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Der Mond stand schon hoch am Himmel, als die beiden jungen Frauen in einer Gondel den Weg zu Valentina abkürzten. Ezio, mit dem sie schon oft gemeinsam gefahren waren, sang schon immer die schönsten Lieder über Leid und Liebe. So auch heute Abend. Er war von hagerer Statur, die Kleider abgetragen und schäbig, aber ein ehrliches Lächeln zierte immer seine Lippen. Elouise Auftreten hatte ihn zwar etwas verwirrt, doch sagte er nur, dass bei ihnen eh nie etwas normal gewesen wäre.

"Meinst du, Valentina hat überhaupt noch auf?", fragte die Brünette leise, ohne Isabella anzusehen. Der Blondschopf betrachtete ihre Freundin im Profil, ehe sie ihr antwortete: "Wenn ich mich recht erinnere, waren wir letztes Jahr um einiges später dran als heute." Elouise nickte kaum merklich und erwiderte schließlich ihren Blick. Die Adelstochter hielt dem Schimmer, der von den bernsteinfarbenen Augen ausging, nur kurz stand. Sie hielt dann lieber ihre Hand ins Wasser und beobachtete die vorbeiziehenden kleinen Wellen.

"Da sind wir, meine Damen", erklärte der Gondolieré sanft und bot den jungen Frauen seine Hand zum Ausstieg. "Danke, Ezio. Wie immer ein Vergnügen, mit dir zu fahren." Er verbeugte sich dankbar vor Elouise und warf Isabella einen besorgten Blick zu. "Ja. Danke, Ezio", sagte sie gedankenverloren. Elouise ging schon voran in das kleine Haus, in dem tatsächlich noch Licht brannte und lautes Gemurmel nach draußen drang. Der Blondschopf wollte sich schon abwenden, als Ezio sie aufhielt.

"Was ist mit dir?", fragte er fürsorglich. Wut stieg in ihr auf. Sie merkte es doch selbst. Elouise merkte es und nun musste er sie auch noch darauf ansprechen. Ja, sie war irgendwie ein Schatten ihrer selbst. In sich gekehrt und schweigsam. Äußerst ungewöhnlich, aber was sollte sie denn machen? "Ich habe keine Ahnung, Ezio. Lass mich einfach damit in Ruhe!" Er legte den Kopf schief und sah sie eindringlich an, bevor er anfing, breit zu grinsen. Empörung machte sich nun in ihr breit und von oben sah sie auf den Gondolieré hinab. "Was?" Zu mehr kam sie nicht, denn er fing an, lauthals los zu lachen. "Du, Isabella Florentina Maria Grimaldi, du bist verliebt!", prustete er los.

"Und zwar bis über beide Ohren, wenn ich das sagen darf." Sie spürte, wie es ihr heiß in die Wangen und Ohren schoss. Der reimte sich doch etwas zusammen! "So ein Blödsinn. Da ist man einmal nicht der Sonnenschein schlechthin, wird einem gleich sowas angedichtet." Doch Ezio lächelte noch immer seicht an ihr vorbei. "Isabella, teure Freundin. Ich transportiere so viele Verliebte. Glaub' mir, wenn ich dir sage, du bist verliebt." Sie dachte ernsthaft darüber nach und strich sich gedankenverloren über die Lippen. Konnte es etwa wahr sein? "Wer ist er? Sag schon! Hast du ihn heute Abend kennengelernt?" Wut schüttelte abermals jegliche Verwirrung ab und so funkelte sie ihn gefährlich an. "Misch' dich nicht in anderer Leute Angelegenheiten!", keifte sie nun beinah die letzten Worte, bevor sie ebenfalls in dem Haus auf der Insel verschwand.

Ihr blieb keine Zeit zum Nachdenken, denn Valentina hatte Elouise schon voll in Beschlag genommen und stürmte sogleich auf sie zu, als sie Isabella erkannte. "Bella! Was hast du denn aus der süßen Louis gemacht? Als wäre es nicht schlimm genug, dass du sie immer in Jungenkleider steckst, schleppst du sie nun auch schon so mit auf euren Ball?!" Der Blondschopf musste bei diesem Vorwurf doch irgendwie lachen und schlug sich leicht mit der flachen Hand vor den Kopf. "Nicht doch, Valentina. Ich hab dir doch schon erklärt, dass ich mir einen Scherz erlaubt habe, weil meine Eltern dieses Jahr nicht mitkommen konnten." Die Angesprochene drehte sich nur kurz zu der Brünetten und winkte ab.

"Ja ja, schon gut, Kleines. Ich weiß doch, welchen Einfluss Bella all die Jahre auf dich hatte." Sie wandte sich wieder zurück und zwinkerte, was die Adelstochter nicht einzuordnen vermochte. "Erstmal zwei Gläser Wein, wie immer?" Isabella nickte nur und folgte Elouise zu ihrem Stammtisch. Sie hatte irgendwann dafür gesorgt, dass Valentina ihnen diesen Tisch freihielt für die Zeit von Elouise' Aufenthalt. "Hier verändert sich wohl nie etwas", bemerkte die Brünette und lächelte Isabella an, während sie sich setzte.
Die Angesprochene musste schmunzeln.

"Nein, einige Dinge ändern sich nie", erwiderte sie ruhig und fühlte, wie die vertraute Gelassenheit langsam wieder ihren gewohnten Platz einnahm.
Das Essen verlief dennoch schweigsamer als sonst, aber das war nicht weiter schlimm. Elouise war da und das war alles, was in diesem Augenblick zählte. "Wollen wir zurück?", fragte sie irgendwann und nippte ein weiteres Mal an ihrem zweiten Glas Wein. Elouise schien irritiert. "Zurück? Willst du heute nicht mehr in den Kräutergarten?"

Isabella blickte zur Seite und kratzte sich verlegen am Nacken. "Ich weiß nicht ...", versuchte sie es, doch Elouise schnitt ihr ins Wort. "Nichts da. Auf dieser Bank sind schon so viele besondere Dinge passiert und gesagt worden." Es entging dem Blondschopf keineswegs, dass sich ein zarte Röte bei diesen Worten auf die Wangen der Brünetten legte, wenn auch sie diese nicht zu deuten wusste. Entschlossen ging sie voraus zu Valentina und bezahlte diese. Vor der Küche wartete sie auf Isabella, die ihr Glas in einem Zug leerte, bevor sie aufstand und an ihre Seite trat.

"Ist ja gut", sagte sie nur. Die Wirtin überreichte der Brünetten noch zwei weitere Gläser und machte ihnen schließlich Platz.
Im Kräutergarten war es wie immer. Als würde die Zeit einfach still stehen. Nie hing auch nur eine einzige Wolke am Himmel, wenn sie hier waren. Nie gab es etwas, das stören konnte. Hier waren nur sie beide. Die dumpfen Geräusche von drinnen. Das leise Plätschern des Wassers. Der Mond spendete ausreichend seines silbernen Lichts und doch war Isabella unruhig. Sie setzten sich auf die Bank und Elouise hielt ihr Glas in die Höhe. "Auf uns?", fragte sie vorsichtig. Isabella zwang sich zu einem Lächeln. Die Worte von Ezio spukten noch immer durch ihren Kopf und ihr Versprechen, das es an dieser Stelle einmal mehr einzulösen galt, wog auf einmal unglaublich schwer auf ihren Schultern.

"Klar, auf uns." Die Gläser klirrten und Beide nahmen einen kräftigen Schluck.
Nachdem sie das Glas beinah in einem Zug geleert hatte, senkte Isabella es ab und betrachtete, schwenkend, die dunkelrote Flüssigkeit. "Woran denkst du?", fragte Elouise unverblümt. Die Angesprochene schaute schwach zu ihr. Der Wein forderte bereits seinen Tribut und so schwankte sie leicht, nachdem sie sich etwas zu schnell erhoben hatte. "Ich weiß, dass du jetzt wieder mein Versprechen einfordern willst, Louis. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob das noch so eine gute Idee ist. Wir sind keine Kinder mehr."

Nachdem Elouise die erste Verwunderung abgeschüttelt hatte, musste sie schmunzeln. "Das finde ich lustig. Es war immer ein wichtiger Bestandteil dieses Abkommens, dass es eben genau zu diesem Zeitpunkt stattfindet, wenn wir eben keine Kinder mehr sind." Isabella biss sich auf die Unterlippe. Da hatte die Andere einen Punkt. "Ich weiß", kam es gequält, aber wahrheitsgetreu. Die Brünette hatte sich mittlerweile ebenfalls erhoben und ihre Jacke ausgezogen, um sie über die Lehne der Bank zu hängen. Es dauerte etwas. Offenbar stieg ihr der Wein ebenfalls zu Kopf.

Ohne die Jacke waren ihre schlanke Gestalt und die aufkommen Rundungen viel besser zu erkennen. Es fiel Isabella schwer, nicht zu starren. War auch egal. Sie war sich sicher, dass die Andere ihre Blicke eh spürte. "Wieso schaust du mich so an?", fragte sie wieder ruhig. "Du hast dich verändert", kam es resignierend von dem Blondschopf, der seinen Blick schließlich abwenden musste. "Du dich auch. Giulia hatte damit nicht unrecht." Ein wenig überrascht nahm Isabella die Tatsache hin, dass Elouise sie offenbar auf dieselbe Weise anschaute. "Du schaust so genau hin?"
"Ich betrachte dich schon eine ganze Weile auf eben diese Art, die ich plötzlich auch in deinen Augen erkennen kann." Isabella erstarrte, wagte es nicht aufzusehen oder zu atmen. Was hatten diese Worte denn nun zu bedeuten?

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