Kapitel 9

280 27 2
                                    

"Denkst du sie ist tot?" fragte eine ziemlich aufgebracht wirkende Stimme. "Unsinn!" fauchte eine andere, mir bekannt vorkommende, Stimme. "Aber sie rührt sich nicht!" jammerte die Erste wieder und die zweite seufzte frustriert auf. "Ist sie wach?" flüsterte eine weitere Stimme und ehe die anderen beiden antworten konnten stöhnte ich ein schwaches "Ja." hervor. Sofort wurde es still und alle hielten die Luft an. Ich blinzelte um mich an das helle Licht zu gewöhnen und versuchte mich aufzusetzen, wurde jedoch von eine Welle der Übelkeit übermannt und begann zu würgen. Schnell eilte jemand herbei und hielt mir einen Eimer unters Kinn, in welchen ich erstmal lautstark erbrach. Beschämt blickte ich nach einigen Minuten auf und schaute in drei mitleidige Gesichter. "Keine Sorge. Geht schon wieder." Jetzt sah ich mir die Gesichter der Anderen erst einmal genauer an und stockte. Es bestand kein Zweifel. "Both? Ruby? Cleo?" fragte ich und kam aus dem Staunen nicht wieder raus. "Bitte wer?" fragte der muskulöse Kerl neben mir und begann zu lachen. Auch das Mädchen, um dessen Schultern er einen Arm gelegt hatte, lächelte leicht. Die dritte kam näher und betrachtete mich genauer. "Wen meinst du mit diesen ungewöhnlichen Namen, Keya?" fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. "Tut mir Leid. Ihr drei sehr nur meinen menschlichen Freunden sehr ähnlich und offenbar dachte ich im ersten Moment ihr wärt es." erklärte ich und versuchte meinen Scham mit einem nervösen Lachen zu überspielen. Nun kam auch der junge Mann näher und tätschelte mir mitleidig die Schulter. "Ich bin Itys und das dort ist meine Ehefrau Morea. Die Wassernymphe die dich zu uns geleitet hat ist Amaltheia." klärte er auf und erwiderte mein Lächeln. "Hast du Hunger?" fragte Morea mit einem vorsichtigen Lächeln. Ein lautes Knurren meines Magens gab die Antwort und sogar Amaltheia rang sich ein Lächeln ab. Wir liefen in die Küche und Morea stellte einen Teller voller, seltsam aussehender, Sachen vor mir auf den Tisch. Ich betrachtete die Dinge misstrauisch und schnappte mir eine kleine purpurne Kugel und schob sie mir in dem Mund. Vorsichtig begann ich sie zu lutschen und wartete. Itys begann zu lachen und Amaltheia schüttelte enttäuscht den Kopf. "Du musst die Kugel kauen." erklärte Morea und nahm sich selbst eine. Ich tat es ihr gleich und biss auf darauf herum. Plötzlich schoss ein zarter süßer Geschmack durch meinen Mund und meine Augen weiteten sich. "Gott ist das lecker." sagte ich und schnappte mit noch eine Kugel. "Ich rate dir allerdings nicht zu viele davon zu essen." mahnte mich Itys mit einem Augenzwinkern "Sonst wird dir unsagbar schlecht. Ich empfehle dir die Mantakuchen zu probieren." riet er mir und deutete auf Eierkuchen in Rochenform und ich riss ein kleines Stück davon ab. Vorsichtig schob ich es mir in den Mund, während mich die Anderen neugierig beäugten. Das Stück Mantakuchen war nicht so süß wie Kugeln zuvor, aber dennoch einfach lecker. "Himmlisch." mampfte ich fröhlich und schenkte Morea ein breites Lächeln. Plötzlich breitete sich eine starke Trockenheit in meinem Körper aus und ich griff nach dem Glas, welches neben dem Teller stand und trank gierig daraus. Ich schmeckte nichts. Ich stutzte und betrachtete die Flüssigkeit im Glas. Es war definitiv gefüllt. Ich schwenkte es sogar ein wenig um mich genau davon zu überzeugen, dass sich eine klare, durchsichtige Flüssigkeit darin befand. Wasser. Hundertprozentig Wasser. Ich wusste ja, dass Wasser keinen direkten Geschmack hatte. Aber normalerweise spürte man es doch, wenn einem etwas den Hals entlangrann. In meinem Fall jedoch nicht. "Was ist das?" fragte ich sicherheitshalber in die Runde und erntete dafür ungläubige Blicke."Wasser?" erklärte Amaltheia. "Das konnte ich mir schon