Kapitel 11

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* Zwei Monate später*

"Ducken! Ausweichen! Springen! Na geht doch. Jetzt wurdest du nur drei Mal aufgespießt." rief Itys und klatschte in die Hände. Damit verknündete er das Ende dieser Trainingseinheit und ich krachte erschöpft zu Boden. Staub wirbelte auf und ich musste niesen. Morea eilte zu mir und half mir auf. Langsam humpelten wir ins Haus, wo Amaltheia bereits wartete. "Na wie liefs?" fragte sie freundlich und ich winkte müde ab. Seit ich mich bereit erklärt hatte ihnen zu helfen, den falschen König zu stürzen und meine Eltern befreien, war sie viel netter zu mir geworden und versuchte mir zu helfen. Sie war sogar mit mir in die Innenstadt gegangen um mich passend einzukleiden. Ich muss zugeben, die neuen Sachen waren echt cool, aber ich hatte noch immer ein flaues Gefühl im Bauch wenn ich an das dachte, was uns bevorstehen würde. "Bluten die Wunden noch?" fragte Morea besorgt und stellte einen Teller mit blauen Pommes vor mir ab. "Nein geht schon wieder." beruhigte ich sie und mampfte fröhlich ein paar Pommes. "Wie oft wurdest du getroffen, Keya?" fragte Amaltheia mich und zupfte vorsichtig an meinem blutgetränkten Top. "Drei Mal." gestand ich und sah betroffen zu Boden. Plötzlich hatte ich keinen Hunger mehr und schob den Teller fort, nur um ihn erneut vor die Nase gesetzt zu bekommen. "Aufessen!" befahl Morea und sah mich streng an. "Du musst dich nicht dafür schämen, Keya. Du bist schon viel besser geworden!" rief Itys aus dem Nebenzimmer, wo er sich, wie jeden Freitagabend, irgendeine Soap ansah. Gewöhnlich setzten sich Morea und Amaltheia dazu, während ich mich nach oben ins Gästezimmer verkroch und irgendwelche Bücher laß. Mühselig schob ich die Pommes nach und nach in den Mund bis ich das Gefühl hatte mich übergeben zu müssen. Danach setzte ich mich zu Itys ins Wohnzimmer, gefolgt von Morea und Amaltheia. Ich beanspruchte den Sessel für mich und schnappte mir eine rosane Quietschente vom Teppich. "Wann darf ich endlich reiten?" fragte ich quengelnd und sah mit Hundeblick in die Runde. Itys seufzte vernehmlich. "Das fragst du jeden Freitag." murmelte er und zog Morea neben sich aufs Sofa. Beschämt sah ich zu Boden. Ich war ihnen unendlich dankbar, dass sie mich bei sich wohnen ließen und zeigte das leider viel zu selten. "Tut mir leid." sagte ich aufrichtig und Itys seufzte erneut. "Es ist ja nicht deine Schuld. Du gibst dein Bestes. Das Leben hier unten ist nicht leicht, seit der falsche König sich auf den Thron bequemt hat und wir verlangen wirklich viel von dir. Du musst dich nicht entschuldigen." "Doch es tut mir leid. Ihr seit alle so nett zu mir und ich mache nichts außer essen und schlafen." drehte ich den Spieß um. "Das stimmt nicht! Du lernst jeden Tag wie du mit dem Schwert umzugehen hast. Ich mag deine Kratzer und blauen Flecken gar nicht zählen. Du wirst immer besser und ich verspreche dir, du darfst reiten. Nächsten Montag zeige ich es dir. Aber vorerst solltest du dich ausruhen. Abgemacht?" redete er sich in Rage um anschließend mit diesem Angebot um die Ecke zu kommen. Diesmal war ich es die seufzte und zwar mit einem theatralischen Unterton. "Ja ok. Abgemacht." stimmte ich grummelnd zu und alle lachten. Beleidigt streckte ich ihnen die Zunge raus und stiefelte die Treppe nach oben. "Sehr erwachsen!"  rief Amaltheia mir gedanklich hinterher. Sie hatte zwar angefangen, mir das mit der gedanklichen Unterhaltung zu erklären und beizubringen, aber ich war noch nicht so weit, als das ich antworten könnte. Als ich im Gästezimmer ankam schlüpfte ich zuerst aus den blutverschmierten Sachen und inspizierte meine Wunden. Da ich ja sowas wie unsterblich war, machte es nix wenn Itys mir während des Trainings Schwerter, Messer oder Speere in den Körper jagte. Schon jetzt, gut anderthalb Stunden nach dem Training, waren es nur noch schmale Kratzer. Ich warf die Klamotten in den Wäschekorb und stellte mich unter die Dusche. Die Schuppen, welche sich vor meinem plötzlichen "Abtauchen" nach Atlantis gebildet hatten, juckten und kratzten schon seit einer Weile nicht mehr und schimmerten in einem schönen, satten Blau. Sie waren wie eine zweite Haut und mittlerweile fand ich sie ganz cool. Nachdem ich meine Haare geföhnt und gekämmt hatte betrachtete ich mich unzufrieden im Spiegel. Fürs kämpfen und trainieren waren sie definitiv zu lang, also schlüpfte ich in meinen Schlafanzug und hopste die Treppe runter zu den anderen. "Habt ihr hier irgendwo eine Schere zu Haare schneiden?" fragte ich in die Runde und erntete komische Blicke. "Die Länge meiner Haare nervt mich beim trainieren und zum reiten sind sie wahrscheinlich ebenso ungeeignet." erklärte ich und alle nickten nach und nach. Amaltheia griff nach ihren schwarzen Locken und erneut erinnerte sie mich an eine von diesen spanischen Tanzlehrerinnnen die in roten Kleidern und hohen Schuhen die Tanzfläche entlang klapperten. "Meinst du, ich sollte meine auch mal schneiden?" fragte sie nachdenklich und auch Morea starrte nun auf ihre sanften haselnussbraunen Wellen, die wie ein kleiner Wasserfall, auf ihre Schultern fielen. "Weiber." schnaubte Itys plötzlich und wir erstarrten, bis alle in schallendes Gelächter ausbrachen. "Ich hol dir die Schere." sagte er dann und ging die Treppen nach oben ins zweite Badezimmer. Dieses Haus war ziemlich riesig wenn man so darüber nachdachte und mir fiel wieder das ein, was Morea mir letztens erzählt hatte. Ich hatte mich nicht geirrt. Das jetzige Arbeitszimmer gehörte ihrer kleinen Tochter Elektra, die vom falschen König entführt worden war. Insgeheim wünschte die junge Mutter sich, dass dieses Haus voller lachender Kinder ist, doch momentan traute sich kaum einer ein Kind zu bekommen. Ich hatte mich hauptsächlich deswegen dazu entschlossen diesem Land zu helfen. Morea und Itys sollten ihre Tochter zurück bekommen, sowie alle anderen Eltern die ihre Kinder an den falschen König verloren hatten. Außerdem sollte diese Schreckensherrschaft enden. Nach wenigen Minuten kehrte Itys zurück und drückte mir eine große scharfe Schere in die Hand. Damit ging ich zurück ins Bad, in Begleitung von Amaltheia. "Komm ich helfe dir." sagte sie und nahm mir die Schere ab. "Wie viel soll weg?" fragte sie und nahm einen Kamm. "Also etwa 25cm." überlegte ich und Amaltheias Augen wurden groß. "So viel?" rief sie aus und ich nickte entschlossen. "Die Haare reichen dir dann nur noch bis zur Brust" sie stellte mit Zeige- und Mittelfinger eine Schere nach und nahm eine Haarsträhne, auf der geplanten Länge, dazwischen, "So?" fragte sie und ich streckte meinen rechten Daumen nach oben. "Perfekt!" sagte ich lächelnd und Amaltheia ging ans Werk. Sie feuchtete den Kamm an um die lästigen Locken zu glätten und fing an zu schneiden. Nach und nach fielen die Haare auf den Fußboden und eine gute halbe Stunde später betrachtete ich meine neue Frisur im Spiegel. "Das sieht echt klasse aus!" jubelte ich und fiel Amaltheia um den Hals. "Ouh! Vorsicht Schere!" rief sie und ich wich zurück. "Nix passiert." lächelte ich. Jetzt wandte sie sich dem Spiegel zu und schnitt etwa zwei Centimeter von ihren vollen Locken ab. "Schick." meinte ich und sie nickte fröhlich. "Und jetzt: ab ins Bett." sagte sie und ich lachte auf. "Ok ok. Danke nochmal." beugte ich mich ihrem Willen und umarmte sie noch einmal. Auf dem Weg in mein Zimmer kam ich an der kleinen Bibliothek im Kinderzimmer vorbei und schnappte mir eins der nicht ganz so historischen Werke. Ich schmiss mich aufs Bett und warf noch einen kurzen Blick auf mein Handy. Es war nicht kaputt gegangen als ich im Wasser getrieben hatte und auch hier hatte ich vollen Empfang. Klingt vielleicht komisch aber ich fand das Spitze. Ich hatte versucht meine Grandma zu erreichen, doch sie war nicht rangegangen. Auch die Male danach nicht. Als ich sie endlich erreichte, hatte sie mich auch sofort wieder weggedrückt und mich mit einem komischen Gefühl zurückgelassen. Später fand ich auch heraus, dass Amaltheia und Cleo, Morea und Ruby sowie Itys und Both ein und dieselbe Person waren. Denn wenn ich Cleo anrief antwortete Amaltheia mir in Gedanken mit einem "Ja?"  Und wenn ich Ruby erreichen wollte klingelte das Telefon unten im Wohnzimmer. Daher war das Handy sozusagen unnütz geworden, aber vielleicht fand ich hier unten auch noch andere Freunde mit denen ich dann simsen und telefonieren konnte. Nachdenklich legte ich das Handy wieder weg und betrachtete den Einband des Buches. Sollte ich wirklich noch lesen? Es war schon spät und meine Augen fielen beinahe zu, doch es war zu verlockend. Also entweder ausgeruht und gut gelaunt ins Wochenende starten, oder mich mit heißen erfundenen Helden ins Abenteuer stürzen? Die Antwort war glasklar: heiße erfundene Helden. Also schlug ich die erste Seite auf und fing an zu lesen.

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