Wir saßen auf seinem Balkon und sahen über die Stadt hinab, der Sonne zu wie sie die Welt erhellte. Geschlafen hatten wir, ehrlich gesagt, nicht. Das war doch das was Rockstars taten, sie waren die ganze Nacht wach und feierten ihr Leben. Nur er tat es nicht. Lediglich hatten wir den Vollmond betrachtet und gewartet, bis er der Sonne den Platz übergab. Auf dem Tisch vor uns stand eine Flasche Wodka, neben ihr ein voller Aschenbecher und während mir der Geruch von Rauch in die Nase schoss, hörten meine Ohren seiner Stimme zu, wie sie mir erklärte, dass diese Zigarette ihm 5 Minuten seines Lebens nahm. Aber was waren den schon 5 Minuten wert? Wenn man auf den Aschenbecher sah, dann wohl bestimmt mehr als eine ganze Stunde und je mehr wir uns kennenlernten, je mehr fing ich an jede einzelne Sekunde zu schätzen. Bei jeder seiner Zigaretten, bemerkte ich, dass er mir zu wichtig war, um 5 Minuten mit ihm zu verlieren und aus diesem Grund, griff ich immer wenn er es tat nach einer Zigarette. Er konnte nur die Hälfte Rauchen und ich verlor 5 Minuten ohne ihn.
Das ausgewärmte Fleisch, des letzten Abends, schmorrte auf dem Boden vor sich hin, als wäre es ganz normal dazuliegen und ich erinnerte mich, wie ich mich auf den Tisch gesetzt hatte und Carlo seine Hand auf meine Wange gelegt hatte. Er hatte sich hinunter gebückt und dann hatte ein Klirren unseren ersten Kuss zerstört. Schade fand er den Verlust des Tellers nicht, schließlich hätte er sich Millionen von ihnen kaufen können und mir machte nur der fehlende Kuss etwas aus. Warum hätte er nicht so sein können? Es wäre nicht der perfekte erste Kuss gewesen, aber besser als es unser wirklich erster Kuss war, wäre er auf jeden Fall gewesen. Sein Atem hatte, als ich auf dem Tisch gesessen hatte, so nach Alkohol gestunken und seine Haare waren in sein Gesicht gehangen, seine Augen hatten mich fokussiert, warum mussten wir denken, wir müssten etwas essen? Ich wollte ihm doch nur nahe sein.
Später gingen wir zusammen in den Wald und in dem Moment, indem ich an einem Baum lehnte und sein Kopf nur Millimeter von meinem entfernt war, musste ich niesen. Durch sehr viel Ruhe und Medikamente hatte ich eigentlich wieder zu den lebenden gefunden, dieser Moment allerdings schien mir vom Leben nicht gegönnt zu sein. Carlo, welcher es glücklicherweise bemerkt hatte und ausgewichen war, lachte. Sein Lachen ließ mein Herz schneller schlagen und trotzdem zeigte ich ihm beleidigt meinen Mittelfinger, damit er nicht wusste, wie sehr er mich in der Hand hatte. Jedes Mädchen brauchte ein wenig Autorität. Zu Letzt waren wir wieder am Anfang und sahen zu den Sternen, bis sie verschwanden.
Die ach so berühmten Worte drangen erneut zu meinen Ohren, eine weitere Zigarette flackerte auf und fand bald darauf den Weg in meine Hand. Seine Augen hafteten auf mir, meine auf ihm, ich nahm einen Zug und setzte mich auf seinen Schoss, pustete ihm den Rauch ins Gesicht und beteuerte kühl, dass 5 Minuten weniger auf dieser Welt gar nicht so schlimm wären. Ich wollte immer seine Gelassenheit haben, diese besaß ich allerdings nie. Nach und nach schlich sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Hände zogen mich näher zu ihm und dann beugte ich mich vor, ließ die Zigarette los, verschränkte meine Finger mit seinen, legte meinen Kopf auf seine Stirn und küsste ihn. Kurz lösten wir uns, sahen uns an, seine Lippen bewegten sich, es kamen Laute an meine Ohre, ich fing an zu zittern, die Welt nicht mehr zu verstehen, dann zog er meinen Kopf zu sich, küsste mich wieder, ließ mich die Worte nicht verarbeiten, dabei hätte ich mehr Zeit benötigt, denn egal wie gut er küsste, egal was ich dabei fühlte, ich benötigte Zeit.
"Ich benutz dich nur, ich will keine Beziehung, ich will keine Liebe, ich will niemand an mich ran lassen, ich benutze dich."
Ich ließ meine Hände auf seiner Brust ruhen und schob ihn von mir weg, sah ihn mit leeren Augen an, mit der Gewissheit nicht mehr für ihn zu sein, als ein dummes Mädchen, dass mit ihm mitgekommen war.
"Ich habe keine Zeit für das, ich bin berühmt."
Schockiert sah ich ihn an, seine braunen Augen und wollte seinen Worten nicht glauben. Ich war nicht dieses Freundschaft + Mädchen, ich war nicht so eine, ich wäre es für niemanden geworden, nicht einmal wegen diesen Gefühlen. Mein Atem war nicht mehr vorhanden. Seine Augen waren glasig ohne Grund, er schob mich ab, er tat es, nicht ich. Und insgeheim hoffte ich, dass es einen Grund hatte, dass nicht nur ich Gefühle für ihn entwickelt hatte, dass ich damit nicht alleine war, dass er darum fast weinte.
