Kapitel 2

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Das Sommerlager unseres Dorfs lag dieses Jahr in einem breiten Flusstal in den südöstlichen Ausläufern der Black Hills. Als wir ankamen, war ich erleichtert, zu sehen, dass es Wihinapa gut ging. Sie strahlte wie eh und je, während sie mir dabei half, die Jagdbeute von unseren Pferden abzuladen. Man sah ihr noch nicht an, dass sie ein Kind erwartete. Es würde sicher schön werden, wenn es erst auf der Welt war. Vielleicht könnte ich darauf aufpassen, wenn Wihinapa mal eine Pause brauchte ...

„Wie war euer Honigmond?", fragte Wihinapa mit einem schelmischen Glitzern in den Augen.

Ich hatte ihr erzählt, dass die Weißen eine spezielle Bezeichnung für die Zeit nach der Hochzeit hatten, wenn das frisch verheiratete Paar gemeinsam einen Ausflug unternahm: die Flitterwochen, oder — auf Englisch — Honeymoon. Wihinapa fand die Bezeichnung so passend, dass sie es in ihre Sprache adoptiert hatte. Honigmond, der süße Monat.

„Wunderschön", gab ich zu und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, während ich eines der Fleischpakete aufschlug.

„Ihr seid früher zurück, als ich dachte."

„Ja, wir haben euch vermisst", erwiderte ich möglichst beiläufig. Den aufrüttelnden Traum von Ohitika wollte ich ihr gegenüber nicht erwähnen. Wozu sie unnötig in Sorge versetzen?

Wir begannen, das Fleisch zu zerteilen, um es für die Lagerung vorzubereiten.

„Wo ist dein Mann?", wechselte ich das Thema.

„Er ist mit vielen anderen Männern des Dorfs auf Kriegspfad gegen die Crow gezogen. Es gab in letzter Zeit einige Fälle, in denen Crow-Krieger sich in unser Gebiet vorgewagt und Pferde geraubt haben. Sie wollen ihnen eine Lektion erteilen."

Ich seufzte tief. Dieses ewige Kriegsführen. Eine Partei raubte von der anderen und dann nahm die andere Partei Rache ... ein endloser Teufelskreis. Und das, obwohl die Lakota doch momentan all ihre Kapazitäten dazu brauchten, sich vor einer viel größeren Bedrohung zu schützen.

„Möchtest du heute Nacht bei uns im Zelt schlafen?", fragte ich Wihinapa. Ich wusste, dass sie sich einsam fühlte, wenn Sihahanska weg war.

„Ich möchte euch nicht zur Last fallen."

Ich schüttelte den Kopf und lächelte. „Ich würde mich freuen, dich bei uns zu Gast zu haben."


Abends, nach dem Essen, saß Ohitika am Feuer und starrte in die Flammen. Eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen zeigte, dass er über irgendetwas grübelte. Wihinapa hatte sich in den Zelthintergrund zurückgezogen und arbeitete an einer Babytrage aus Weidengeflecht. Ihr Gesicht war dabei so verträumt, als würde sie sich bereits vorstellen, wie sie ihr Kind in den Armen hielt.

„Was ist?", fragte ich Ohitika.

Er wandte mir ruckartig den Kopf zu. Ob er immer noch an seinen Traum dachte? Hatte er inzwischen mit Tatanka Wakon gesprochen? In Wihinapas Gegenwart konnte ich ihn nicht danach fragen.

„Es gefällt mir nicht", begann er, „dass die meisten unserer Krieger ausgezogen sind. Jetzt befinden sich hauptsächlich Frauen, Kinder und alte Männer im Dorf."

„Aber wir sind doch hier in Sicherheit, oder?", fragte ich.

„Bis jetzt deutet nichts auf eine Bedrohung hin", erwiderte er, doch ich merkte, dass er trotz allem beunruhigt war.

Er erhob sich in einer fließenden Bewegung, um seine Waffen aus dem Zelthintergrund zu holen. Ich beobachtete mit einem flauen Gefühl im Magen, wie er Pfeile und Bogen, Speer und Steinkeule neben seinem Lager ordnete. Das Messer behielt er direkt am Körper, in der Scheide an seinem Gürtel. Wihinapa und ich tauschten einen Blick. In ihren Augen las ich die gleiche Besorgnis, die ich fühlte.

Plötzlich Indianer - Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt