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Die ganzen Jahre hatte nie jemand großes Interesse gezeigt und plötzlich kam dieser Typ und wollte von mir Infos zu meinem Leben und zu meiner Zukunft?

«Ist doch egal. »«Egal? Tatsächlich?»

Herr Kim kroch mir, ohne sich auch nur ein klein wenig zu bewegen, mit seinem durchdringenden Blick direkt in meinen Kopf. Scheinbar mühelos überwand er meinen seit vielen Jahren aufgebauten Schutzwall.

«Egal ist eine Antwort für Loser.

«Egal. Dann bin ich eben ein Loser.»

«Bist Du nicht. Und das weisst Du auch! Was hast Du nach dem Abi vor?» «Studieren!»

«Aha! Was denn?»

«Verhörtechnik», schoss es scharf aus mir hervor. Schärfer, als ich es
eigentlich gemeint hatte, aber dieser Kim mit seiner lässigen coolen Art und Weise, wie er vor mir stand und mich so ruhig und unerträglich gelassen ansah, zerlöcherte meinen jahrelang gehegten und aufgebauten Sicherheitskokon mit seinen Fragen. Wie ein Erstklässler trat ich plötzlich von einem Bein aufs andere. Und ich merkte, dass dieser Mann mich intensiver und durchdringender betrachtete, als alle anderen Menschen in meinem bisherigen Leben.

«Entschuldige, Jungkook. Tut mir leid, ich wollte Dir nicht zu nahe treten. Ich hatte mich nur vertraut gemacht, mit den Akten über jeden meiner Schüler und da waren bei Dir diese Dinge, wie z.B. mit der Leichtathletik, vermerkt. Ausserdem steht fest, was für ein ausgezeichneter Schüler Du bist. Da wundere ich mich nur ein klein wenig über Deine generelle Verschlossenheit im Unterricht, Deinen Klassenkameraden gegenüber und auch hier.»

Er trat einen Schritt zurück, nahm die Hände aus den Jackentaschen, hob sie verteidigend und lächelte mich nochmals offen und freundlich an. Mit dieser vollen Unterlippe und seinen nahezu perfekten Zähnen. Dann zog er eine Visitenkarte aus der Innentasche und reichte sie mir.

«Okay! Solltest Du Lust bekommen, doch mal mit jemandem zu reden. Probier's mit mir. Ich kann nicht nur gut verhören. Ich bin noch viel besser beim Zuhören. Also, nochmals: Entschuldige die Störung.»

Ein letztes Mal lächelte er zwinkernd. Damit drehte er sich um und ging in Richtung des kleinen Teiches, der auf dem Schulhof eingelassen war. Wie selbstverständlich, als ob er die Wärme der Sonne geniessen wolle, zog er dabei seine Jacke aus und ich konnte nicht umhin, seinen breiten trainierten Rücken in dem engen weißen T-Shirt und seinen perfekt gerundeten Hintern in der Jeans zu bemerken. Ich war auch nicht der Einzige. Mehrere Mädchen auf dem Schulhof starrten Herrn Kim ganz offensichtlich hinterher. Sogar die meisten der Jungs warfen ihm teils misstrauische teils neidische Blicke zu. Kein anderer Lehrer hatte während meiner Schullaufbahn, meines Wissens nach, je so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dann setzte Herr Kim sich auf den Betonrand des künstlichen Teiches und streckte sein Gesicht und seinen Oberkörper wie zum Sonnenbaden aus. Neben mir entfuhr Mie, einer Mitschülerin, zu ihrer Freundin: «Scheisse, der ist ja ganz schön scharf für sein Alter, oder? Hast Du eine Ahnung, wie alt genau der ist und wo der eigentlich herkommt?» Und dann machte sie rasch und heimlich ein paar Fotos von ihm mit ihrem schicken neuen Smartphone.

maverick - taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt