»Er will die Bohlama-Inseln als Stufenfahrtsziel vorschlagen«, sagte Travis, als ich in der Schule ankam. Nathan wollte, dass so wenig wie möglich von uns beiden wussten. Dann war es leichter. Auch wenn ich nicht verstand, warum wir nicht zusammen zur Schule gebracht werden konnten. Schließlich wohnten wir ja in einem Haus. Aber Nathan war Feuer und Flamme für sein Motorrad, mit dem Richard ihn davon überzeugt hatte, diese neue Familie zu akzeptieren. Ich fand es schrecklich, dass diese Leute glaubten, man könnte alles mit Geld regeln.
Ich runzelte die Stirn. »Das wird er niemals durchbekommen.« Travis grinste böse und deutete mit seinen Händen auf sich. Ich lächelte und verdrehte die Augen. »Was macht ihr bloß, wenn der Fluch gebrochen ist und ihr keine Kräfte mehr habt?« Travis' Grinsen verwandelte sich in ein breites Lächeln. »Solange dies noch nicht passiert ist, müssen wir es ja ausnutzen.« Ich nickte lachend. Dann versuchte ich, meinen Spind zu öffnen, doch er klemmte. Ich riss an der Tür, aber bekam sie nicht auf. Travis sah das als ultimative Chance um mir irgendwas zu beweisen. Wahrscheinlich auch, weil Nathan nicht da war. Ich wusste von Ger, dass die beiden beste Freunde gewesen waren. Und ich fand es schrecklich, dass ich das kaputt gemacht hatte.
Travis lächelte selbstüberzeugt und schob mich zur Seite. Dann zerrte er an meiner Schließfachtür und hielt sie plötzlich in den Händen. Er hatte die Tür aus den Angeln gerissen. Erschrocken über sich selbst wechselte sein Blick zwischen Tür und Schließfach, dann sah er zu mir. Auch ich war geschockt. Und plötzlich breitete sich etwas über seinen Augäpfeln aus. »Deine Augen«, flüsterte ich. Seine tiefschwarzen Pupillen waren verschwunden. Stattdessen glitzerte dort ein hellblauer Sichelmond. Ich blinzelte und hoffte, es wäre Einbildung. Aber noch immer war alles an seinen Augäpfeln schwarz und als Pupille existierte diese saphirblaue Mondsichel. Ich nahm ihm die Spindtür aus der Hand und zog ihn in einen nebenliegenden Chemieraum. Seine Stirn war in Falten gelegt und sein Mund stand auf. »Ich, ich sehe dich viel genauer als vorher.« Ich runzelte die Stirn. Was für eine Ironie. Es sah aus, als hätte er bemalte Plättchen über seine Augen gelegt. »Es ist... Wie eine Lupe, wenn ich das möchte. Als wäre ich ein Roboter oder so!« Er streckte die Hände aus und tastete meine Schultern ab. »Ich kann sogar die Fasern deines T-Shirts sehen.« Er zuckte einen Schritt zurück und stoß dabei gegen das Lehrerpult. Dieses schlitterte als sei es federleicht gegen die Tafel, die durch den Schwung von der Wand abfiel. Schweratmend betrachtete Travis sein Werk. Er nahm sich ein Stück Kreide, die auf dem Boden lag und lief ans andere Ende des Raumes. Dann holte er mit aller Kraft aus und schleuderte das weiße Stückchen gegen die bereits eingestürzte Tafel. Beim Aufprall bohrte sie wie eine Pistolenkugel ein Einschlagloch in das grüne Holz. »Was passiert mit mir?« Es war ein verzweifelter Schrei. Ich kam mir mehr als hilflos vor. Mit einem Jungen, der genauso gut der Terminator sein könnte, in einem Raum und ich selbst konnte gerademal zwei Bierkästen halten. Ich atmete tief durch. »Beruhige dich«, sagte ich zu Travis, aber er war sichtlich angespannt. Er hatte Angst. Angst vor sich selbst.
»Bleib weg von mir!«, brüllte er warnend. Er fuhr sich keuchend durch seine kurzgeschorenen schwarzen Haare. Ich ging noch einen Schritt näher zu ihm. »Es ist ok. Du kannst es kontrollieren.« Ich hatte keine Ahnung, wovon ich redete, aber es schien zu wirken. Sein Atem beruhigte sich etwas. »Ich kann dein Herz schlagen hören«, meinte er. »Ich höre, wie viel Angst du hast.« Das war jetzt mehr als beängstigend. »Irgendetwas stimmt nicht mit mir«, flüsterte Travis leise. In jeder anderen Situation hätte ich vermutlich einen blöden Spruch gelassen wie »Ach echt?« aber jetzt ging das nicht. Diese Sache hier war ernst. »Warum funktionieren deine Kräfte in meiner Anwesenheit?«, überlegte ich laut. »Keine Ahnung.« Travis rieb sich mit seiner Hand übers Gesicht. »Aber das sind nicht meine Kräfte«, meinte er. »Ich kann Gedanken lesen und manipulieren. Nicht mehr und nicht weniger.« Ich schüttelte den Kopf. »Was, wenn der Dämon dir zeigt, welche Macht du bekommen kannst, falls du den Fluch bestehen lässt und ihm stattdessen gibst, was er will. Wenn es ein Vorgeschmack auf das ist, was kommen kann.« Als wäre es eine Antwort des Dämons persönlich, zuckte ein Blitz über den Wolkenverhangenen Himmel. Travis schrie schmerzverzerrt auf. Er hielt sich den Kopf, als würde er ein hohes Piepsen hören, das nur für seine Ohren bestimmt war. Schnell rannte ich zu ihm. »Travis, was ist los?« Nun kniete er am Boden und ich kam zu ihm runter. Seine Augen waren zusammengekniffen, sein ganzer Körper angespannt. »Ich, aahh...« Wieder ein Schrei. »Es sind zu viele...«, brachte Travis raus. Er kniff die Augen noch stärker zusammen und baute solch einen Druck auf seinen Kopf aus, dass ich befürchtete, er würde ihn zerbrechen. »So viele Stimmen...« Ich runzelte die Stirn. »Hör nicht hin«, sagte ich leise. Er schüttelte den Kopf. »Ich...kann...nicht.« Ich holte zittrig Luft. »Mit genügend Training kann Lissa eure Kräfte absorbieren«, schossen mir Zimos Worte durch den Kopf. Ich verzog das Gesicht zu einer hilflosen Grimasse. Dann atmete ich durch und blendete Travis' Schmerzensschreie aus. Ich vergaß die Dinge, die er zerstört hatte. Dachte nicht daran, was er mir antun könnte, indem er mich nur berührte. Alles, worauf ich mich konzentrierte, war die leise Stimme in meinem Kopf, die mir Mut zusprach. Ich konnte es schaffen. Selbst ohne Training. »Sei stark, Lissa«, das hatte Ger bei unserer ersten Begegnung auf der Party gesagt. Schon ironisch, dass ich ausgerechnet jetzt daran denken musste. Aber es machte mich stark. Es musste mich einfach stark machen. Vier Jungs hatten mir ihr Leben anvertraut und ich musste ihnen helfen. Ich musste dafür sorgen, dass sie es schafften.
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Obscureness - Branded Player
ParanormalDer Pakt mit einem Dämon, ein Fluch, der auf Naivität basiert, die Angst um das Leben derer die sie lieben und eine Unschuldige, die in all das nicht zu passen scheint. Das sind die Dinge, die fortan Lissas Dasein bestimmen sollen. Ein plötzlicher...