denken." konterte ich maulig "Aber warum schmecke ich nichts?" fragte ich wieder."Man müsste meinen sie kenne das alles noch von früher..." murrte Amaltheia und verließ den Raum. Was meinte sie damit? Verwirrt sah ich die Übriggebliebenen an. "Sie meinte das nicht so." murmelte Morea leise und Itys legte seinen Arm um sie. "Es ist nur so... Du warst schon einmal hier. Vor langer, langer Zeit. Damals warst du noch ein Baby." versuchte er zu erklären. "Wo genau ist Hier eigentlich?" und langsam war ich die ständige Fragerei satt. Anstatt einer Antwort nahm Morea einfach meine Hand und führte mich nach draußen. Wir stiegen einen Hügel hinauf und schon auf dem Weg dorthin fielen mir einige Dinge auf die seltsam erschienen. Das Gras der Wiese, auf der wir liefen, wiegte sich sanft hin und her. Doch es wehte kein Wind. Auch die Blumen die zwischen den Gräsern sahen eher aus wie Anemonen oder Korallen. Ich ahnte nichts gutes. Langsam folgte ich Itys und Morea und drehte mich auf halber Strecke nochmal zum Haus des Ehepaares um und sah Amaltheia skeptisch aus dem Fenster schauen. Das Haus selbst wäre perfekt für eine große Familie, doch Itys und seine Frau schienen dort allein zu wohnen. Es war ein großes, einfach geschnittenes Landhaus in einem korallfarbenen Ton. Die große zweiflügelige, weiße Tür bildete den Eingang und war von zahlreichen Fenstern mit weißen Fensterläden umgeben. Ich fand es großartig. Doch irgendein bedrückendes Gefühl zerstörte die heimelige Stimmung. Ich würde nachher danach fragen. Schnell drehte ich mich wieder um und sprintete um die Anderen wieder einzuholen. Ich sah nach rechts und entdeckte riesige Felder, bepflanzt mit den unterschiedlichsten und seltsamsten Früchten und Gemüsesorten die mir je untergekommen sind. Unter anderem auch eine Reihe an Reben, an denen jedoch keine Weintrauben, sondern diese süßen kleinen Kugeln wuchsen. Und wenn man nach links blickte... ich blieb wie  angewurzelt stehen und starrte auf die Wesen die dort auf einer Weide umher tobten. "Itys! Morea! Was sind das für Geschöpfe!" rief ich und ließ meinen Blick auf den Wesen beruhen. "Hippocampus!" sagte Itys und nährte sich mir. "Hippocampus..." murmelte ich wie zu mir selbst und begaffte sie weiter. "Wir können gerne näher ran. Aber vorher möchten wir dir zeigen Wo du bist." erklärte er mit einem leichten Lächeln. Morea stand einige Schritte von und entfernt. Ich eilte zu ihr und wäre beinahe hingefallen hätte Itys mich nicht abgefangen und wieder auf die Füße gezogen. Darauf bedacht wo ich hin trat lief ich weiter und stand schon bald neben Morea. Wir gingen weiter den Hügel hoch und ich sah mich erneut um. Diesmal nach oben. Ich sah die Sonne, wie sie warm auf uns herab schien. Aber sie leuchtete nicht so stark und kräftig wie bei uns Zuhause in London. Das Licht wirkte gebrochen. Es schien als müsste sie ihre Strahlen durch eine Schicht pressen, damit sie uns überhaupt erreichten. Ich erinnerte mich wage eine eine unserer ersten Physikstunden in diesem Jahr und hatte plötzlich ein Bild vor Augen. Ein Glas Wasser, in welchem sich das Licht brach und ich bekam ein flaues Gefühl im Magen. "Morea? Wo sind wir?" fragte ich ängstlich. Anstelle einer Antwort lief sie einfach weiter und schon bald erreichten wir die Kuppe des Hügels. Ich war wie erstarrt. Es war eine riesige Stadt, hunderte Meter entfernt. Und ganz hinten, fast schon am Stadtrand, erhob sich ein riesiges, majestätisches Schloss. Es war das Schloss aus meinem Traum. Aber das konnte nicht sein! Das hier konnte unmöglich real sein! Panisch sah ich mich nach Itys und Morea um, welche ebenfalls wie gebannt auf diese leuchtende Stadt und das Schloss starrten. Amaltheia näherte sich uns und wandte sich an mich: "Doch Keya. Es ist real. Willkommen in Atlantis."

AtlantisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt