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Sie war furchtbar aufgeregt. Seit dem letzten Jahr hatte sich viel in ihr geändert. Elouise wagte es zwar nicht, sich dies einzugestehen, aber irgendwie freute sie sich noch mehr auf ihren Besuch bei den Grimaldis als die Jahre zuvor. Dieses mal war Isabella nicht schon bei ihrer Ankunft erschienen.
An jenem Abend auf der Bank, in dem kleinen Kräutergarten, hatten sie sich ein Spiel ausgedacht. Es würde ihr erstes Mal auf dem Maskenball werden und die beiden Mädchen wollten einander trotz Masken erkennen.

Elouise Mutter richtete ihr gerade das recht pompöse, dunkelrote Kleid, das sie sich für diesen Anlass ausgesucht hatte. Das Mädchen betrachtete gedankenverloren die dazu passende Maske, die ihre Eltern extra anfertigen lassen haben. Ob Isabella sie wohl erkennen würde?
Als sie dann endlich gemeinsam durch die große Flügeltüre zum Ballsaal traten, war sie mehr als aufgeregt. Ihr junges Herz pochte hart gegen ihre Rippen und ihre Hände begannen zu schwitzen. "Immer mit der Ruhe. Du machst das ganz wunderbar, Cherie", raunte ihre Mutter ihr beschwichtigend zu.
Als würde es daran liegen, dachte das Mädchen bei sich.

Nein, ihre Vorfreude war mehr und mehr Aufregung gewichen und das lag ganz allein an Isabella. Ein Gedanke, der binnen eines Jahres allmählich zur Gewissheit wurde.
Mit den Augen suchte sie den Saal ab. Sah viele, die sie auch unter ihren Masken erkannte. Andere widerum nicht. Kinder waren eh kaum anwesend, darum würde es ein Leichtes sein, den Blondschopf zu finden.

Am großzügigen Buffet fanden sie schließlich Isabellas Eltern. Sie war das Ebenbild ihrer Mutter und so war diese ebenfalls groß, schlank und blond. Isabellas Vater daneben wirkte rund, klein und plump, obwohl er das für sich alleine nicht unbedingt war. Wenn nicht bei ihren Eltern, wo war der Wirbelwind denn sonst?

Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln wurde Elouise immer unruhiger. Hatte Isabella ihre Eltern womöglich erzürnt und der Besuch auf dem Ball war ihr verwehrt worden? Das Mädchen nahm gerade all ihren Mut zusammen und wollte sich bei Isabellas Mutter erkundigen, als die Musik erstarb. Durch die beige Maske glaubte Elouise die blonde Frau kurz zwinkern zu sehen. Sie wandte ihren Blick ab und ließ ihn einmal mehr durch den großen Saal streifen. Sie hatte vorher keinen Blick dafür, aber irgendwie ähnelte er Isabellas Zimmer. Die vorherrschende Farbe war gold und der Kronleuchter wirkte beinah königlich.

Ein langsames Klavierspiel ertönte und augenblicklich fuhren alle Gäste herum zur kleinen Bühne, auf der die üblichen Musikanten für einen schwarzen Flügel Pllatz gemacht hatten. Daran saß, wie Elouise schon an den ersten Tönen, die den Flügel verlassen hatten, erkannte, Isabella. Gehüllt in ein edles Kleid aus fließendem Stoff in Champagnerfarbe. Ihre goldenen Locken fielen ihr edel bis zwischen ihre Schulterblätter und sie trug eine zierliche hellblaue Maske, die das dunkle Blau ihrer Augen schmeichelhaft umspielte.

Das Stück, das sie spielte, war Elouise gänzlich unbekannt. Es war äußerst sprunghaft. Hatte traurige und fröhliche Passagen. Wurde laut und turbulent und dann wieder leise und friedlich. Niemand im Saal wagte es, sich zu unterhalten oder auch nur zu bewegen. Ehrfürchtig lauschten die Anwesenden dem jungen Talent vor ihnen.

Als Isabella geendet hatte, verbeugte sie sich tief vor der Gesellschaft, doch galt ihr Blick ausschließlich einer Person. Ihrer Freundin in ihrem weinroten Kleid. Elouise war überrascht, dass die Andere so genau wusste, wo sie war, hatten sich ihre Blicke während des Spiels doch nicht ein einziges Mal getroffen.

Als sie sich nach einem tosenden Applaus schließlich abwandte, um die kleine Bühne zu verlassen, nickte sie kaum merklich in Richtung Türe.
Elouise hatte verstanden und sich, sobald es ihr möglich war, aus dem Ballsaal geschlichen. Isabella wartete schon vor dem alten Baum auf sie. Ein strahlendes Lächeln zierte ihre vollen Lippen, als sie ihre Freundin erblickte und als diese an sie heran trat, zog sie Elouise in eine innige Umarmung.

"Das war leicht", flüsterte der Blondschopf so dicht an ihrem Ohr, dass sie ihren Atem daran spüren konnte. Ein kleiner Schauer lief Elouise daraufhin über den Rücken und sie wollte ihre Freundin gar nicht mehr loslassen. "Du hast es dir aber auch leicht gemacht", neckte sie zurück, worauf sie einen leichten Knuff in der Seite spürte. "Das nennst du leicht? Weißt du, wie lange ich mich auf heute vorbereitet habe?" Gespielt empört stieß sie die Brünette von sich. "So, wie ich dich kenne, hast du heute morgen erst damit angefangen", setzte Elouise noch einen drauf und streckte der Anderen verspielt die Zunge raus.

Alle Anspannung war auf einmal von ihr gegangen. Ihr junges Herz schlug wieder regelmäßig und auch ihre Hände hatten eine normale Temperatur angenommen. Vielleicht hatte sie sich ein ganzes Jahr umsonst den Kopf zermartert?
Isabella lächelte seicht vor sich hin und streckte der Anderen nur die Hand entgegen. "Na komm, Louis."

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