Drinks auf mich ÷9

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Wir lagen nur da. Wie immer lagen wir nur da und taten nichts. Der Fernseher war ausgeschaltet, unsere Münder waren zu, die Couch zu unbequem um richtig auf ihr zu liegen, weshalb wir dies nicht taten. Unsere Haare berührten den Boden, das Blut floss in unsere Köpfe, während unsere Füße es sich auf den Lehnen bequem machten. Wenn wir unsere Köpfe zu der Musik bewegten, fühlte ich mich wie ein Besen, der immer die gleiche Stelle sauber machte. Ich schob den Dreck nach vorne und wieder zurück. Das war  okay.

Seit Tagen war ich hier und hatte auch nicht das Bedürfnis mein Aufenthaltsort zu ändern. Nach Hause wollte ich nicht, auf die Arbeit hatte ich keine Lust, Spaß zu haben war einfach zu anstrengend. Es war Samstag und meine Gefühle fuhren in diesem Moment Achterbahn. Mein Handy, welches vor uns auf dem Tisch lag, hatte die letzten Tage nur wegen der Arbeit oder Snapchat einen Ton von sich gegeben und obwohl ich Carlo eigentlich ignorieren wollte, er es mir mit der Tatsache, das er nicht schrieb sogar erleichterte, bemerkte ich doch die Hoffnung, die bei jedem Ton meines Handys bei mir aufkam. Er hätte es ja sein können. Es war albern, ich weiß. Gegen wirkliche Gefühle kann man nur nichts machen. Sie sind immer da, wenn der blödeste Zeitpunkt ist, oder sie nur noch nerven. Dann möchte man sie wegschieben. Es geht nur nicht.

Vivi wusste wie es mir ging. Sie hatte mich schon oft Tage bei sich gehabt, weil ich entweder keine Lust auf Mark hatte, Leon mir mit seinem Liebeskummer auf die Nerven ging oder Ben sich mit seiner Freundin eingenistet hatte. Viele hätten mich bestimmt vertrieben. Weil sie wie ich Probleme hatte. Wahrscheinlich hätte sie es auch getan, wenn sie nicht so ein großes Herz gehabt  hätte. Es gab Tage, an denen sie mich betrübt ansah, meinte sie wolle nicht reden und mich wegschickte. Manchmal stand sie auch plötzlich bei meinem Auto und holte mich sozusagen bei der Arbeit ab. Dann sprachen wir über sie. Es ging also nicht immer um mich, zurzeit allerdings hatte ich wenig von ihren Problemen mitbekommen, zu sehr beschäftigte mich das Thema 'Liebe'. Ein völlig absurdes Gefühl in meiner Bauchgegend erschwerte mein normales Leben und ich wollte es nur mehr loswerden. Es machte mir so viele Probleme. Welche die ich einfach nicht lösen konnte.

"Ben und Carlo sind verwandt", flüsterte ich und drehte meinen Kopf zu ihr. Ich hatte weder Ben noch Carlo auf dieses Thema angesprochen, irgendwas in mir sagte allerdings, dass dies nicht hätte offensichtlicher sein können. Leon mich in dieser Hinsicht nicht anlog, auch wenn ich momentan an seinen Entschlüssen zweifelte.
Hätte ich nur einmal genauer hingesehen, dann hätte ich wahrscheinlich auch die Bilder in Carlos Haus entdeckt, worauf Leon, Ben oder sogar Mark waren. Sie hatten sich alle gekannt. Nur ich hatte von nichts eine Ahnung. Was hatte ich die ganze Zeit nur getan, in der sie sich trafen? "Ich weiß", gab sie ebenso leise zurück. Ihre Stimme war nur ein leiser Hauch im Wind. Sie hatte eine Melodie in ihrem Tonfall, wenn sie sprach. Wenn sie sang, war sie sogar noch schöner. Ich liebte es ihrer Stimme zuzuhören. Sie beruhigte mich. "Das hast du schon gesagt." Ihre Hand drückte meine und wir blieben wieder stumm. Es war angenehm.

Das Blut hatte meinen Kopf bereits rot gefärbt, langsam wurde mir schlecht, sodass ich meinen Oberkörper schnell nach oben bewegte. Damit er zusammen mit meinen Füße ein V formten. Was nicht nur vollkommen bescheuert aussah, sondern mir auch nicht wirklich weiterhalf. Aus dieser Position konnte ich mich nicht bewegen. Der Blick meiner Freundin war belustigt, während sie zusah wie ich mein Plan scheiterte und ich wieder zur Ausgangsposition zurückkehrte, dennoch verließ kein Ton ihren Mund. "Ich schaff das schon noch", beteuerte ich und lag kurz darauf auf dem Teppich, gleich wie sie es tat, nachdem ich sie mitgezogen hatte. Unser Lachen erfüllte für kurze Zeit den Raum, dann war es wieder ganz still. Unsere Augen trafen sich, Ungewissheit machte sich in meinem Bauch breit, flüsternd gab ich meiner Gegenüber meine Zweifel bekannt und ohne etwas zu sagen hörte sie zu, um mich später in den Arm zu nehmen und mir einen Sekt anzubieten. Sich zu betrinken sei nämlich keine gute Idee. Ein Schluck hingegen war ja nichts.

