17. Kapitel. Geschenke und Diskussionen

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Erschrocken drehte sie sich zu der Stimme um. Ihre Hand lag an ihrem Dolch, den sie sich um das Bein gebunden hatte. In der einen Ecke des Balkons stand eine Gestalt, die sich eine Kapuze tief in das Gesicht gezogen hatte.
Sie brauchte einen Moment bis sie realisierte, wer da vor ihr stand.
"Was tust du hier draußen? Wieso bist du nicht drin?", fragte sie und ließ ihre Hand sinken.
"Ich wollte nicht rein, bevor nicht deine vielen Verehrer weg sind. Ein Teil ist ja glücklicherweise gegangen.", sagte er mit einem Lächeln im Gesicht, der sie innehalten ließ.
"Warst du das etwa?", fragte sie ungläubig. Diese Magie, die sie gespürt hatte, kam von keinem ihrer Verwandten und auch sonst hatten sich ihre Eltern genau informiert, wen sie zu sich eingeladen hatten und darunter war definitiv kein Magier. Es ergäbe also Sinn.
Mor fing an zu grinsen und bestätigte damit ihren Verdacht. Fassungslos und mit offenem Mund beobachtete sie ihn, wie er näherkam und die Kapuze abstreifte.
"Tja Wölfchen, nun da du mich erwischt hast, was willst du tun?", fragte er amüsiert.
"Ich sollte wieder hineingehen und dich hier draußen lassen.", sagte sie und ging in Richtung Tür.
"Weil ich dir einige deiner Verehrer vom Hals geschafft habe? Das würde ich nicht tun.", sagte er und lehnte sich vor ihr an die Wand und versperrte ihr damit, auf elegante Art, den Durchgang.
"Und wieso nicht?", fragte sie.
"Weil ich hier etwas für dich habe und noch mit deinem Vater etwas besprechen muss."

Sie legte die Stirn in Falten.
"Was willst du mit meinem Vater besprechen?" Ihre Stimme klang misstrauisch und vorsichtig.
"Ich muss etwas mit ihm über die Dämonen besprechen, denn scheinbar stehen wir vor einem weitaus größerem Problem als wir vermutet hatten." Fiona nickte und wollte noch mehr wissen, doch er unterbrach sie.
"Und wie ich eben schon sagte, habe ich etwas für dich, Wölfchen." Seine Hand glitt in seine Manteltasche während sie ihn misstrauisch dabei beobachtete.
"Dreh dich um!", sagte er belustigt.
"Und schließ die Augen. Mach dir keine Sorgen, ich habe nicht vor, dir zu schaden."

Zögernd drehte sie sich um und schloss die Augen. Sie hörte, wie er sich hinter ihr bewegte und plötzlich berührte etwas Kaltes ihr Brustbein und kurz darauf streiften seine Finger wie zufällig ihren Hals. Angenehme Schauer jagten ihren Rücken hinab und endeten erst, als er sich zurück zog, was erst eine gefühlte Ewigkeit später geschah. Erst jetzt wagte sie es, wieder zu atmen und ihre Finger glitten automatisch zu dem Teil, das um ihren Hals hing. Es war klein und hatte mehrere Kanten. Interessiert öffnete sie die Augen und betrachtete das Objekt. Fast sofort erkannte sie ihn wieder.
Es war dieser kleine Rubin, den sie in der Höhle gefunden hatte, allerdings hatte man den Stein um ihn herum entfernt. Nun hing er an einer dünnen, goldenen Kette und funkelte im Mondlicht. Völlig fasziniert drehte sie sich zu Mor um, welcher wieder an der Wand gelehnt stand und sie beobachtete.
"Danke.", sagte sie und hielt den kleinen Edelstein fest in der Hand umschlossen. Er trat lächelnd zur Seite und öffnete ihr die Tür.
"Betrachte es als Geburtstagsgeschenk.", sagte er leise, als sie hineingingen. Er bot ihr einen Arm an und lächelnd nahm sie ihn. Dieser Geburtstag wurde immer besser.

Kaum schloss sich hinter ihnen die Tür, wurden sie von der Schar Männer empfangen, die sie vorhin noch abgewimmelt hatte. Als sie allerdings Mor sahen, blieben sie aprupt stehen und sahen verwirrt drein. Fiona konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie an ihnen vorbeigegangen waren. Mor ging mit ihr zur Tanzfläche und sah erwartungsvoll zum König, der die beiden bemerkt hatte. Erst starrte er ihn nur an, dann als ihre Mutter ihn mit dem Ellebogen in die Seite stieß, riss er sich zusammen und nickte.

Die Musik begann und Mor nahm ihre Hand mit der einen Hand und die andere legte er auf ihre Hüfte. Ihre rechte Hand ruhte auf seiner Schulter. Langsam begannen sie, sich zum Takt der Musik zu bewegen.
Nach einer Weile lächelte er.

"Ich spüre die unangenehmen Blicke deiner Verehrer im Rücken. Sie würden mich am liebsten erdolchen. Vielleicht sollte ich für einen von ihnen Platz machen." Der belustigte Ausdruck in seinen Augen zog sie etwas aus ihrer Anspannung.
"Untersteh dich! Ich will diesen Geiern nicht ausgeliefert sein. Die starren mich die ganze Zeit an, wie ein Stück Fleisch und jeder will das Beste davon abhaben. Sie fallen über mich her, selbst wenn ich nur mal kurz rausgehen will. Sie schauderte kurz bei der Vorstellung, allein mit diesen Männern noch mehr Zeit als notwendig verbringen zu müssen.

"Seit wann fürchtet sich der Wolf vor Vögeln?", fragte er und grinste breiter.
"Seit diese Vögel verdammt hartnäckig sind.", erwiederte sie und ließ sich von Mor über die Tanzfläche führen. Er schnaubte nach einer Weile und sie sah wieder zu ihm auf.
"Du hast Recht. Diese Vögel sind wirklich hartnäckig. Ich glaube, dass wenn ich das Fleisch jetzt freigeben würde, hätte sich innerhalb einer Minute eine Traube darum gebildet.", sagte er und lachte, als sie ihm "unbeabsichtigt" auf den Fuß trat.
"Oh das Fleisch wird gewalttätig."
Gespielt böse sah sie ihn an, sagte aber nichts weiter.

Der Tanz neigte sich dem Ende und jemand legte Mor eine Hand auf die Schulter. Als er sich umdrehte, sah ihn der König ernst an und deutete mit einem Kopfnicken auf eine ruhige Ecke. Mor nickte, entschuldigte sich bei Fiona, welche sofort zu ihrer Mutter und ihren Verwandten lief. Die Königin saß auf einem Sofa und plauderte locker mit Xadriens Königin, welche Fiona sofort in ihrer kleinen Gesprächsrunde empfing. Er ging mit dem König etwas abseits und sicherte mit Magie ab, dass ihnen keiner zuhören konnte.
"Was hast du herausgefunden?", fragte er und lehnte sich an die Wand.
"Dass meine Art, die Dämonen durch unsere Zauber schützt. Sie haben sich mit Darons letztem Sohn verbündet, um neues Land mit mehr Beute zu bekommen.", erklärte er und beobachtete den König von Xadrien, der auf sie zu kam. Mor empfing ihn in seinem Zauber und als er die Magie, die er wirkte, spürte, blieb er wie angewurzelt stehen.
"Du hast vorhin diese Gäste weggeschickt.", warf er ihm vor und sah ihn misstrauisch an. Weder Mor noch König William gingen darauf ein.
"Nathaniel, das ist der Drache von dem ich dir erzählt habe. Seine Nachrichten haben sich bisher immer als die Wahrheit herausgestellt, wie du weisst.", sagte König William und Nathaniel nickte ernst. Dann wurde sein Gesichtsausdruck grüblerisch.
"Wie kann es sein, dass er menschliche Gestalt hat?"
Der König traute ihm kein Stück über den Weg, das konnte Mor an seinem Blick erkennen.
"Durch uralte, vergessene oder verstoßene Zauber.", sagte er gelassen und beobachtete, wie das Gesicht des Königs blasser wurde.
"Ich werde euch beiden nichts von meinem Clan erzählen und auch nicht, wie man meine Art besiegen kann. Ich kann euch nur sagen, wie man diese Dämonen besiegt und das geht nur durch starke Magie."
"Also ist dieser Krieg so gut wie hoffnungslos.", stellte Nathaniel mit nüchternem Tonfall fest.
"Nicht ganz, man kann nur nicht auf offenem Feld gegen meine Art gewinnen. Man muss schon hinterhältig handen.", sagte Mor und grinste leicht.
"Wenn sie bemerken, dass dieser Krieg für sie sinnlos ist, werden sie sich dreimal überlegen, ob sie kämpfen wollen. Sie werden zurück auf ihre Insel gehen und Ruhe geben und dann sind die Dämonen wieder durch Edelsteine und Gestaltwandlermagie sterblich.", erklärte er und sah in zweifelnde Gesichter.
"Die Frage ist nur, wie kann man Drachen davon überzeugen, dass sie für eine aussichtslose Sache kämpfen?"
"Da habe ich schon Ideen."

Fiona beobachtete, wie ihr Vater und ihr Onkel mit Mor in einer Ecke des Saals sprachen. Ihre Gesichter wirkten ernst, während der Drache auf sie einredete, hin und wieder nickten sie oder schüttelten den Kopf. Nach einer Weile löste sich das Gespräch auf und Fiona spürte eine Verbindung in ihrem Kopf aufkeimen.
'Wenn du gekonnt hättest, hättest du gelauscht, nicht wahr?', fragte Mors Stimme belustigt und er drehte sich zu ihr um. Seine Augen funkelten amüsiert und sie hatte Schwierigkeiten empört auszusehen, weil sein Lächeln ansteckte.
Unbewusst spielte sie an der Kette herum, als sich jemand in ihr Sichtfeld drängte.

Fiona - Erbin LarweniasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt