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  Der große Saal war schon voller Leute, die tanzten, aßen oder sich einfach nur unterhielten. Allesamt trugen Masken, bunt und reich verziert. Einige stellten Tiere dar, andere Berufe. Wieder andere entsprangen gänzlich der Fantasie ihrer Hersteller.
Isabella entschied sich dieses Jahr für eine Weiße, umrahmt von Federn. Guilia hatte sie dazu gebracht, mit der Begründung, aus ihr wäre im vergangenen Jahr wahrlich ein Schwan geworden. Die junge Adlige tat ihr diesen Gefallen. Wenn es der Älteren denn so gefiel.

Ihr selbst war diese Veränderung kaum aufgefallen. Sicher, ihre Haare hatten mittlerweile eine beachtliche Länge angenommen und ihr Busen trat merklich hervor, aber sonst? Sie war noch immer ein Wildfang, nur selten in Kleidern anzutreffen. Wann immer es ging, schlich sie sich vom Anwesen ihrer Eltern und durchstreifte allein die Straßen Venedigs. Zu gern würde sie den Festen da draußen und nicht diesem langweiligen Maskenball, den ihre Familie nun schon seit Jahren gab, beiwohnen.

Ein politisches Treffen, obwohl es verpönt war an diesen Tagen über Politik zu sprechen. Ihre Mutter hatte ihr erklärt, dass man derlei Kontakte pflegen und ihnen einen Einblick in sein Inneres gewähren müsste, weshalb man die Gesellschaft zu sich nach Hause lud. Damit würde das Band des Vertrauens zwischen den Parteien gewahrt und gestärkt. Isabella interessierte sich nicht für Politik. Seit sie alt genug war, den Ball zu besuchen, gab es nur einen einzigen Grund für sie, ihn Jahr um Jahr erneut zu besuchen.

"Darf ich um diesen Tanz bitten, Señorita?" Sie stand an eines der Fenster gelehnt und betrachtete in Ruhe die Gesellschaft. Genervt verdrehte sie innerlich die Augen. Nicht der Erste heute Abend, der sie um einen Tanz bat. Giulia musste recht gehabt haben, irgendetwas hatte sich verändert. Die Jahre zuvor war das nie so gewesen.
Dasselbe desinteressierte “Nein!”, das auch schon alle anderen als Antwort bekommen hatten, lag bereits auf ihrer Zunge, noch bevor sie sich den jungen Mann genauer ansah.

Ein recht schmaler Körperbau, in einem schwarzen Anzug verkleidet und von einem ebenso schwarzen Umhang verhüllt. Trotz der Maske, die zur einen schwarz und zur anderen Seite weiß war und dabei das gesamte Gesicht verhüllte, hatte er die Kapuze tief in sein Gesicht gezogen. Geheimnisvoll, was sie durchaus etwas reizte, allerdings wartete sie hier. Sie wollte gefunden werden, wie auch schon die Jahre zuvor. Also schenkte sie ihm ein aufmunterndes Lächeln und meinte: "Verzeiht mir, aber ich warte lieber noch."

Die Reaktionen auf diese Antwort waren unterschiedlich. Die Meisten waren mit gesenktem Haupt abgezogen, so war es ihr auch recht gewesen. Doch einige hatten nicht so schnell locker gelassen und hatten begonnen, zu diskutieren, bis sie deutlicher werden musste.
Ganz anders dieser hier. Unbeirrt trat er einige Schritte näher und ein dumpfes Lachen drang durch seine Maske. "Das Warten hat hier ein Ende”, kam es entschlossen hinter der Maske hervor und er zog langsam die Kapuze herab, öffnete die Kordel des Umhangs und legte diesen auf den nächsten Stuhl.

Er war noch viel schmaler, als Isabella es im ersten Moment angenommen hatte, dennoch imponierte das selbstbewusste Auftreten des jungen Mannes ihr irgendwie. Sie bedachte ihn eines abschätzigen Blickes, um ihm zu verdeutlichen, dass ihre Antwort absolut war. Er kam dennoch näher. Ein weiteres dumpfes Lachen drang durch seine Maske. Mittlerweile stand er direkt vor ihr und packte ihre Handgelenke, legte eine ihrer Hände auf seine Schulter und gewährte endlich einen Blick in seine Augen.

Ein Stromschlag durchfuhr Isabella, worauf ein überraschtes Lachen folgte. Sie ließ sich etwas auf die Tanzfläche ziehen und ihre Haltung straffte sich. Schnell fanden sich die beiden im Takt der Musik ein. Verschmolzen mit der Umgebung. Den vielen anderen tanzenden Paaren. Der riesige Kronleuchter thronte hoch über ihren Köpfen und durchflutete den Saal mit seinem Licht. Wirkte dabei aber, als würde er nur auf sie beide scheinen.

"Ich habe langsam das Gefühl, du nimmst diese Maskerade etwas zu ernst, Louis." Der Angesprochene lachte heiser unter seiner Maske und führte Isabella in eine elegante Drehung.  "Meine Eltern sind krank. Dieses Jahr bin ich alleine hier. Da konnte ich mir diesen kleinen Scherz doch mal erlauben, findest du nicht?" Die junge Adlige konnte sich eines Lächelns nicht erwehren. Dieser Moment war surreal. Irgendwie verdreht. Das war nicht nur die Schuld der Verkleidungen, irgendwie hatten sie sich beide verändert.

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