Es war Sonntag nach einer Partynacht, ich war krank und Ben musste arbeiten.
Er hatte mir zuvor noch einen Tee gemacht, mich wie eigentlich in die Wange gekniffen und war dann aus dem Raum gestürmt. In seiner Hand war eine Jacke gewesen und das Handy hatte er sich vom Nachtisch geschnappt, bevor er ging, dann war die Fürsorge für diesen Tag vorbei.
Wir kannten uns zu dieser Zeit schon unheimlich lange, trotzdem wusste ich beinahe nichts von ihm. Das merkte ich, als die Nachricht erschienen war, dass er kommen sollte. Der Name Jule, der auf seinem Handy aufleuchtet war, sagte mir rein gar nichts und als ich ihn danach gefragt hatte, meinte er es wäre wegen der Arbeit gewesen. Das sein Gesicht bei jeder neuen Nachricht von ihr noch blasser wurde, war nur mir aufgefallen. Er war zu beschäftigt gewesen, sich auf die Lippe zu beißen und sich seine Haare zu raufen.
Wir waren Freunde aber kannten wir uns? Was hatten wir die letzten Jahre nur getan, das so etwas passieren konnte? Wir sprachen doch miteinander, hatten immer etwas zu lachen. Warum konnte ich nicht sagen, wie es in seinem Leben aussah? Was machte ich falsch?
Ich wusste weder wo er wohnte, noch was sein Beruf war, oder wohin er gegangen war. Immer wieder kritzelte er Blätter mit irgendwelchen Entwürfen voll, plante irgendetwas oder hörte Musik, was davon allerdings nur ein Hobby und was wirklich sein Beruf war, wusste niemand von uns. Er sprach darüber nie. Er kam und war schon wieder verschwunden.
Und das war einer der Gründe warum ich manchmal an unserer Freundschaft zweifelte. Ich wusste nichts von dieser Person, die ich seit Jahren kannte und war das nicht ein Warnsignal?
"So ist er nun einmal, das solltest du langsam wissen", hörte ich Leons Stimme sagen, sah zu der offenen Türe und lächelte ihm entgegen. Das er zuvor mit ihm geredet hatte, konnte man schwer überhören, er wusste wahrscheinlich wieder mal mehr als ich, wahrscheinlich sogar an was ich gerade dachte.
Es gab Momente, da war dieser Kerl mit den Platin blonden Haaren unerträglich, er sagte mir manchmal zu offen seine Meinung und dann gab es Tage wie diese, wo er sich auf Bett schmiss, mir meine Tasse aus der Hand nahm, sie wegstellte und plötzlich etwas in der Hand hielt, was ich niemanden zeigen wollte und trotzdem wusste, dass ich nur mit ihm darüber reden konnte. Es gab Momente, in denen ich mich insgeheim freute, dass er so etwas gefunden hatte, so musste ich mich nicht überwinden meinen Mund zu öffnen. Denn ich wusste, dass ich es niemand anderes erzählt hätte.
Ein Blick zu ihm genügte mir und ich wusste was folgen würde, welcher Leon jetzt neben mir lag. Er verhielt sich nämlich nicht immer gleich, auch wenn es meistens die gleiche Situation war. An einem Tag freute er sich für mich und an einem anderen löschte er einfach die Nummer aus meinem Adressbuch. Ich hatte schon einige Male Nummern bekommen und irgendwie war es immer Leon, der es erfuhr. Den anderen traute ich es nicht zu, dass sie es ernst genommen hätten. Dabei wollte ich doch nur meinen Seelenverwandten finden, die Person, mit der ich mein restliches Leben verbringen wollte.
Und in dem Moment wo er das Blatt anstarrte, hörte ich schon seine Stimme, die mich fragte, wer denn dieser Typ wäre, wie er mich zwang mit ihm zu schreiben und zur selben Zeit wusste ich auch, dass ich alles abstreiten würde, mich auf die Seite drehen würde und insgeheim doch hoffen würde, dass er mir half und mir die richtigen Worte sagte, damit ich nicht wie ein Vollidiot hinüberkam.
Eines hätte ich allerdings nicht gedacht, ich hätte es nie für eine Möglichkeit gehalten, bis mir das Handy ans Ohr gehalten wurde und das Piepsen bei mir ankam. Mein Herz schlug schneller, meine Augen wurden größer und entsetzt starrte ich zu Leon hin.
"Du kannst nicht dein Leben lang hinter Ben herrennen. Kleines, das Leben ist zu kurz und auch wenn ich lieber dieses Blatt zerreißen würde, ist es glaub ich das Beste, jetzt einfach Mal etwas anderes auszuprobieren. Wer weiß, vielleicht ist der Typ auf der anderen Leitung die Liebe deines Lebens."
