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Ich wachte auf dem Boden der Arena auf. Spürte Wunden, die nicht heilten, an meinem gesamten Körper. Ich fühlte mich unglaublich schlapp. Benutzt. Ausgelaugt. Am Ende meiner Kräfte. Eine Blutlache befand sich unter mir, ausgehend von meinem Bauch, in dem der silberne Dolch steckte. Der Dolch, der uns allen Hoffnung gegeben hatte. Ohne lange nachzudenken, zog ich ihn aus meiner Seite heraus. Klirrend fiel er zu Boden. Es war das einzige Geräusch, das zu vernehmen war. Von meinen unregelmäßigen Atemzügen abgesehen.

Ich sah mich um. Die Fackeln brannten noch immer. Und weil meine Wunden nicht heilten konnte ich hoffen, dass wir es geschafft hatten. Langsam rappelte ich mich auf. Niemand war zu sehen. Ich versuchte angestrengt, mich an die letzten Taten zu erinnern. Nichts. Das letzte, was ich wusste war, dass ich auf der Loge gestanden hatte und Gereon und Nathan zu kämpfen begonnen hatten. Was bedeutete das?

Warum war niemand hier? Hatten sie gewonnen? War ich selbst in den Ring gegangen, um das ganze zu beenden? Aber sie hätten mich nicht zurückgelassen. Angst erfasste mich. Ich spürte, wie sich ein heftiger Kloß in meinem Hals festigte.

»Lissa«, hörte ich ein erschrecktes Keuchen hinter mir. Sofort drehte ich mich um, die Schmerzen waren nicht auszuhalten. Als ich ihn sah, sackte ich vor Freude auf die Knie.

»Travis«, flüsterte ich leise und ließ die Tränen in Strömen über meine Wangen fließen. Travis atmete auf. Dann lief er zu mir und umarmte mich. Ich konnte fühlen, wie auch er weinte. Nach einer viel zu kurzen Zeit ließ er mich wieder los. »Was machst du hier«, fragte ich und lächelte unter Tränen. Ich konnte es nicht fassen, ihn hier zu sehen. Wir hatten es geschafft!

Travis' Lächeln nahm etwas ab. »Was machst du hier?«, stellte er die Gegenfrage zurück. Ich runzelte leicht die Stirn. »Ich weiß nicht. Wir haben gekämpft oder so«, überlegte ich und rieb mir den Kopf. Mein T-Shirt war blutgetränkt, das fiel Travis erst jetzt auf. »Och Lissa«, flüsterte er und streichelte über meine Wange. Ich fiel ihm erneut um den Hals. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast«, sagte er ganz leise. Ich nickte kaum merklich. Dann stand er auf und stützte mich. »Ich weiß, das ist jetzt verwirrend für dich, aber so wie es aussieht... bist du tot«, sagte er vorsichtig. Ich stutzte. »Oder zumindest zwischen Leben und Tod.« »Was?« Er nickte leicht. »Du bist hier. Du hast unnatürlich viel Blut verloren. Die anderen sind nicht hier.« Mein Kopf brummte und ich schwankte leicht, sodass Travis seine Arme m meine Hüfte legte. »I-Ich bin tot?«, wiederholte ich leise seine Worte. »Vielleicht nicht richtig.« Eine Millionen Fragen schossen durch meinen Kopf. Und daraus katalogisierte sich eine Aussage: Ich darf nicht tot sein!
Travis seufzte leise.

»Wenn du etwas liebst, musst du es loslassen«, sagte er. Fragend sah ich ihn an. »Lass mich zurück«, wiederholte er etwas einleuchtender. Meine Unterlippe bebte. »Ich kann nicht«, flüsterte ich. »Ich kann einfach nicht ohne dich leben. Es macht mich kaputt, nicht bei dir sein zu können.« Ich senkte meinen Kopf. »Es wird besser«, sagte er leise. »Ich kann dich manchmal sehen.« Er lächelte traurig und eine Träne fiel aus seinem Auge. »Ich kann euch alle sehen.« Ohne, dass er es verhindern konnte, strömten Tränen über seine Wangen. »Ich kann sehen, wie ihr lacht. Wie viel Spaß ihr habt. Ich weiß, dass ihr es auch ohne mich schafft.« Ich schüttelte wild den Kopf. »Nein«, flüsterte ich. »Ich kann es nicht.« Er holte zittrig Luft und blickte nach oben. »Ich brauche dich«, sagte ich.

»Du kannst dir nicht vorstellen wie froh ich unter anderen Umständen gewesen wäre, das von dir zu hören.« Er lächelte. Ich schluchzte auf. »Du schaffst das. Du schaffst alles, was du willst. Du bist unglaublich stark, Lissa. Wichtiger als du denkst. Du darfst niemals aufgeben.« Ich biss mir auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen. »Du musst gehen, solange dein Körper noch warm ist«, sagte er plötzlich und wischte sich mit den Händen übers Gesicht. »Ich will nicht. Ich will nicht ohne dich zurück.« »Ich kann nicht mehr zurück. Und ich werde nicht zulassen, dass du dein Leben für mich wegwirfst. Ich kann dich ihm nicht einfach wegnehmen.« Ich weinte.

»Sie vermissen dich«, sagte ich. »Sie alle vermissen dich.« Ich nickte leicht als er erneut schluchzte. »Bei dir Zuhause läuft nichts mehr so richtig. Raffalin...« Ich brach ab. Ich wollte ihm nicht erzählen, was alles schlecht war. Ich wollte ihm den Tod nicht noch schwerer machen als er ohnehin schon war. »Du musst gehen«, sagte er nochmal leise. Ich schlang meine Arme um ihn. Nickte langsam.

Dann stellte ich mich wieder vor ihn. »Ich liebe dich, Travis Roul«, sagte ich und konnte noch sehen, wie er lächelte. Dieses breite Lächeln, das ich wohl am meisten vermisst hatte. Seine Berührungen. Die Art, wie er sprach. Ihn sehen zu können war alles, was ich mir gewünscht hatte. Aber ich musste gehen. Ich musste all das hinter mir lassen. Lass ihn los, wenn du ihn liebst. Die Umrisse des Vulkangesteins verschwammen vor meinen Augen, ebenso wie Travis. Ganz langsam wurde alles weiß. Viel zu hell. Schnell wischte ich über mein Gesicht. Die Tränen weg. Um meine Hüfte spürte ich noch immer seine Arme. Seinen Hals an meinem Kopf.

Und dann schnappte ich nach Luft.


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