Kapitel 6

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Kapitel 6 – Das Projekt

Ich habe das Gefühl, dass sich die Stunde ewig zieht. Dabei hätte es mich nicht überraschen sollen, schließlich kenne ich diesen Lehrer schon gut genug. Ich kritzele gerade ein wenig auf meinem Block herum, als er sich noch kurz räuspert und ich zur Sicherheit aufsehe, kann ja sein, dass er doch was von mir will. Zu meinem Glück sieht er mich nicht mit seinem typischen Killerblick an, sondern uns alle.

„So, zum Abschluss muss ich noch mit euch reden.", beginnt er und ich lege entnervt den Stift auf meinen Block. Wenn er einen von uns dabei erwischen sollte, wie wir ihm nicht zuhören, wenn er mit uns redet, dann geht das nicht gut für denjenigen aus. Und weil ich keine Lust darauf habe, dass er mich am Ende noch vor allen anderen anmeckert, beschließe ich lieber ihm aufmerksam zuzuhören.

„Wie ihr ja wohl wisst ist Mr. Lee seit diesem Schuljahr nicht mehr an dieser Schule.", beginnt er und ein paar von uns geben ein zustimmendes Murmeln von sich. Mr. Lee war immer einer meiner Lieblingslehrer, obwohl man sich gefragt hat, wieso er Lehrer geworden ist. Er war ziemlich Musikverrückt, war aber leider nicht mein Musiklehrer. Nein, er hat bei mir Wirtschaft unterrichtet. War aber auch ganz lustig. Wir haben uns manchmal über verschiedene Musiker unterhalten, denn meinen Musikgeschmack teilt niemand aus meiner Klasse, geschweige denn aus meiner Schule.

„Durch sein Fehlen haben wir an der Schule noch einen Lehrer weniger und damit mittlerweile ein echtes Problem bei der Unterrichtsversorgung.", fährt er fort und ich verdrehe die Augen. Durch sein Fehlen haben wir einen Lehrer weniger... man, wie hatte dieser Mann nur seinen Lehrertitel erworben? Gefunden auf Otto.de, oder was?

„Deshalb kommt es in der zwölften zu einem massiven Stundenproblem, deshalb haben wir beschlossen, dass wir die beiden Kurse zu einem Gemeinschaftsprojekt zusammenlegen werden. Es werden jeweils ein Junge und ein Mädchen zusammen arbeiten, einer aus diesem Kurs, einer aus dem anderen Kurs.", verkündet er und ich sehe ihn geschockt an. Bitte lieber Gott, habe Erbarmen und lass mich mit meinem Bruder zusammen arbeiten. Komm schon.

„Es geht darum zu sehen, ob ihr euch kennen lernen könnt und ob ihr miteinander auskommt, wenn es nötig ist. Das ist im späterem Arbeitsleben auch ziemlich wichtig, da könnt ihr auch nicht ständig Stress mit den Kollegen haben.", redet er weiter und dreht sich dann zu seinen Unterlagen auf seinem Schreibtisch um. Ich vergrabe das Gesicht in den Händen. Langsam ahne ich, dass ich bald ein ziemliches Problem haben werde, dieser Lehrer war noch nie besonders gnädig mit mir, wahrscheinlich muss ich mit einem von diesen Deppen zusammen arbeiten.

„Ihr werdet euch kennen lernen und dann einen gemeinsamen Vortrag halten, darüber, was ihr in der Zeit gemacht habt und was ihr von dem jeweils anderen gelernt habt.", führt er seine Rede fort und hat scheinbar endlich den Zettel gefunden, den er gesucht hat. Wenn ich mit einem von diesen Deppen zusammenarbeiten muss, dann werde ich sicherlich nichts positives lernen.

Zögerlich hebe ich die Hand, in der Hoffnung, dass er mich nicht sofort vor allen anderen total anmeckern wird.

„Ja, Luna?", fragt er überraschend ruhig und ich sehe ihn kurz unsicher an.

„Gibt es irgendwelche Richtlinien, wie der Vortrag aufgebaut ist?", möchte ich wissen und bete innerlich zu Gott, obwohl ich nicht mal an ihn glaube.

„Ja, das gibt es tatsächlich. Jeder von ihnen wird mindestens fünf Minuten Redezeit füllen müssen. Außerdem verlange ich Bilder, nicht, dass sie schummeln und die Zeit niemals miteinander verbringen. Das ist nämlich nicht im Sinne der Aufgabe.", teilt er der Klasse mit und ich bekomme innerlich langsam einen Nervenzusammenbruch. Das wird ja immer schlimmer. Bitte, lass mich mit jemandem zusammenarbeiten, der mich nicht hasst. Bitte.

