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Ger warf mir seinen blauen Pulli zu, den er auf der Couch liegen hatte und ich zog ihn unter drängenden Blicken über. Blicke, die seine Tränen nicht mehr lange zurückhalten konnten. Ich hatte darauf bestanden, dass er mir zuerst sagte, was los war. Ich wollte wissen, warum er so aufgelöst war. Aber er hatte nur sinnlose Worte gestammelt. Wortfetzen, aus denen ich nichts schließen konnte. Ich hoffte, dass sich was auch immer es war, bald klären würde. Ich war gerade erst aus diesem »Traum« aufgewacht, bei dem ich beinahe gestorben wäre. Aber die jetzige Sache schien erst zu sein. Erstens, weil Ger sich nie durch etwas aus der Fassung bringen ließ und nichts seine harte Schale durchdringen konnte und Zweitens, weil etwas mit mir nicht stimmte. Meinem Kopf fehlte etwas. Immer, wenn ich mich an den Traum zurückerinnern wollte, begannen unbeschreiblich starke Kopfschmerzen, die schwarze Leere an Informationen über die letzten Stunden zu füllen.

Ger packte mich am Handgelenk und Zog mich in Sekundenschnelle auf seinen Rücken. Er nutze seine Kräfte. In meiner Anwesenheit. Irgendetwas stimmte hier gewaltig nicht. Er rannte nach draußen und sprintete durch die Gänge des Krankenhauses. Meine Haare peitschten in mein Gesicht und meine nackten Füße waren eiskalt durch den Wind, den er bei seinen Bewegungen aufwirbelte. Als er in einem Raum die Tür aus den Angeln riss und sie einfach in eine Ecke warf, setzte er mich ab. Zimos Blick war verwundert. Verwundert, mich überhaupt schon hier zu sehen, wo ich doch einige Stunden an den Geräten hängen sollte.

Ich drehte mich zu Ger um, damit er es ihm erklärte und zuckte zusammen, als ich ihm in die Augen sah. Diese schwarzen Augäpfel und die stechend grünen Pupillen. Ich würde mich wohl niemals daran gewöhnen.

»Was hast du mit ihr gemacht? «, fing Ger an, seine Stimme klang weinerlich. Zimo stellte ein Reagenzglas auf einen Tisch und kam näher zu uns. Bei Zimos ratlosem Blick schluchzte Ger. Er holte tief Luft und fuhr sich mit seinen Händen übers Gesicht. Ich war sicher, dass er weinen würde. Obwohl ich mir gar nicht ausmalen wollte, wie schlimm die Situation war, wenn Gereon David Grund zum Weinen hatte.

Seine nächsten Worte allerdings, waren mit so viel Kraft und Nachdruck, dass ich dachte, sie kämen von einer anderen Person. »Sie weiß nicht mehr, wer Travis ist.«

Der Kloß in meinem Hals vergrößerte sich mit jedem Blick, den Ger und Zimo tauschten. Wenige Minuten später saß ich auf einem unbequemen Metallstuhl. Langsam fragte ich mich, wie viele Räume dieses Krankenhaus eigentlich hatte. Die Antwort war, sehr viele.

Die Wände des Raumes waren weiß gestrichen, so wie auch der Boden und das Inventar. Das einzig farbige an der Einrichtung war eine Maschine, die vor mir auf dem Tisch stand. Ich vergrub meine Nase in Gereons Pulli. Er roch gut. Nach Herbst. Ich liebte den Herbst.

Mit zittrigen Fingern befestigten Ger und Zimo kleine weiße Plättchen an meinem Kopf. Jedes mal zuckte ich unter ihrer Berührung zusammen. Und jedes Mal schreckten sie hoch. Ich konnte ihre Herzen hören. Sogar die von Nathan und Jules, die nun in den Raum gegenüber hereingestürmt kamen. Ich hörte nichts mehr außer ein Piepsen. Ich sah Nathan durch die Fensterscheibe, die die beiden Räume miteinander verband. Seine Lippen bebten, als er zu dem Glas hinging und seine Hände dagegen drückte. Seine Augen waren weit aufgerissen. »Lasst mich rein«, hörten wir das dumpfe Klopfen, mit dem er gegen die Fensterschreibe schlug. Zimo hob den Blick und sah Nathan lange an. Dessen Schultern bebten mit jedem hektischen Atemzug, den er tätigte. Ich wollte aufstehen. Zu ihm hingehen oder wenigstens seine Hand durch die Scheibe berühren, so wie sie es in Filmen immer taten, bevor alles wieder gut wurde. Und ich wollte, dass alles wieder gut wurde.

Doch all meine Hoffnung wurde durch ein einfaches Kopfschütteln von Zimo zu Nichte gemacht. Ich ließ die Schultern sinken und sah Nathan an. »Ich liebe dich«, formte ich tonlos mit den Lippen. Nathan blinzelte. »Ich dich mehr«, hörte ich ihn flüstern. Dann befestigten sie das letzte Plättchen an meinem Kopf. »Kannst du mich hören?«, fragte Zimo durch einen Lautsprecher aus dem anderen Raum. Ich konnte mein Spiegelbild in der Scheibe sehen. Ich sah abgemagert aus. Wann hatte ich eigentlich zuletzt etwas wirklich Nahrhaftes gegessen? Ich spürte, wie ich nickte und Zimo fuhr fort. »Ich werde dir jetzt verschiedene Dinge sagen und mir ansehen, was sie in deinem Kopf auslösen. Wenn dies nichts bringt, wird Nathan zu dir reinkommen und seine Kräfte benutzen. Wir versuchen dies aber zu verhindern, weil er sie nicht kontrollieren kann und wir nicht genau wissen, was für Schäden dadurch angerichtet werden können.« Ich schluckte, nickte aber wieder. Ich konnte ihre Blicke spüren ohne hinzusehen. Sie alle standen hinter dem Fenster und sahen mich an. Nathan, Ger, Jules und Zimo. Sie alle würden nun in meinen Kopf sehen können. Und allein der Gedanke daran ließ mich überlegen, all das einfach abzubrechen.

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