Wir sahen uns tief in die Augen. Ich rannte Ben nicht hinterher, ich rannte ihm nicht hinterher, ich hätte so etwas nie gewollt, ich hatte die letzte Zeit nur keine Zeit für etwas Festes, keine Zeit für ein wenig Spaß und auch wenn, wie wahrscheinlich wäre es gewesen, dass dieser Carlo die Liebe meines Lebens war? Da gab es immer diesen Typ, den man beim ersten Treffen total toll fand, der auf den zweiten aber nur eine Täuschung war. Auf Instagram wirkten diese Männer immer so perfekt. Man schrieb mit ihnen, war total verzaubert von ihnen und dann waren sie doch alle gleich. Niemand wollte was Ernstes und der Traumprinz wurde zu einem Fuckboy.
"Oder er bricht mir mein Herz", flüsterte ich ihm entgegen, probierte das Piepen zu übertönen und hoffte, dass es endlich sein Ende finden würde, dass tat es aber nicht. "Vielleicht aber ist er die Liebe deines Lebens, Schatzi, bitte, denk einmal positiv." Unerwartet spürte ich wie er meine Hand nahm, sie fest drückte und hörte wie das Piepen auf der anderen Leitung verschwand. Eine raue Stimme drang zu meinen Ohren, sie hörte sich so tonlos leise an. "Hallo." Ich hielt die Luft an, hatte mir keine Worte zu Recht legen können und dann kam das dümmste was ich je gesagt hatte. "Hei, ich hab nen neuen Fahrradwitz, aber den Fahrrad ich dir nicht."
Der Typ neben mir, schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn und der Typ an der anderen Leitung, ja der lachte und so unerwartet wie das kam, kam auch seine Antwort darauf.
"Und ich dachte du schreibst nicht, weil ich dich mit meinen Witzen abgeschreckt habe." Ohne es zu begreifen, musste ich plötzlich anfangen zu lachen, mein Gesicht wurde warm und das nicht nur weil ich krank war.
"Ich wollte nur fragen was du so machst?" Ich ließ Leons Hand los, drehte mich auf den Bauch und spürte wie es mir plötzlich viel besser ging, dass mein Kopf schmerzte, war vergessen, dass mir übel war, nicht mehr zu spüren.
"Ich bin hier und da, sollte eigentlich weiter arbeiten, aber dann hat mich ein hübschen Mädchen angerufen und jetzt du."
Meine Kehle war wie zugeschnürt, still blieb ich liegen, wollte gerade auflegen und diese Nummer löschen, bemerkte wie weh es tat verletzt zu werden und wollte mit dem Thema endgültig abschließen, da hörte ich wie er weitersprach, wie er mich auslachte.
"Das war ein Witz, meine Schwester ist gerade gekommen und das einzige hübsche Mädchen mit dem ich heute telefoniert habe, das bist du. Was machst du gerade?"
Die Welt drehte sich weiter und war doch noch still geblieben. Wie konnte mich das nur so fertig machen? Warum war ich so?
"Ich liege mit nem heißen Typ im Bett und lasse mich von ihm pflegen."
Leon war schon toll, groß mit Muskeln und vergeben an den Typen von der letzten Party.
"Was für ein Typ?"
"Er heißt Leon schon ziemlich sexy, dieser Name nicht?"
Der Blick des Ppatin blonden Jungen wurde mit jedem Wort verwirrter. Er zog eine Augenbraue hoch und probierte zu verstehen, von was wir sprachen, dabei hatte ich keine Ahnung was ich gerade tat. Wollte ich Carlo den eifersüchtig machen?
"Und was macht dieser Leooon?"
Wahrscheinlich war genau das mein Plan und er funktionierte. Sein Tonfall war verächtlich, als würde er diesen Kerl, ohne ihn je gekannt zu haben, hassen.
"Er ist für mich da, weil ich krank bin und Carlo? Er ist schwul."
Empört schnaufte der Typ neben mir aus, worauf ich das Handy von meinem Ohr entfernte und Leon einen Luftkuss zuwarf.
"Oh, dann gute Besserung", kurze Stille folgte "Du, Meine Schwester sieht mich schon böse an, ich sollte auflegen, aber Alaska? Wie wäre es wenn wir uns am Freitag wieder vor diesem Club treffen, 16 Uhr?"
"Okay", hauchte ich ins Telefon "Abgemacht, viel Spaß noch."
Sein 'Danke', am Schluss war so kraftlos wie das 'Hallo' am Anfang. Bevor ich jedoch nachfragen konnte, verstummten die Geräusche an der anderen Leitung. Das Gespräch allerdings hing in meinen Gedanken fest, ich sah Leon an und kreischte meine nächsten Worte beinahe, oder nein es war eher eine zu übertriebene Antwort, auf eine Frage, die er nicht gestellt hatte.
"Ich hab ein Date."
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Carlo, please stay tru. |Cro Ff|
FanfictionManchmal weiß man, was richtig ist. Man weiß, dass man die Wahrheit sagen soll und trotzdem lügt man. Er log nie. Carlo verdrehte lediglich seine Wörter und trotzdem bedeutete er mir so unheimlich viel. Vielleicht war er die Liebe meines Lebens. ...