Das kristallklare Wasser des Bergbachs war eiskalt. Trotz der Sommerhitze japste ich nach Luft, als ich bis zu den Waden hineintappte. Ohitika lachte und dieses Geräusch wärmte mich innerlich. Wie selten hatte ich ihn früher lachen gehört. Doch in den letzten Monaten schien er richtig aufgeblüht. Ich wollte mir nicht einbilden, dass es an mir lag.
Sein Anblick, wie er nackt vor mir im Wasser stand, das ihm bis zu den Hüften reichte, ließ Schmetterlinge in meinem Bauch aufflattern. Er war bereits einmal untergetaucht und ein Stück geschwommen. Jetzt perlten die Tropfen an seinem eingefetteten Oberkörper ab und glitzerten in der Sonne wie Tausende Kristalle. Ich glaubte wirklich, dass ich noch nie etwas Schöneres gesehen hatte.
„Komm schon, trau dich", rief er neckend und streckte mir seine Arme entgegen.
Mein Herz klopfte heftig, als ich seine Hände ergriff. Und dann zog er mich mit einem Ruck an sich und ließ sich rücklings ins Wasser gleiten. Ich schrie auf, als die kalten Fluten mich einhüllten. Gänsehaut bedeckte meinen ganzen Körper und ich zitterte unkontrolliert. Erst als seine Lippen sich auf meine legten, vergaß ich das kalte Wasser und klammerte mich fast fieberhaft an ihn.Später lagen wir am Bachufer auf einer Lederdecke in der Sonne. Das lange, hellgrüne Gras um uns herum wiegte sich in der leichten Brise und bildete einen natürlichen Sichtschutz. Nicht, dass jemand hier vorbeikommen würde. Wir befanden uns einen guten Tagesritt vom Zeltdorf entfernt — allein mit unseren Mustangs und dem kleinen Jagdzelt. Ich hatte keine Ruhe gegeben, bis er einwilligte, mich mitzunehmen. Schließlich waren wir erst seit Kurzem verheiratet und ich wollte nicht ständig allein im Tipi herumsitzen, während er unterwegs war.
„Es ist nicht üblich, dass die Frauen ihre Männer auf die Jagd begleiten", hatte er gemeint.
Ich entgegnete: „Du wusstest, dass ich keine normale Lakota-Frau bin, als du mich gebeten hast, dich zu heiraten. Ich möchte alles mit dir teilen, verstehst du?"
Ob er es verstand oder nicht — er hatte mich mitgenommen und ich war sehr dankbar, diese Zeit mit ihm allein zu haben.
„Es ist wunderschön hier", flüsterte ich schläfrig, während ich die weißen Schäfchenwolken beobachtete, die über den hellblauen Himmel segelten. „So ruhig und friedlich ... Am liebsten würde ich für immer hierbleiben."
Ich hörte, wie Ohitika den Atem entweichen ließ, als würde er seufzen.
„Was ist?", fragte ich und drehte mich auf die Seite, um ihn ansehen zu können. Ich ließ meine Fingerspitzen über seine nackte Brust wandern, erkundete die Hügel und Täler seiner Muskeln. Er hatte einen Arm unter seinen Kopf gelegt und starrte ebenfalls in den Himmel.
„Ich habe heute Nacht geträumt", begann er. Ein Schatten flog über sein Gesicht, als eine Wolke kurzzeitig die Sonne verdeckte. „Ein Traum, der meinen Geist in Unruhe versetzt hat."
„Oh?" Meine Finger hörten auf zu wandern und ich schaute ihn prüfend an. Die Unbeschwertheit der letzten Stunden schien auf einmal von ihm gewichen.
„Die Bilder verblassen bereits wieder. Ich sah ... ein Nest von feuerspeienden Schlangen, Schlangen mit vielen Köpfen und in ihrer Mitte ... meine Schwester und ihr Kind. Die Leiber der Schlangen wanden sich immer enger um sie. Ich wollte zu ihnen, sie retten, doch ich steckte in einem Sumpf fest, der meine Beine gefangen hielt und mich immer tiefer in sich hineinsog ... bis zu meinen Hüften, meiner Brust. Und je mehr ich dagegen ankämpfte, desto schneller verschwand ich darin ... dann bin ich aufgewacht."
Ein Schauer erfasste meinen ganzen Körper. Wihinapa und ihr Baby - noch hatte sie kein Kind, aber sie hatte uns die freudige Nachricht mitgeteilt, kurz bevor wir aufgebrochen waren. Die Vorstellung von ihr in einer Schlangengrube machte auch mir Angst, aber ich schüttelte den Gedanken ab.
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Plötzlich Indianer - Teil 2
Historical FictionMarie hat ihr Glück bei den Lakota an der Seite von Ohitika gefunden. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Ein dramatisches Ereignis erschüttert ihre Welt und zwingt sie zu einer gefährlichen Reise. Gemeinsam mit Ohitika und dessen Rivalen Thokala b...