"Ich weiß ja nicht Mal was Liebe ist. Ich glaub ich hab noch nie geliebt. Nicht Mal meinen ersten Freund. Aber es kotzt mich einfach an, wenn wir im gleichen Café sitzen und er mich keines Blickes würdigt. Ich hass es am Abend auf mein Handy zu starren und auf eine Nachricht zu hoffen. Es kommt mir so vor, als würden wir uns nicht im geringsten kennen. Als wäre das hier absolut falsch und gleichzeitig nimmt mir seine Anwesenheit den Atem. Ich habe ihm geschrieben, dass ich Zeit brauche und er schreibt nur ein kleines okay. Als ob es ihm egal wäre, ob wir Kontakt haben. Ich dachte es sei richtig und jetzt seh ich ihn an und weiß, dass es nicht richtig sein kann und diese Tatsache tut so weh."

Ihre Hand strich über meinen Rücken. Ihr Duft umhüllte mich. Sie roch nach Rosen. Eigentlich hatte sie vor heute mit mir auf eine Party zu gehen, aber nicht um so viel zu trinken um etwas vergessen zu können. Deshalb waren wir hier, damit wir diese Probleme jetzt  lösen könnten. Sie wollte mir ein Vorbild sein, so wie ich es immer sein wollte. Bis ich bemerkte, dass ich dafür nicht gemacht war. Damals als wir noch jung waren und auf diesen einen Stiege am Stadtrand saßen, auf der einen Seite den Alkohol stehen hatten und auf der anderen eine Packung Gummibärchen, als es so war wollte ich mich ändern. Irgendwann wollte ich nicht mehr dort sitzen . Ein Beispiel konnte man sich trotzdem noch nie von mir nehmen. Ich wäre kein gutes gewesen, weil ich nicht durchgehalten hatte.  Einige Zeit wollte ich es sein.  Hatte sogar aufhören zu trinken, damit man zu mir auf schauen konnte. Dann beschränkte ich mich bei der ersten Party auf ein Glas Hugo und später stand ich mit einem Schnapsglas in der Hand da. Meine Freunde fanden dies eine dumme Idee, als ich zum ersten Mal nicht mit ihnen zu dieser Stiege ging. Ich sagte, ich wolle ein Vorbild für die anderen sein, mein Leben endlich wieder leben, damit meine Mutter nicht um mich weinen musste. Dabei tat ich es nur für ihn, weil er auch nichts trank. Nur als er mich links liegen ließ, nahm ich das Schnapsglas wieder in die Hand, setzte an uns spürte das Brennen, welcher den Schmerz in meinem Bauch linderte. Dabei war es nicht Carlo sondern Ben bei dem ich dies tat. Es war der erste Abend an dem ich mich übergab, es war meine erste Zigarette an diesem Abend gewesen und am nächsten Tag wusste ich nur, dass ich es bis Mitternacht nicht ausgehalten hatte. Ich spürte diese ekligen Lippen auf meinen und fragte mich warum meine Lippe blutete. Das ich manche Leute beinahe fast mit einem Besen zusammengeschlagen hatte ließ mich lachen. Am Morgen kam ich dann zu meiner nichtsahnenden Mutter. Ihr hatte ich nichts von dieser Party erzählt, sie wusste nur dass ich zu einem Kollegen ging. Es war besser so. Auch wenn die Ausrede wegen der dicken Lippe nicht leicht zu finden war. Alles müssen Eltern dann aber auch nicht erfahren.

"Gehn wir feiern." Sie schob mich von sich und musterte meine zierliche Gestalt von oben bis unten. "Wir werden uns nicht voll saufen." Zaghaft schüttelte ich meinen Kopf, legte meine Hand auf ihren Arm und lächelte ihr zu. "Nein wir werden Spaß haben, wir werden leben ohne Angst auf Verluste." Ein Funkeln in ihren Augen erleuchtete die Nacht. "Wie früher?" "Ja, ja genau so. Wie auf unserer Stiege."

Und wir gingen zu dieser Party.
Wir tranken zu viel, lachten viel, hatten den Spaß unseres Lebens.
Es war laut. Ich sah ihn vor mir.
Ihn, Carlo Waibel.
Kurz blieb alles stehen und die Luft blieb mir weg, als er auch noch kam. Meine Schritte gingen auf ihn zu.
Nur auf ihn, Benno Waibel.
Ich wusste nur nicht wegen welchen von beiden, sich alles drehte, warum plötzlich alles andere verschwunden war. Nachdenken war in diesem Zustand sowieso unmöglich.
Ich sah nur auf sie und ihre Getränke, wollte wissen, ob sich etwas geändert hatte. Hatte es sich aber nicht. In Bens Hand war wie immer seine Cola mit extra Eiswürfel, während Carlo seine Wiskeyflasche in der Hand hielt. Bevor ich jemanden von ihnen zu nah  kam, blieb ich stehen. Ich weiß nicht ob sie sich gegenseitig sahen, aber ich sah sie beide. Einer stand Nahe der Türe und der andere bei den Getränken. Zwei Augen sahen mir lächelnd entgegen, zwei andere eher besorgt, dann fiel ich. Der Boden war hart. Ihre Worte nicht zu verstehen, als ich auf Boden lag und die Musik verschwand.

Carlo, please stay tru. |Cro Ff|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt