22. März 2017 // 22:45

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Ich spüre seine Angst.
Und je unsicherer er wird, desto größer wird dieses Gefühl auch in mir.

Ich konnte es fühlen, er war heute wieder fast so weit gewesen. Er hätte es wieder fast beendet. Auch wenn er es nicht zugeben würde, er war kurz davor gewesen.
Seine Gründe wären die selben wie immer. Er hatte Angst vor einer Beziehung, war zu oft verletzt worden, vertraute vielleicht nicht wirklich. Zudem waren da seine Komplexe, die ihm einredeten, er würde immer alles falsch machen und die ihn dazu veranlassten, sich hin und wieder einfach zurückzuziehen.
In solchen Momenten schrieb er mir nicht. War nicht für mich da.
Für mich war das ok.
Er brauchte diese Zeit.
Doch er machte sich Vorwürfe, fühlte sich schlecht, weil er mich vernachlässigte, kaum da war.
Und egal, wie oft ich ihm sagte, dass es ok sei, dass ich es verstünde, er blieb bei seinem schlechten Gewissen.
Und dann machte ich mir Sorgen.

Wir führen eine Fernbeziehung über fast 400 Kilometer. Es ist hart, doch daran können wir nichts ändern.
Ich habe mich damit abgefunden, den meisten Kontakt nur über das Handy zu halten. Und auch wenn ich ihn sehr vermisste, diese innere Leere spürte, kam ich irgendwie damit klar. Ich gewöhnte mich daran und lernte so zurecht zu kommen.
Wenn ich ehrlich war...wenn ich das Gefühl kaum noch aushielt, zog ich mich in mein Zimmer zurück, kuschelte mich an meinen Teddybären [zum Geb. letzten Jahres schenkten mir ein paar Freundinnen den Traum jedes Mädchens...einen 1,50m großen Plüschbären...], der nachts mein Trost war, und lauschte alten Sprachnachrichten, um seine Stimme zu hören, las alte Chats und lächelte...und vermisste ihn danach nur noch mehr.
Doch ich kam klar.
Man konnte es nicht ändern.

Er war da ganz anders.

Die Entfernung machte ihm zu schaffen, er sagte dies, doch ich konnte es auch so spüren.
Heute einer der schlimmen Tage.
Wenn der Frust aus ihm herausbrach.
Er beteuerte wieder, wie scheiße er es fand. Wie sehr er die Distanz verfluchte, wie sehr er die Situation hasste.
Ich bekam Angst.
Die Ängste schlichen sich in meinen Kopf.
So hatte es angefangen, als er das letzte Mal fast Schluss gemacht hätte.
Am 6. März. [Oh wie sehr ich es hasste mir diese Daten merken zu können!]
Er hatte damals gesagt, es mache ihn fertig diese Beziehung zu führen. Er könnte es nicht. Es verschlimmerte seine Komplexe.
Ich konnte es ihm damals irgendwie ausreden. Ihn dazu bringen, es so zu belassen, wie es war. Es nicht zu beenden.
Doch ich glaube, er hatte nur zugestimmt, weil er das Leid in meiner Stimme gehört hatte. Weil er wusste, ich wollte bei ihm bleiben, um jeden Preis. Und um mich glücklich zu machen, nahm er die Last wieder auf sich.
Vielleicht machte ich sein Leben eher schlimmer, als besser...

Doch ich schweife ab.
Bleiben wir bei gestern.

Ich stellte mich nervlich auf das schlimmste ein, spürte die erste Phase in mir aufsteigen, unterdrückte sie, so gut es ging. Ich wollte ihn nicht verlieren.
Ich würde dafür kämpfen.
Auch wenn meine Gedanken irgendwo waren.
Er fragte mich, wie ich mir das vorstellte, die ganze Sache. Wie stellte ich mir die Sache auf Dauer vor? Wenn wir uns nur alle paar Wochen sehen konnten. Nie für lange. Und er dann kaum schreiben konnte, weil er lange arbeiten musste, seine Phasen hatte.
"Ich weiß es nicht"
Mehr antwortete ich nicht.
Es war die Wahrheit.
Doch er redete weiter.
Er meinte, ich sehe die Situation zu optimistisch und ich solle rationaler, realistischer denken, wie er. Er sagte, er war eigentlich schon immer gegen Fernbeziehungen, weil es nicht klappen konnte, hatte sich gegen alles gewehrt. Und er meinte, er habe gegen all seine Prinzipien verstoßen, als er sich auf das mit mir eingelassen hatte, hatte nachgegeben, weil ich nicht locker gelassen hatte und weil er es versuchen wollte.
Ich schwieg wieder.
Damals hatte ich um ihn gekämpft, ja. Damals im Herbst. Doch er hatte mich verjagt, ich war gegangen. Der einzige Grund, warum wir nun dort waren, wo wir eben waren, war doch er. Er war zurückgekommen. Ich hatte nicht darum gebeten. Irgendetwas in ihm musste ihn doch dazu veranlasst haben, diesen Entschluss zu fassen, nicht? Und das war bei ihm gelegen.
Doch er redete noch weiter.
Im Moment war die Sache ja noch neu und einigermaßen hinnehmbar, doch wie stellte ich es mir auf Dauer vor? Wie würde es nach ein, zwei Jahren aussehen?!
Er redete noch weiter, doch ich nahm es nicht mehr war. Ich hörte nur diesen letzten Satz.
...ein, zwei Jahre
"Denkst du, das mit uns könnte so lang gehen?"
Ich fragte es einfach mittenrein. Mir war kalt in diesem Moment. Eiskalt.
Ich hatte nie gewagt, egal ob bei Nico oder anderen, weiter als ein paar Monate zu denken. Bis zum Sommer, weiter war ich mit meinen Träumen nicht gereist. Es wären zu viele Hoffnungen, die zerstört werden würden. Unerträglich für mich.
Doch er sprach von Jahren. Glaubte er...glaubte er wirklich es könnte Jahre klappen? Mit einem Wesen wie mir?
"Ja"
War seine Antwort.
Und für den restlichen Tag, konnte ich keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Egal wie ernst die Situation gewesen war, diese Aussage warf mich aus der Bahn. Ich liebe ihn und das zeigte sich in diesem Moment deutlicher als sonst.

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