„Buffalo Bill" ging in dem engen Raum auf und ab und warf dabei Ohitika und Thokala-gleschka immer wieder misstrauische Blicke zu. Die beiden saßen mit stoischem Gesichtsausdruck und etwas steif auf den Sitzen und warteten ab. Nachdem ich ihnen mit einiger Mühe verständlich gemacht hatte, dass alles, was wir gesehen hatten, nur „Show" gewesen war und die Soldaten und Indianer nicht wirklich miteinander gekämpft hatten, waren sie in verwirrtes Schweigen versunken. Noch schwieriger war es gewesen, Buffalo Bill davon zu überzeugen, dass meine Begleiter keine bösen Absichten gehabt hatten.
Buffalo Bill hieß natürlich nicht wirklich so. Sein richtiger Name war Randall Curtis, genannt Randy, und er war der Manager der Showtruppe, die Buffalo Bills alte Wild West Show für Touristen und Amerikaner wiederbelebte. Offenbar waren sie ziemlich beliebt und traten im ganzen Land auf. Natürlich war er fuchsteufelswild gewesen, dass wir seine Show gestört hatten, doch vor dem Publikum draußen hatte er es überraschend gut überspielt. Nachdem sie den verletzten Mitchie aus der Arena getragen hatten, hatte Randall bestimmt, mit dem nächsten Programmpunkt weiterzumachen, und bald hatten sich die Zuschauer von ihrem Erstaunen erholt. Einige glaubten vielleicht immer noch, die kleine Einlage hätte dazugehört.
Nun saßen wir also im Bürowagen von Buffalo Bill und warteten auf Nachricht. Ich hockte auf einer Kante der Sitzecke und hatte erst jetzt Zeit, mich richtig umzuschauen. Das mobile Büro in dem Trailer war mit allen Notwendigkeiten ausgestattet. Es gab einen Schreibtisch und eine Sitzecke, dazwischen eine kleine Küchenzeile. Eine Tür daneben führte in ein kleines Bad mit einer Toilette, die ich schon benutzt hatte (ich hatte gar nicht gewusst, wie sehr ich ein richtiges Klo vermisst hatte!). Die Ausstattung wirkte ein wenig altmodisch und zum Teil schon abgenutzt, wie in einem billigen Motel.
Das Klingeln von Randalls Handy ließ uns alle aufschrecken. Ohitika schaute mich fragend an, aber ich wollte hören, von wem der Anruf kam, und vertröstete ihn mit den Augen auf später.
„Ja, hier Curtis", bellte der kleine Mann in sein Telefon. Er hatte seinen Cowboyhut abgesetzt und auf den Tisch gelegt. Seine dunkelblonden Haare klebten ihm in nassen Strähnen an der Stirn, obwohl der Trailer klimatisiert war.
Er lauschte der Stimme am anderen Ende der Leitung und ich beobachtete, wie sich sein Gesichtsausdruck ein wenig entspannte.
„Es geht ihm also gut? Fantastisch ... Ja, danke! ... Mhm, ich kümmere mich darum. Bis dann!"
Randall legte auf und drehte sich zu uns um. „Ihr habt Glück! Mitchie wird morgen aus dem Krankenhaus entlassen. Er hat nur eine leichte Gehirnerschütterung. Ich habe es als Unfall angegeben, aber wenn Mitchie wiederkommt und den da anzeigen will" - er deutete mit einer unwirschen Kopfbewegung auf Thokala-gleschka - „dann kann ich nichts machen."
Ich nickte, erst einmal erleichtert. Wenn er direkt die Polizei eingeschaltet hätte, wären wir in riesige Schwierigkeiten geraten. Während ich die Neuigkeit an Ohitika und Thokala weitergab, ließ Randall sich in einen Sessel fallen. Er wischte sich mit einem karierten Stofftaschentuch, das er tatsächlich aus seiner Westentasche zog wie die Cowboys aus alten Zeiten, die Stirn ab und fixierte uns dann mit seinem Blick.
„Also, jetzt noch einmal von vorn. Du willst mir also weismachen, diese beiden da sprechen kein Englisch und haben noch nie etwas von Buffalo Bill gehört?"
„Ja. Ohitika versteht nur bruchstückhaft Englisch und Thokala überhaupt nicht."
„Ach, und wo bitte schön kommen sie her? Hinterm Mond?"
Ich hatte Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie ich es erklären sollte, und mir war nur eine einzige Lösung eingefallen.
„Sie sind in einer sehr abgelegenen Gegend aufgewachsen. Ihre Eltern gehören zu den wenigen Lakota, die auf eine traditionelle Erziehung Wert legen und ihren Kindern kein Englisch beibringen wollten. Sie haben ihre Söhne nie auf eine weiße Schule geschickt und sie nur zu Hause unterrichtet." Ich wusste, dass Home Schooling in den USA legal war, und konnte nur hoffen, dass das auch für die Ureinwohner galt.
DU LIEST GERADE
Plötzlich Indianer - Teil 2
Historical FictionMarie hat ihr Glück bei den Lakota an der Seite von Ohitika gefunden. Doch das Schicksal hat andere Pläne: Ein dramatisches Ereignis erschüttert ihre Welt und zwingt sie zu einer gefährlichen Reise. Gemeinsam mit Ohitika und dessen Rivalen Thokala b...