Regentropfen prasselten gegen die verdreckten Fensterscheiben des Landhauses. Der Ort schien von der ersten Sekunde etwas Mysteriöses an sich zu haben. Fern abgelegen von der Zivilisation stand die Holzhütte mitten im Wald, umgeben von dunklen Tannen und dichtem Gebüsch. Ein gruseliger Ort, wenn man bedachte, dass es der einunddreißigste Oktober war und somit Halloween gefeiert wurde. Auch die vier Jungs im Innern der Hütte feierten. Sie hatten schon nachmittags mit dem Trinken angefangen und seither nicht mehr aufgehört. Der Regen verstärkte sich mit der Idee eines der vier, ein Spiel zu spielen. Ohne nachzudenken stimmten die anderen zu.
Gereon David hatte nicht daran gedacht, dass es gefährlich sein würde. Dass die Dinge aus dem Buch wirklich geschehen würden. Und, dass er mit seiner folgenden Tat, ihr aller Leben verspielen würde, wie Geld in einem Kasino. Sie alle hatten eher weniger große Gedanken über die Zukunft gehegt. Es war wohl offensichtlich, dass Nathan etwas Anspruchsvolles studieren würde und Gereon seine Karriere als Basketballspieler perfektionieren würde. Vielleicht würde er mit Travis Roul auf eine Sportuniversität gehen, wobei dieser sich auch der Musik widmen könnte. Vielleicht würde seine Band »The Lightning« ja irgendwann den Durchbruch schaffen und auf Welttournee gehen, zumindest war es das, was Travis träumte. Jules Vinter würde etwas soziales Ausüben, bei dem man nicht sehr viel tun müsste, denn seit er es geschafft hatte, eine Klasse zu überspringen, arbeitete er beinahe gar nicht mehr. Wofür denn auch? Schließlich hatte er es in die Gruppe der beliebtesten Jungs der Schule geschafft. Und das trotz seines ehemaligen Rufs als Streber. Eine Tatsache, die er bis heute noch nicht nachvollziehen oder glauben konnte. Wahrscheinlich wäre es besser für ihn gewesen, sich von diesen Jungs fernzuhalten. Nicht, dass sie gefährlich wären. Nicht, dass sie es gewesen waren. Man konnte auch nicht sagen, dass es die schlechtesten Freunde waren, die man haben könnte. Recht arrogant, aber damit kam Jules klar.
Sie waren nicht bekannt für lebensverändernde Taten. So etwas wie an diesem Tag hätten sie niemals getan. Das hatten sie gedacht. Und dennoch hinderte sie niemand daran, das alte Buch aus dem Regal zu ziehen, von dem Gereon gesprochen hatte.
Es war alt und verstaubt, wie alles hier. Von Hand geschrieben und mit rotem Wachs befleckt. Nachdem sie die Möbel des sperrlich eingerichteten Wohnzimmers zur Seite geschoben hatten, stellten sie eine rote Kerze in die Mitte des Sitzkreises. Das Spiel begann harmlos. Zunächst mussten sie nur einige Fragen beantworten, doch der Spaß daran würde ihnen vergehen, sobald das Ritual vollendet wäre.
Der Regen wurde mit jedem gesprochenen Wort stärker. Der Donner ließ die Erde beben und der Himmel war durch die Blitze tageshell. Aber all dies bemerkten sie nicht, konzentrierten sich nur auf dieses Spiel, das ihrer aller Tod werden sollte. Und die Ignoranz war ihr erster Fehler.
Nachdem sie auf alles geantwortet hatten, kamen sie zu einem Punkt, in dem ihre Worte mit Blut besiegelt werden sollten. Nathan, der einzige von ihnen, der von Anfang an gegen das Spiel gewesen war und wohl zu wenig getrunken hatte um daran zu glauben, zweifelte wirklich an ihren Taten. Sie hätten es nicht tun dürfen, das wusste er als Einziger. Sie hätten sich nicht auf dieses Spiel mit dem Dämon der Gewitterstürme einlassen dürfen. Die Spielregeln hatten sie nicht mal überflogen. Und auch das bereitete Nathan Kopfschmerzen. Das und der Alkohol, der seine weiteren Gedanken benebelte.
Ein stumpfes Küchenmesser reichte aus, um ihre Handflächen aufzuritzen, sodass dunkles Blut herauslief. Sie ließen es in ein Glas tropfen, das später mit Wein aufgegossen wurde. Das Lachen noch nicht eingestellt, flüsterten sie die Worte, die auf den vergilbten Seiten des staubigen Buches geschrieben standen. Jeder wagte, einen großen Schluck des Gemischs zu nehmen. Der metallische Geschmack war nicht zu leugnen, doch keiner von ihnen verzog das Gesicht. Nachdem auch der letzte von ihnen, Jules Vinter, ausgetrunken hatte, schlug ein Blitz in die Mitte ihres Kreises ein und setzte das Buch in Brand.
Der Donner hörte nicht auf, das Dach hielt dem Regen nicht mehr Stand und stürzte ein. Die Jungs blickten nach oben in den freien Himmel und sahen, wie dort vier Blitze in bunten Farben glänzten. Bevor sie auch nur ausweichen konnten, schossen sie auf sie herab und hüllten die Jungs in elektrische Blasen ein. Jeder von ihnen hatte eine andere Farbe. Eine andere Bestimmung. Eine andere Fähigkeit. Ein anderes Schicksal. Ein Schicksal, das sich durch dieses Spiel geändert hatte. Fähigkeiten, die sie sich gewünscht hatten, ohne an ihre Erfüllung zu denken. Eine Bestimmung, die Leben oder Tod entschied. Und eine Farbe, die ihren Charakter widerspiegelte. Sie wurden geblendet. Schrien unter den Qualen, die die Blitze in sie hineinbrannten. Der Geruch von verschmorter Haut lag in der Luft. Ein schrecklicher Geruch. Weitere Blitze schossen auf sie herab. Hüllten sie ein in Macht, die nun ihnen gehörte. Und während sich ihr Leben komplett änderte, blickte von oben eine schwarze Gestalt aus einer dunklen Wolke herunter und lachte in einem Ton, der Ohren zum absterben zwang.
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Obscureness - Branded Player
ParanormalDer Pakt mit einem Dämon, ein Fluch, der auf Naivität basiert, die Angst um das Leben derer die sie lieben und eine Unschuldige, die in all das nicht zu passen scheint. Das sind die Dinge, die fortan Lissas Dasein bestimmen sollen. Ein plötzlicher...