wie unbedeutend, die Intensität war immer die selbe. Höchstens die Dauer verkürzte sich.
Auf die innere Anspannung, die Stille, in der man fast unfähig war zu handeln, zu denken sowieso, folgte ein Gefühl des Fallens. Nein, nicht als würde man von einer Klippe springen, nein. Das Gefühl war innerlich. Alles geschah in einem selbst.
Es war, als bilde sich eine Schlucht, ein schwarzer Abgrund, ohne Boden, ohne Entkommen, in einem selbst, und Schritt für Schritt fiele man hinein. Als würde man innerlich zerbrechen und die Scherben des Selbst brachen eine nach der anderen frei und verabschiedeten sich in den schwarzen Grund.
Und es herrschte weiterhin die Stille. Die Anspannung nebenbei.

Das Tagebuch der singenden FarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt