• Kapitel 9 •

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Ein Jahr. Ein Jahr lang war ich nicht hier?
Ein Jahr lang schlief ich? Hier? In diesem Krankenhaus?
Mir lief ein Schauer über den Rücken, als ich den Gedanken schon fast wie ein Echo in meinem Kopf hörte.
Wie versteinert lag ich da. In diesem weißen Bett. Meinen Blick an die Decke gerichtet.
Ich versuchte die Erinnerungen wieder in meinen Kopf zu bringen, doch dort war nichts.
"Vergib mir...Mandy...bitte...", hörte ich Tony sagen. Seine Stimme zitterte. Er weinte. Ich war mir sicher, obwohl ich nicht einmal in seine Richtung schaute. Ich konnte einfach nicht. Nicht jetzt.
Langsam aber sicher wanderte mein Blick zu Liah.
Sie? Sie saß nur da. Den Blick auf mich gerichtet. Ihr Blick. Er war so leer. Liahs Blick war leer. Das Mädchen, was immer vor Freude strahlte, war leer.
Mir war nicht mehr wohl. Obwohl? War mir je wohl in der Zeit hier? Nein.
Langsam aber sicher versuchte ich, mich zu erheben. Zu meinem Verwundern klappte es. Alle Blicke waren genauso verwundert wie ich. Doch es war mir egal.
Ich drehte mich langsam um und schaute Tony an, welcher unter Tränen in den Augen hatte, aber gleichzeitig überrascht zu mir hoch schaute.
Ein leichtes Lächeln zierte meine Lippen. Ich fühlte mich gut, dies geschafft zu haben.
"Mandy...? Aber wie?", hörte ich Tony sprechen. Ich zog ihn zu mir und lächelte ihm in die Augen. Es schien ihn aufzumuntern, denn auch er begann, zu lächeln. Sein Lächeln. Wie sehr ich es doch vermisst hatte. In all der Zeit.
Warte, einen Moment. Ich konnte mich doch gar nicht an ihn erinnern. Wieso fühlte ich mich dann so wohl in diesem Moment? Wieso fühlte es sich so schön an, ihn wieder lächeln zu sehen? Es schien so, als würde mein Unterbewusstsein sich doch noch an ihn erinnern.
Mein Herz machte einen Satz.
Piep piep piep piep piep piep piep piep piep piep piep piep piep piep.
Es hörte gar nicht mehr auf so zu rasen.
Natürlich musste direkt der Arzt rein stürmen. Als er mich und Tony dann sah, seufzte er nur einmal und ging dann wieder aus dem Zimmer. Zum Glück.
Tony schnappte sich meine Hand und verschränkte dann unsere Finger in einander.
Liah musste das alles mit beobachtet haben, denn auf einmal stand sie direkt hinter mir und legte ihre Hand auf meine Schulter.
"Ich lasse euch dann mal lieber allein.", sagte sie dann einfach. Und dieses Mal lächelte sie. Dieses Lächeln. Auch ihres hatte ich vermisst.
Im nächsten Moment ging sie dann zur Tür, welche sie öffnete und auch gleich hinter sich schloss.
"Ähm...also...ich weiß auch nicht, aber...irgendwie...erinnere ich mich nicht an das, was wir alles getan haben, aber mein Körper scheinbar doch irgendwie...wie soll ich es erklären...?"
Ich sah kurz verlegen weg. Doch eines war sicher. Ich mochte ihn. Ich mochte ihn wirklich sehr.
"Also..."
Ich musste noch einmal durch atmen, ehe ich weiter sprechen konnte.
"Ich glaube, ich liebe dich doch noch irgendwie..."
Erst lächelte ich, doch dann verschwand es auf einmal und ich wurde angespannt. Nervosität überkam mich.
"Tut mir leid...das klingt sicher, als wäre ich komplett verrückt geworden..."
Ich wollte mich erst von seiner Hand lösen, obwohl es sich so schön anfühlte. Diese Wärme. Sie war einfach wunderschön.
Doch als er das spürte, stärkte er den Griff nur noch mal, was dazu führte, dass ich ihn verwundert ansah. Sein Gesicht war geziert von einem wunderschönen Lächeln, wodurch mein Herz wieder einen kleinen Satz machte.
Meine Gefühle spielten einfach komplett verrückt. Wieso? Ich konnte mich doch an nichts erinnern! Doch trotzdem liebte ich ihn. Diese Welt war komisch.
Genauso wie das Geschehen mit Tod und Leben. Es kann doch nicht alles nur ein Traum gewesen sein. Oder doch?
Meine Gedankengänge wurde von Tonys Händen unterbrochen, welche auf einmal an meinen Wangen lagen und sanft über diese strichen. Ich konnte nicht anders, als zu lächeln.
Im nächsten Moment strich er ganz sanft über meine Augenlieder. Sofort schloss ich diese.
"Das klingt keineswegs eigenartig. Es freut mich sogar."
Ich durfte seine so angenehme Stimme wieder vernehmen, doch dieses Mal ohne, dass sie brüchig, oder ähnlich klang. Sie war glücklich.
Und genau das war es, was mich in diesem Moment so aufheiterte. Er. Er allein war es.
Schon etwas später konnte ich seinen warmen Atem in meinem Gesicht fühlen, sowie seinen Duft riechen.
Und dann geschah es. Das, was ich mir schon immer erträumt hatte.
Ein Kuss. Nicht aufdringlich. Nicht zu feucht. Nicht zu trocken. Nicht zu kurz. Nicht zu lang. Es war einfach der perfekte Kuss.
Wie sich seine Lippen langsam auf meine legten. Wie er mich sanft küsste. Wie ich ihn zaghaft, aber mit dem selben Maß an Gefühl, erwiderte.
Es war einfach perfekt. Schon fast zu perfekt.
Es ließ mich schon fast bezweifeln, ob es real war.
Ich wünschte, ich hätte damals anders gedacht. Es hätte mich retten können. Er hätte mich retten können. Vor dem, was mich erwartete. Vor all dem. Er hätte mich beschützen sollen. Er. Er allein. Er war aber zu spät...

Leben und TodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt