Kapitel 4: Gespräche ⭐

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Ich war total in Gedanken versunken, deshalb bemerkte ich auch nicht, dass sich jemand neben mich auf den Stuhl sinken ließ.

,,Hallo." Grüßte mich eine männliche Stimme. Ich fuhr überrascht hoch. ,,Ähm...Hi" meinte ich sehr geistreich. Mein Gott wie peinlich.
Eigentlich wollte ich nie zu den Mädchen gehören, die in der Gegenwart von Jungen sofort nervös wurden, aber das musste ich wohl nun auf die Hormone schieben.

Mein Sitznachbar aus Chemie grinste nur selbstsicher.
,,Ist hier noch frei?" Fragte er überflüssigerweise, denn er saß ja schon. Trotzdem nickte ich freundlich, um noch mehr Peinlichkeiten zu vermeiden und den Fremden nicht gleich zu vertreiben.

Wer weiß? Er war ja neu hier auf der Schule, da wollte ich ihn nicht gleich wieder vergraulen.

Eine Weile saßen wir schweigend da, bis er anscheinend bemerkte, dass ich von mir aus nichts mehr sagen würde.
,,Was hast du als nächstes?" Brach er die unangenehme Stille.

Ich warf einen Blick auf den neune Stundenplan von diesem Jahr und antworete kurz ,,Spanisch".

Sein Gesicht hellte sich auf.
,,Ich auch, was ein Zufall." grinste er fröhlich. Ich konnte aber auch nicht abstreiten, dass ich mich nicht freute, denn er schien wirklich nett zu sein und schlecht aussehen tat er auch nicht.

Es klingelte und wir erhoben uns beinahe synchron.
,,Bis gleich dann." sagten wir beide gleichzeitig, dann grinste er, während ich wahrscheinlich einfach nur ziemlich dämlich schaute.

Wie in Trance verließ ich die Cafeteria und machte noch einen Umweg zu den Spinden, mein Spanischbuch zu holen.

Als ich dann in den Flur mit meinem Klassenzimmer einbog, war ich in Hochstimmung. Ich lief in das Spanischzimmer, in dem schon meine halbe Klasse saß und sich lautstark unterhielt.

Ich konnte nicht umhin, meinen Blick suchend durch die Reihen schweifen zu lassen.
Und tatsächlich, ganz hinten saß meine Bekanntschaft aus der Cafeteria und grinste mich schon fröhlich an.

Schnell ließ ich mich auf den freien Platz neben ihm fallen, um nicht neben Boe sitzen zu müssen, der im Unterricht ständig Eistee trank und deshalb ständig mal musste, sodass sein Banknachbar immer aufstehen musste, um ihn rauszulassen.

,,Hi", er lächelte freundlich, hielt aber einen Sicherheitsabstand von etwa einem halben Meter, was in unseren engen Bänken nicht gerade einfach war.

,,Keine Sorge, ich beiße nicht." Sagte ich locker. Wieso konnte ich jetzt auf einmal wieder normale Sätze bilden, aber in der Cafeteria nicht. Sag ich doch, die Hormone.

Er grinste schief und entblößte dabei eine Reihe blendend weißer Zähne.
,,Aber ich vielleicht." Konterte er.
Es klang nicht ernst, aber auch nicht scherzhaft gemeint. Ich lachte aber vorsichtshalber doch.

Dann schob aber schon Señor Tailor seinen massigen Körper durch die Tür herein und begann mit seinem extremst langweiligen Unterricht.

Manchmal fragte ich mich wirklich, warum ich 4-stündig Spanisch gewählt hatte und warum die Schulleitung diese Stunden unbedingt auf einen Tag legen musste.

Trotzdem wurde es die interessanteste Spanischstunde seit, naja, immer.

Ich konnte nicht anders, als ab und zu meinen Blick zu meinem Sitznachbarn schweifen zu lassen, dessen Namen ich immer noch nicht kannte.

Señor Tailors Worte klangen in weiter Ferne, aber ich war mir sicher, dass ich damit nicht allzu viel verpasste.

Manchmal drehte der Dunkelhaarige sich zu mir und lächelte mir zu, wenn er mich dabei ertappte, wie ich ihn unauffällig beobachtete. Immer wenn er das tat, wandte ich meinen Blick schnell wieder ab und tat so, als würde ich dem Unterricht folgen.

Was war nur los mit mir? Sonst war ich doch auch nicht so...mädchenhaft.
Ich hatte mich noch nie für Schminke, gutaussehende Sänger oder Shoppen interessiert. Was nicht hieß, dass ich nicht auf mein Äußeres achtete, aber eben nicht so á la Ohmeingottichmussallefünfsekundenshoppengehen!

Bald riss mich die Schulglocke aus meinen Gedanken und ich konnte endlich dem Unterricht entkommen. Aber es kam tatsächlich noch besser: Mein Sitznachbar fing mich vor der Tür ab und lächelte schüchtern.

Wo hatte er seine Selbstsicherheit aus der Cafeteria gelassen?

,,Ich wollte dich fragen, ob du heute noch etwas vorhast?" fragte er, während er mit seinen schlanken Fingern herunspielte.

Ich war überrumpelt, so einfach hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Bevor ich voll peinlich zustimmen konnte und ihm sofort zeigte, dass ich ihn nicht uninteressant fand, rief ich mir die vierte der fünf goldenen Jungsregeln ins Gedächtnis, die Annika erfunden hatte.

>>Zeige ihm nie, dass du interessiert bist, sonst denkt er, du bist zu leicht zu haben.<<

,,Ich denke ja, warum?"
Bravo, Jasmin, von Dumm-stellen war nicht die Rede. Das schien mein Gegenüber nicht zu denken, denn er schien sich zu freuen.

,,Cool, ich dachte, wir könnten vielleicht etwas zusammen unternehmen?"

Nicht schmelzen, Jasmin. Nicht schmelzen!

Wie schaffte er es, so etwas einfach so lässig zu sagen, obwohl wie uns erst seit vier Stunden kannten? Die Jungen in meiner Klasse würden das nie schaffen, und mit denen war ich schon seit der Grundschule zusammen.

Wenn ich es mir Recht überlege, könnte das sogar das Problem sein.

,,Ja, klar." Meinte ich, nun doch etwas erfreut, dass er nicht ,,April April" gerufen und mich ausgelacht hatte.

Aber er schien wirklich nicht so, als hätte er das vorgehabt.
,,Super, ich ruf dich später an."

Und weg war er, er bewegte sich anmutig und elegant, als würde er schweben und hob sich damit ziemlich von der üblichen schlurfenden und stolpernden Schülermasse ab.

Als ich ihn aus dem Blick verlor, fiel mir noch etwas anderes ein: Er hatte meine Nummer doch gar nicht. Wie wollte er mich dann erreichen?

Danke für 24 Reads und 10 Votes 😚.
Ich hätte nicht erwartet, dass die Geschichte so gut ankommt.

Moonlight ✔ {Wird Überarbeitet}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt