Kapitel 2

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Kapitel 2 – Gespräche mit Namjoon

Ich fand schon immer, dass Namjoon der netteste von Hoseoks Freunden, nach Yoongi, ist. Deshalb finde ich es nicht wirklich schlimm, dass er uns nun mitnimmt, wir hätten es mit Jin deutlich schlimmer treffen können. Ich hatte zwar mit Namjoon nie wirklich viel zu tun, aber er hatte sich mir gegenüber auch nie so abfällig geäußert wie die anderen. Trotzdem hängt er mit meinem Bruder und seinen Freunden ab, weshalb ich auch ihn mit Skepsis betrachte, man weiß ja nie, ob alles solche Arschlöcher sind, oder ob er doch ganz okay ist.

Die Autofahrt verläuft still, Namjoon erkundigt sich, wo Arya wohnt und fährt sie dann stumm dort hin.

Wir kommen relativ schnell bei Arya an und sie steigt aus, verabschiedet sich von uns, bedankt sich fürs Fahren und geht dann. Dann fährt Namjoon weiter.

„Wie geht es dir?", fragt er dann plötzlich und ich sehe ihn erstaunt an. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass er mich plötzlich anspricht, vor allem, weil die Fahrt eben noch so still verlaufen ist und er nicht den Anschein gemacht hat, als würde er überhaupt wissen, dass wir uns ebenfalls in diesem Auto befinden.

„Ach, reden wir heute sogar miteinander? Wie komme ich denn zu der Ehre?", frage ich spöttisch und schneller, als ich eigentlich gedacht habe. Das Problem habe ich häufiger: Ich rede, bevor ich denke. Namjoon neben mir beginnt kurz leise zu lachen. Allerdings habe ich das den anderen gegenüber nie gezeigt.

„Woher plötzlich das Selbstbewusstsein?", fragt er dann und sieht zu mir. So lange, dass ich damit rechne, dass er innerhalb der nächsten Sekunden einen Unfall bauen wird.

„Guck auf die Straße. Mein Bruder bringt dich um, wenn ich nicht heile zu Hause ankomme.", meine ich nur trocken und zu meiner Zufriedenheit sehe ich, dass er wirklich wieder auf die Straße sieht.

„Und zu deiner Frage: Ich habe das Selbstbewusstsein schon die ganze Zeit über, habe aber gelernt, dass es besser ist die Klappe zu halten.", antworte ich ihm und ich habe keine Ahnung, wieso ich ihm das überhaupt erzähle. Vielleicht, weil er mich relativ nett gefragt hat.

„Wer hat dir beigebracht, dass es besser ist die Klappe zu halten?", fragt er dann mit ehrlichem Interesse. Spöttisch schnaube ich.

„Unter anderem auch ihr. Denkt ihr, dass ich es riskiere, dass ihr mich am Ende noch verprügelt, wenn ich irgendwas sage?", frage ich ihn und meine Stimme klingt bitter, distanziert und kalt. Und trotz all dem schwingt ein Hauch Belustigung darin mit. Kurz spüre ich seinen Blick auf mir, dann sieht er wieder weg.

„Du denkst allen Ernstes, dass wir dich verprügeln würden?"

„Ich traue euch alles zu.", antworte ich ihm nur und sehe aus dem Fenster.

„Mach mal halblang. Wir machen echt viel Scheiße, aber Mädchen schlagen gehört definitiv nicht dazu.", empört er sich und ich drehe den Kopf doch wieder zu ihm und betrachte sein Profil von der Seite.

„Nein, dafür macht ihr genug andere, schlimme Sachen. Ihr nehmt den Leuten reihenweise das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl, nur um euer eigenes Ego aufzugeilen. Das ist nicht cool, das ist traurig. Und lächerlich.", meine ich und sehe zu, wie sein Gesicht sich kurz verspannt, dann aber zu der eiskalten Maske von vorher wird. Und ich bin immer noch der Meinung, dass Namjoon das persönlich nicht nötig hat. Der Junge hat doch alles was man will. Er sieht gut aus, hat gute Noten und reiche Eltern. Wieso also muss er sein eigenes Ego auf diese Weise aufpushen?

„Was weißt du schon davon cool zu sein.", gibt Namjoon nur abfällig von sich. Ich lache kurz auf.

„Gar nichts, das habt ihr mir schließlich jahrelang klar gemacht. Ich bin Abschaum, mehr nicht.", gebe ich das wieder, was mir jahrelang von den Jungs eingeredet wurde.

„So wie du das sagst kommt es irgendwie krasser rüber, als-„

„Nein, Namjoon! Es kommt nicht krasser rüber! Das ist das Gefühl, dass ihr der halben Schule vermittelt, damit ihr in der Nahrungskette weiter aufsteigt und alle anderen weiter abrutschen. Erinnerst du dich noch an Sakura und Luhan?", frage ich und drehe mich zu ihm.

„Ja. Die beiden Geschwister, die bis vor einem Jahr noch auf unserer Schule waren. Sie waren nett.", sagt er und ich ziehe erstaunt eine Augenbraue hoch.

„Ach? Du fandst sie nett, ja? Komisch, das habe ich damals nie gemerkt. Die beiden sitzen in der Psychiatrie fest. Sakura hat versucht sich umzubringen.", sage ich kalt und Namjoon entgleisen alle Gesichtszüge.

„W- was?", stammelt er ungläubig und hält vor dem Haus, in dem ich wohne.

„Sie hatte keinen Grund mehr zum Leben gesehen und wollte allen Leuten das Leid ersparen, dass sie eurer Meinung nach, allen aufgebürdet hat.", erkläre ich ihm und er dreht sich zu mir, in seinen Augen sehe ich den Schock.

„Sie wollte sich wegen uns umbringen?", fragt er erneut und ich nicke.

„Ja.", sage ich und sehe kurz zu dem Haus, in dem kein Licht mehr scheint. Natürlich, meine Mum wird schon seit einer halben Ewigkeit schlafen. Schließlich muss sie bald wieder aufstehen.

„Ich wusste nicht, dass das so schlimm für sie war.", gesteht Namjoon dann und ich sehe ihn ungläubig an.

„Wow, dann bist du echt dümmer, als ich dachte. Von wegen IQ über 140...", gebe ich nur von mir, dann will ich aussteigen, doch er hält mich am Handgelenk fest. Eigentlich würde ich versuchen mich panisch von ihm loszureißen, allerdings weiß ich ganz genau, dass er deutlich stärker ist und ich keinerlei Chance habe, gegen ihn anzukommen.

„Ich habe dich neulich beim Shoppen gesehen... die neuen Klamotten passen zu dir.", sagt er dann und ich entreiße meine Hand seinem Griff. Auch, wenn der Versuch mir ein Kompliment zu machen ja ganz nett ist, ich weiß, dass er ab morgen in der Schule wieder normal sein wird und kein Wort mit mir wechselt, also wieso jetzt nett sein?

„Ich komme mir echt ausspioniert vor, außerdem brauche ich von dir garantiert keine Modetipps.", meine ich und greife wieder nach dem Türöffner.

„Schade, ein bisschen Selbstbewusstsein steht dir übrigens. Bis morgen in der Schule.", verabschiedet er sich, dann fährt er einfach los, sodass die Tür beim Anfahren zugeht und ich gar nicht erst die Chance habe noch etwas zu erwidern. Kopfschüttelnd gehe ich nach drinnen, dusche mich und mache mich fertig zum Schlafen, dann lege ich mir noch Klamotten für morgen raus und setze mich anschließend mit einem Buch auf den Balkon, um den letzten Ferienabend noch zu genießen.

Ich bin nicht wirklich scharf darauf morgen wieder in die Schule zu müssen, allerdings kann ich ja wohl schlecht sagen, dass ich am ersten Schultag krank bin, wenn ich heute sogar noch schwimmen war und mich genug Leute gesehen haben. Innerlich schlage ich mir selber vor den Kopf. Luna, du hast nur noch zwei Jahre Schule vor dir und dir fest vorgenommen, dass deine beiden letzten Jahre besser werden, als die vorherigen, also tu auch etwas dafür.

Mein Bruder und seine Freunde sind nichts, wovor man Angst haben müsste. Mein Bruder sowieso nicht.

Frustriert schmeiße ich mein Buch auf den Tisch und fahre mir durchs Gesicht, dann stehe ich auf und überlege einen Moment lang, ob ich mich nicht noch mit meiner Mutter auseinandersetzen sollte, entscheide mich dann allerdings dagegen und lege mich mit meinem Handy ins Bett.

Das wird morgen bestimmt ein langer Tag.

Personal Hell || Park JiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt