Erschrocken sah sie ihn an.
"Ist das dein Ernst?", fragte sie überflüssig. Natürlich war es sein Ernst, so finster wie er dreinsah. Er nickte nur und zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte.
"Fiona, mach auf!", rief Avinas Stimme, die hektisch und besorgt klang. Leise schlich sie zur Tür und roch am Schlüsselloch, um sicher zu gehen, dass es auch wirklich ihre Tante war, bevor sie die Tür öffnete.
Sie schloss auf und öffnete ihrer Tante und den Zwillingen die Tür, damit sie eintreten konnten.
"Ich bin nur hier, um Joselyn und Melody herzubringen. Passt auf sie auf!", sagte sie als ihr Blick auf Darian fiel. Offensichtlich war sie nicht im Geringsten überrascht ihn hier anzutreffen. Darian nahm seine kleinen Schwestern in den Arm und sah ernst zu seiner Mutter hinauf, die nickte bevor sie sich an Fiona wandte."Verriegel die Tür und lass niemanden außer mir oder Nathaniel rein. Ich komme sobald ich kann." Mit diesen Worten drehte sie sich um und verließ den Raum. Die Tür schloss Fiona sofort wieder und drehte sich zu den Geschwistern.
Die beiden Mädchen waren gerade mal zehn Jahre alt und versuchten sich von ihrem großen Bruder trösten zu lassen, indem sie ihn umarmten und versuchten ihre Tränen zu verstecken. Avina küsste ihre Kinder auf die Stirn bevor sie verschwand und Darian noch einmal ausdrücklich befahl, die Tür hinter ihr abzuschließen. Er erwachte aus einer Art Schockstarre und tat, was seine Mutter ihm befohlen hatte, doch als ihre Blicke sich trafen, konnte Fiona nackte Angst in seinen Augen erkennen. Sie wuuste, dass er am liebsten dort draußen wäre, um seinen Vater zu unterstützen, doch aufgrund der wenigen Angriffszauber, die er kannte, wäre er mehr eine Bürde gewesen, als eine Erleichterung. Fiona setzte sich auf das Fensterbrett und sah wie versteinert auf das hinab, das sich unten auf dem Hof abspielte. Ein Dämon schaffte es, über die Mauer zu klettern und kämpfte nun mit einigen Soldaten. Seine Haut war schwarz geschuppt und er sah sehr nach einer Schlange aus, wären die kleinen Beine am Leib und der Kopf, nicht der einer Maus, gewesen. Mit zitterntem Atem beobachtete sie die Szene und betete, dass der Angriff bald enden würde und das Schloss wieder sicher war.Der Dämon zerquetschte mit seinem Rumpf ein paar der Männer, die verbissen versuchten, es zu töten, bis schließlich ihr Onkel das Tier von hinten angriff und ihm den Kopf abschlug. Kurz holte sie erleichtert Luft, doch dann erschien ein weiterer Dämon in ihrem Sichtfeld. Im Gegensatz zu dem anderen, hatte dieser Flügel und konnte damit die Schlossmauer mit Leichtigkeit überwinden. Er hatte im Körperbau eine gewisse Ähnlichkeit mit dem eines Menschen, doch die grüne, schuppige Haut und die leuchtend roten Augen ließen diese Ähnlichkeit verblassen. Lange Krallen hingen an seinen Pranken und sein Blick wanderte an der Schlosswand entlang.
Schließlich blieb er an ihrem Fenster hängen und starrte sie mit den roten Augen an, die wie frisches Blut aussahen. Sofort war sie wie gelähmt. Nur mit Mühe konnte sie atmen, während der Blickkontakt des Dämons immer intensiver wurde. Sie fühlte sich komplett durchleuchtet, als er sie anstarrte, ohne auch nur zu blinzeln.
Plötzlich zerriss ein Schrei die Luft und ihr wurde schwarz vor Augen. Sie bekam nur noch mit, wie Darian sie vom Fenster fortzog und zu Boden drückte. Kurz danach hörte sie das Splittern von Glas.Selina beobachtete, wie William seine Tochter an sich zog. Seit sie angekommen waren, hatte sie sich kaum gerührt und nur ihre sich stetig hebende und senkende Brust verriet, dass sie noch lebte. Sie beide waren mit ihrem wenigem Gefolge, das sie dabei hatten, mitten im Kampf eingetroffen und hatten sich eingemischt, ehe sich die fünfzehn Dämonen durch das Schlosstor kämpfen konnten.
Kaum hatten sie das geschafft, war ihr aufgefallen, dass einer der Dämonen zu einem der Fenster hinaufstarrte, hinter dem zu ihrem Entsetzen ihre Tochter stand und den Blick des Wesens erwiederte. Schnell besorgte sie sich einen Bogen und Pfeile die mit Kristallen versehen waren und schoss sie auf das immer höher flatternde Wesen ab. Leider konnte sie nicht verhindern, dass es anschließend durch das Fenster in den Raum stürzte. Dafür hatte sie allerdings die Gewissheit, dass der Dämon unwiederbringlich tot war. Als sie wenig später in den Raum traten, den die Zwillinge ihnen aufschlossen, lagen Fiona und Darian auf dem Boden vor dem Fenster. Darian hatte sie offenbar vom Fenster weggezogen und sich anschlißend schützend über sie gebeugt. Als er bemerkte, dass sie da waren richtete er sich auf und gab den Blick auf Fiona frei, zu der Will sofort rannte und sie nach Wunden absuchte. Während sich William um Fiona kümmerte, trat sie zu Darian, der wie versteinert zu sein schien.
"Danke.", flüsterte sie und er nickte und ging zu seinen Eltern. Die Zwillinge hatten sich mittlerweile von ihren Eltern gelöst und berichteten nun, was vorgefallen war, nachdem sie sich unter dem Bett versteckt hatten.William hatte Fiona auf ihr Bett gelegt und wartete ungeduldig darauf, dass sein kleines Mädchen wieder aufwachte. Nathaniel hatte erzählt, dass sie zu lange in die Dämonenaugen geschaut hatte und der Dämon es geschafft hatte, sie durch den Blickkontakt innerlich auszulaugen. Allerdings sei das nichts, das nicht wieder werden würde, hatte er mit einem Anflug von einem Lächeln gesagt.
"Wir brechen nach Larwenia auf, sobald sie wach ist.", sagte er nun, ließ seine Tochter los und stand auf. Kühler Wind wehte durch das kaputte Fenster und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Der Kadaver des Dämons war schon entfernt worden, als Nathaniel Fiona magisch gescannt hatte.
"Du weisst aber, dass sie noch ein paar Stunden brauchen wird, um das alles zu verarbeiten? Am Besten ist, wenn wir sie erst einmal in Ruhe lassen. Komm.", sagte sie und streckte ihre Hand aus. Zögernd kam Will zu ihr und sah noch einmal zu seiner Tochter, dann schien ihm klar zu werden, dass er noch nichts für sie tun konnte und ergriff ihre Hand und gingen hinaus.
Im Thronsaal saßen Nathaniel und Avina mit den Zwillingen auf einem Sofa und die beiden Mädchen kuschelten sich eng an ihre Mutter. Nathaniel hatte ein sanftes Lächeln aufgesetzt, das man nur selten bei ihm sah, wenn man nicht Avina war.
Als er sie sah, wich dieses sanfte, liebevolle Lächeln und ein begrüßendes Grinsen trat in sein Gesicht. Er stand auf, deutete eine Verbeugung an und rief:
"Guten Tag, eure Hoheiten."
Selina verkniff sich ein Lachen, deutete einen Knicks an und rief ebenfalls:
"Guten Tag, eure Hoheiten."
Dann brachen sie in leises Kichern aus. Sie beide hatten damals niemals gedacht irgendwann König und Königin von zwei unterschiedlichen Ländern zu sein. Schließlich wurde das Gesicht ihres besten Freundes ernst.
"Ist Fiona schon aufgewacht?", fragte er besorgt. William schüttelte den Kopf.
"Sie ist so bleich, dass man denken würde, dass sie tot ist, wenn sie nicht atmen würde."Avina schickte ihre Kinder hinaus und umarmte ihren Bruder.
"Sie wird schon wieder aufwachen. Ich bin mir sicher."
Selina versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie innerlich genauso in Sorge war, wie Will und schluckte den Kloß im Hals mühsam hinunter.Nathaniel wandte sich an sie.
"Weshalb seid ihr hier? Wir wollten eigentlich morgen zu euch nach Larwenia aufbrechen, um die Kinder in Sicherheit zu bringen."
Sie zuckte mit den Schultern.
"Irgendetwas sagte mir, dass es notwenig sein würde. Jetzt weiß ich auch, warum." Nathaniels Blick wurde ratlos.
"Das letzte Mal als Dämonen uns so formiert angriffen, war kurz nach dem Krieg und meiner Krönung. Vielleicht zwei, drei Jahre später. Irgendjemand scheint sie wieder zu lenken.", teilte er seine Befürchtung mit.
Will, der sich nun aus Avinas tröstender Umarmung gelöst hatte, trat zu ihnen."Aber wer steuert sie?", fragte er.
"Ich weiß es nicht.", antwortete Nathaniel und strich sich die Haare aus der Stirn. Plötzlich roch sie einen weiteren Geruch in diesem Raum, der hier eigentlich nichts verloren hatte. Sie brachte Nathaniel mit erhobenem Zeigefinger zum Schweigen, was ihr einige verwirrte Blicke einbrachte.
Sie seufzte.
"Darian unsichtbar zu sein, heisst nicht gleich, dass man keinen Geruch mehr hat. Zeig dich, es hat keinen Zweck."
Die Luft neben ihnen flimmerte und der Sechzehnjährige erschien. Er wirkte überrascht, aber auch neugierig. Dies wurde allerdings unterbrochen, als Nathaniel ihm eine saftige Ohrfeige verpasste.
"Geh auf dein Zimmer und bleibe dort. Du hast meine Geduld im Moment überstrapaziert. Später reden wir noch und denk ja nicht, dass du mir entkommen kannst.", sagte er streng und der Junge verzog sich. Nathaniel fuhr sich über das Gesicht.
"Fehlen im Unterricht, unsichtbar Leuten nachspionieren... so geht das nicht. Seit er diesen Zauber gelernt hat, hält er sich für einen Rebellen.", wetterte Nathaniel. Avina musste sich hinter ihm ein Lächeln verkneifen."Ich glaube, wir hatten alle einmal so eine Phase, in der wir uns unseren Eltern widersetzt haben.", sagte Will und sein Blick ruhte auf Avina.
"Ich? Wieso schaust du mich an? Ich wollte eben nicht die perfekte Prinzessin sein.", rechtfertigte sie sich und Selina musste kichern. Auch Nathaniel lächelte und zog seine Frau enger an sich.
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Fiona - Erbin Larwenias
FantasyEinige Jahre sind nun vergangen, seit der Krieg beendet ist und Larwenia und die Nachbarländer in Frieden leben. Nun zieht Larwenia seine Thronerbin heran, die allerdings alles andere im Kopf hat, nur nicht ihre Pflichten als zukünftige Königin. Al...