"Die Wahrheit Waibel. "
Er blieb stumm, mein Herzschlag wurde immer schneller. Erneut lagen meine Lippen auf seinen, das war Kuss Nummer drei. Ich hatte so Angst, dass er es ernst meinte, hatte so Angst ihn zu verlieren. Diese Gefühle kamen schnell und unerwartet und ich war nicht bereit ihn genauso schnell wieder los zu lassen.
"Ich habe keine Zeit zum Lieben oder um geliebt zu werden, Girl das mit uns wird nicht funktionieren, nicht weil ich es nicht will, sondern weil es einfach nicht funktionieren kann. Ich werde dir nur dein Herz brechen, egal was ich jetzt sage. Ich könnte sagen, dass ich eigentlich vergeben bin, oder dass ich nicht mehr als eine Nacht brauche, dabei habe ich einfach nur keine Zeit. Ich will dich wiedersehen, aber wir werden nicht zusammen alt werden."
Meine Hand hatte sich in seinen Haaren vergraben, seine Hände hielten mich fest, ließen mich nicht los, meine Stirn lag erneut auf seiner, meine Augen waren geschlossen.
"Warum denn nicht? Niemand hat von einer Beziehung gesprochen, niemand hat von dem gemeinsam alt werden gesprochen, warum macht es dich so fertig, dass du es mir sagst, bevor irgendetwas ernst ist."
Er legte seine Hand an meine Wange, küsste mich länger und verzweifelter, ohne ein wenig Gefühl, am Schluss, küsste er mich nur noch, damit ich still war. Dafür dass unser erster Kuss so lange brauchte, waren die danach viel zu schnell hintereinander.
Dass ich ihn irgendwann von mir weg stoß, aufstand und Richtung Türe ging, ließ ihn nicht nur dumm schauen, er ging mir sogar nach, versuchte nicht einmal seine Verzweiflung zu verstecken.
"Alaska! Verdammt, es tut mir doch leid, ich mag dich ja, aber ich kann dir nicht mehr geben."
Kurz herrschte eine ungewollte Spannung zwischen uns. Er blieb Meter von mir entfernt stehen, hinter ihm den Kram, mit dem er Musik machte. Seine Beine bewegten sich nicht mehr, als wusste er, dass wenn ich gehen würde, alles besser wäre. Zumindest einfacher. Seine Augen wollten mich hingegen nicht gegen lassen, irgendetwas in ihnen flehte mich an zu bleiben. "Warum bist du so? Warum lässt du niemanden an dich ran?"
Erst ein Schritt, dann ein zweiter, ein dritter und nach dem vierten blieb er stehen.
"Hast du dich schon einmal gefragt, was passieren würde, wenn du nicht mehr da bist? Wer würde um dich weinen und wer würde es einfach nicht interessieren. Ich will, dass man mich nicht vergisst, ich will, dass ich im Gedächtnis der Menschen bleibe, ich will ein wenig Unendlichkeit."
Mir ran eine Träne die Wange hinunter, hektisch wischte ich sie mir weg, lief einen Schritt nach hinten.
"Aber ich will keine Menschen mehr an mich lassen, niemanden verletzen. Ich will nicht, dass du mich zu nah an dich ran kommen lässt. Verstehst du es denn nicht? Ich habe keine Zukunft."
Eine Sekunde, dann eine zweite, eine dritte und nach der vierten gewann ich den Mut, der in der Ecke gesessen hatte und meine Stimme eine Farbe. "Ich verstehe dich nicht."
Plötzlich waren seine Augen so leer, ich verstand ihn, das was er sagte war eigentlich so klar, ich wollte es nur nicht wahrhaben. Seine Worte trugen also einen Sinn. Sein kantiges Gesicht kam endlich wieder ins Licht, dunkele Augenringe zierten es, der kleine Ansatz von Bart ließ ihn älter wirken und doch zu jung für diese Worte.
"Ich bin krank, willst du wirklich jemanden an dich ran lassen, der sterben wird?"
Die gleiche Frage, bekam wie schon gesagt, eine neue Antwort. Was waren den 5 Minuten in einem ganzen Leben? Sie waren ein Teil davon.
Wisst ihr, ich hätte vieles tun können, ich hätte ihn umarmen sollen, ihm zeigen, dass es mir egal war, dass ich es verkraften würde.
Wisst ihr, ich hätte so vieles tun können und tat trotzdem das Falsche. Meine Füße trugen mich die Einfahrt entlang, ich rannte davon, rannte weg, um nicht verletzt zu werden.
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Carlo, please stay tru. |Cro Ff|
FanfictionManchmal weiß man, was richtig ist. Man weiß, dass man die Wahrheit sagen soll und trotzdem lügt man. Er log nie. Carlo verdrehte lediglich seine Wörter und trotzdem bedeutete er mir so unheimlich viel. Vielleicht war er die Liebe meines Lebens. ...