„Der Vortrag geht in ihre Note ein, allerdings wissen wir noch nicht genau, wie viel Zeit wir ihnen für das Projekt geben."

Oh, ich hasse diesen Lehrer. Das ist wirklich intelligent von ihm. Er sagt uns nicht, wie viel Zeit wir haben, dass er sich sicher sein kann, dass wir uns relativ schnell treffen, sodass wir zur Not innerhalb von ein paar Tagen fertig wären und dann nicht mehr völlig fremd wären.

„Was ist, wenn meine Eltern mir verbieten, mich mit dem Jungen zu treffen?", fragt ein Mädchen, dass erst neu in die Klasse gekommen ist.

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihre Eltern das nicht verbieten, wenn es um ein Schulprojekt geht. Ich kann ihnen dafür natürlich gerne eine schriftliche Benachrichtigung mitgeben, wenn sie damit auf Nummer sicher gehen möchten.", erklärt er uns dann mit ruhiger Stimme und das Mädchen nickt.

„Gut, ich hoffe ihnen ist klar, dass es keine Widerrede bei ihrem Partner zu geben hat. Wir waren so frei die Paare schon zusammen zu stellen.", sagt er dann noch und ich setze mich sofort aufrecht hin.

Er beginnt eine Reihe von Namen aufzuzählen, doch ich höre gar nicht erst richtig hin, denn in meinem Kopf male ich mir schon die schlimmsten Szenarien aus.

„Dalika und Hoseok.", löst bei mir den ersten Herzstillstand aus. Mein Bruder muss das Projekt mit Dalika machen, das heißt ich muss den Teufel fortan wahrscheinlich sogar nachmittags sehen. Dalika und ihre Freundinnen beginnen erfreut zu kichern. Na klar, sie finden meinen Bruder heiß...

„Luna und Jimin.", sind allerdings die Worte, die mich daran erinnern, dass mein Leben demnächst vorbei sein wird. Shit!

Ich kann doch nicht dieses blöde Projekt mit Park Jimin machen! Wohin soll das denn führen? Dass wir den dritten Weltkrieg auslösen? Ich denke nicht, dass ich von so jemandem wie Park Jimin irgendwas lernen kann, was mir später etwas bringen wird. Vielleicht bringt er mir bei, wie ich mich ordentlich prügele, oder wie ich irgendwo einbreche. Was er sonst noch so für krumme Dinger dreht, will ich gar nicht erst wissen.

Zumal ich nicht glaube, dass Jimin erfreut sein wird, mit mir zusammen zu arbeiten.

So wie ich ihn kenne, würde er mich am liebsten die ganze Arbeit machen lassen und selber keinen Finger rühren. Blöd nur für ihn, dass das nicht geht, schließlich muss er am Ende des Projektes etwas über mich erzählen können.

Bekommen wir unsere Note darauf, ob wir etwas Gutes oder Schlechtes über den jeweils anderen erzählen? Oder geht es einfach nur darum, dass unser Lehrer merkt, dass wir Zeit miteinander verbracht haben? Ich kann mir nämlich nur schwer vorstellen, dass ich es glaubhaft schaffen würde etwas Positives über Park Jimin vor der ganzen Klasse zu erzählen. Ich würde wahrscheinlich schon daran verzweifeln mir selber positive Eigenschaften von ihm einzureden.

Das einzige, was wahrscheinlich nicht schwer werden wird, ist, Bilder von Jimin zu bekommen. So selbstverliebt wie der Junge ist, fotografiert der sich selber wahrscheinlich auch schon oft genug. Obwohl ich es an seiner Stelle, wenn ich so aussehen würde wie er, wahrscheinlich genau so machen würde. So sehr ich Jimin auch hasse, schlecht sieht er nicht aus. Nur blöd, dass er sich viel zu viel auf sein gutes Aussehen einbildet.

Wären wir jetzt in einem billigen Teeniefilm, dann würde Jimin mir plötzlich eine andere Seite von sich offenbaren und mir sagen, dass er sich nur von mir ferngehalten hat, weil er mich nicht in seine krummen Machenschaften bringen wollte und wird mir dann seine Liebe gestehen.

Blöd nur, dass wir nicht in einem billigen Teeniefilm sind, sondern in meiner persönlichen Hölle.

Personal Hell || Park JiminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt