Herzhaft und süß, und doch so böse

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Seit der letzten Mission liege ich nur noch faul in meiner Wohnung rum. Das geht nun eine Woche so.
Jemand klopft an der Tür. Verwundert klappe ich mein Buch zu und öffne die Tür.
Der Vorstandsmitglied, mit dem ich gut befreundet bin, stürmt herein.
"Dazai?" Ich halte ihn am Arm fest.
"Ich muss dir etwas zeigen"
Erst jetzt fällt mir der Umschlag in seiner Hand auf. "Was ist das?"
Er setzt sich auf die Couch. "Einer aus der Hafenmafia arbeitet undercover bei der Polizei. Das sind die Berichte von dem Vorfall mit deinen Eltern. Er hat sie gestohlen"
Ich setze mich zu ihm, nehme den Umschlag aus seiner Hand und ziehe die zwei Blätter raus. Sofort fange ich damit an, das erste Blatt Papier zu lesen.

Montag Nachmittags ereignete sich ein Vorfall, bei dem zwei Menschen ums Leben gekommen sind.
Michael  Mayer, 45 Jahre und Johanna Mayer, 40 Jahre, wurden tot vor ihrer Haustür gefunden. Sie starben an Schusswunden ( mehr dazu im Autopsiebericht ). Ihre gemeinsame Tochter, Vanessa Mayer, ist verschollen. Nach ihr wird gesucht, sie wird verdächtigt, die Opfer umgebracht zu haben...

Ich halte inne. Die können nicht allen ernstes glauben, ich hätte meine eigenen Eltern umgebracht?!
"Vanessa"
Ich erwache aus meiner Schockstarre und blicke zu Dazai. Erst jetzt bemerke ich, dass das Blatt unten am Boden liegt. Eine Träne kullert langsam meine Wange runter. "Ich fasse es nicht... Ich werde für den Mord meiner Eltern beschuldigt"
Er hebt das Blatt auf. "Beruhige dich. Das sind nur Anschuldigungen. Du alleine weißt genau, dass es nicht stimmt"
"Was werden meine Freunde denken? Meine Klassenkameraden? Oder meine andere Verwandten?"
Seine Hand streichelt langsam und behutsam meinen Rücken. "Es wird sich jetzt nicht besser anhören: Die Polizei hat zwei Gedanken. Du hast deine Eltern umgebracht oder du bist selber tot oder untergetaucht"
"Tch. Das ist wirklich nicht besser. Misaki... Sie wird denken, ich bin ein Mörder oder ich bin tot" Verzweifelt verstecke ich mein Gesicht mit meinen Händen. Dazai soll mich bloß nicht so sehen.
"Es tut mir leid. Ich weiß, ich bin erbärmlich", flüstere ich.
Meine Hände werden von meinem Gesicht gezogen und ich sehe direkt in sein Gesicht. Seine Augen geben mir ein sicheres und warmes Gefühl.
"Du bist niemals erbärmlich, sondern stark und wundervoll. Es ist vollkommen natürlich, deswegen so fertig zu sein. Der Tod deiner Eltern ist noch nicht lange her und die Wunden sind frisch. Mach dir deswegen keine Vorwürfe"
Ich antworte ihm nicht, aber mein Herz klopft wie verrückt. Wir schauen uns gegenseitig in die Augen ohne was zu sagen.
Als wäre er gerade von einem Tagtraum erwacht, zieht er seinen Kopf verlegen zurück von meinem. Seine Augen meiden mich jetzt und schauen zur Seite, als er versteht, wie nah er mir gerade war.
Etwas zu hastig steht er auf und holt aus der Küche mir ein Taschentuch und reicht es mir.
Damit wische ich mir mein verweintes Gesicht schnell ab, während ich ihm danke. Dazai nickt. Aber wie aus dem Nichts fängt er an zu lachen. Nicht dieses Lachen, was man bei einem Witz macht, sondern dieses, was man bei Verlegenheit macht.
"Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll, wenn ein Mädchen weint. Habe ich es gut gemacht?"
Wie er diesen Satz betont...  Dank dem kann ich nicht anders als Grinsen.
"Ja, hast du"
"Willst du als Aufmunterung einen Kaffee?"
"Gerne, aber diesmal nehme ich lieber heiße Schokolade"

Wir sitzen wieder im selben Café wie letztes Mal und die Kellnerin kommt mit einem Lächeln zu uns. "Was wollen sie trinken?"
"Einen Espresso für mich und eine heiße Schokolade mit viel Liebe für die junge Dame hier" Charmant lächelt er sie an. "Sagen Sie, haben Sie einen Freund?"
Überrascht ziehe ich meine Augenbraue hoch, die Frau wird rot.
"N-Nein"
"Es kann doch nicht sein, so eine wunderschöne Frau ist alleine?"
Als er das sagt, verspüre ich ein Gefühl im Magen. Es drückt. Mir ist nicht klar, weswegen oder wieso ich genau dieses Gefühl habe... Dieses erniedrige Gefühl kannte ich nur aus der Schule, wenn ich eifersüchtig war. Weshalb genau jetzt?
Ich schüttel meinen Kopf, als könnte ich somit dieses Drücken im Bauch verscheuchen.
"Ja", antwortet die Kellnerin.
"Wenn Sie sich nur noch mit mir umbringen würden, wären sie perfekt"
Sofort verschwindet das Lächeln der Kellnerin und ich musste mir das Kichern verkneifen. Im Laufe meiner Zeit mit Odasaku und Dazai bemerkte ich, dass Dazai diesen Suizid-Tick hat. Anfangs machte ich mir Sorgen um ihn, doch Odasaku versicherte mir, es wäre alles okay.
"Umbringen?", wiederholt sie beinahe schockiert.
"Ja. Ein Doppel-Suizid. Sie wissen schon, ganz romantisch und schmerzfrei"
Die Kellnerin unterbricht ihn. "Ich... sollte ihre Getränke zubereiten" Sofort verschwindet sie.
"Vergessen Sie nicht, mit ganz viel Liebe die heiße Schokolade zubereiten!", ruft er ihr hinterher.
"Ernsthaft? War das Flirten?" Unglaublich gaffe ich ihn mit offenem Mund an.
"Ich schätze mal ja"
Ich pruste los. "Du bist ein Freak, Dazai Osamu"
Auch er schmunzelt. "Und du bist eine Sarkastin"
Unsere Getränke werden gebracht, aber nicht von der blonden Kellnerin, die vergeblich von Dazai angeflirtet wurde.
Mein Getränk schmeckt köstlich. Kakao mit Milchschaum und ein Aroma Vanille. Bei meinem ersten Schluck verbrannte ich mich aber daran.
So herzhaft und süß, und doch hat es eine böse, verletzende Seite.
Das erinnert mich an eine Person.

Suicide Song - DazaixOCWo Geschichten leben. Entdecke jetzt