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Der nächste Morgen begann schleppend und zäh. Schon das Aufstehen fiel mir bemerkenswert schwer. Von innerer Unruhe und meinen aufgewühlten Gedanken hin und her geworfen, war ich im Laufe der Nacht noch zweimal erwacht. Zweimal mit einer Mords-Erektion. So steif, dass ich kaum pinkeln gehen konnte, obwohl meine Blase fast am zerplatzen war. Ich musste mir tatsächlich minutenlang die ungeilsten Gedanken machen, zu denen ich überhaupt fähig war.

Junge mit meiner Sozialarbeiterin, der verhärmten alten Schreckschraube. Oder mit unserem Verkehrsminister. Würg...Endlich schlaffte mein Schwanz ab.

Statt wie üblich morgens wenigstens kurz mit meinen Mitbewohnern gemeinsam Kaffee zu trinken und eventuell sogar zu frühstücken, besetzte ich ungewöhnlich lange und als erster unser Badezimmer. Duschte mich ausgiebig. Rasierte mich zur Abwechslung mal wieder richtig sauber. Aber ich hatte nur diese billigen Einmal-Rasierklingen und damit liess sich am besten der Gesichtsbehaarungs- Kahlschlag gestalten und sonst nichts.

Ausserdem ärgerte ich mich, dass ich seit mindestens drei Monaten nicht mehr beim Friseur war. Meine braunen Zotteln hingen mir tief ins Gesicht hinein und liessen sich auch mit einer Überdosis Gel nicht mehr als modisches Styling verkaufen. Am heutigen Tag stand ich offensichtlich mit meinem gesamten Körper und seinem Aussehen auf Kriegsfuss.

In meinem Zimmer durchsuchte ich meinen gesamten Kleiderschrank nach halbwegs heilen und coolen Klamotten. Na ja, das enge weiße T-Shirt vom letzten Jahr und die etwas zu enge Jeans, die mir mein Mitbewohner David überlassen hatte, gingen gerade so noch als lässig verranzt durch. Über die verunglückte Frisur spülte ich eine Beanie und an die Füße kamen die zerlatschten zerrissenen Converse. Noch nie hatte ich mich für die Schule so bewusst gestylt. Bevor ich unsere Wohnung verliess, schaute ich sogar noch kontrollierend in den großen Spiegel im Flur. Die Anspannung, die Erregtheit. Alles das war Neuland für mich. Komplett unbekannt.

In der Schule hing ich im Eingangsbereich bei der Haupttür ab, eigentlich musste ich jetzt nur noch zu wenigen Fächern hingehen. Man hatte es uns eigentlich völlig freigestellt. Einige wenige Mit-Abiturienten, waren tatsächlich die ganze Zeit zum Unterricht erschienen. Und nun wollte ich mich aus völlig anderen Gründen ebenfalls einreihen.

Herr Kim so hatte ich eben erst am schwarzen Brett gelesen, hatte heute Unterricht im Englisch- Leistungskursus und gegen Mittag , na toll, Sport. Ich fluchte innerlich, da ich natürlich keine Trainingsklamotten mitgenommen hatte. Mein überstürztes verwirrtes Aufbrechen am Morgen, zusammen mit meinen vergeblichen Styling-Versuchen, hatten keinen Gedanken zum Stundenplan mehr zugelassen.

Dabei hätte ich Taehyung , wie ich ihn bereits in meinen Gedanken nannte, gerade im Sportunterricht gerne beobachtet. Gerade als ich anfing zu überlegen, ob ich auf den Englisch Kurs nicht verzichten sollte, um stattdessen meine Sporttasche zu holen, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.

«Na, so was! Wenn das nicht der schweigsame Wolf ist? Der "Lonesome Cowboy"!»

Taehyung , beziehungsweise Herr Kim stand neben mir. Ein breites Grinsen im Gesicht. Heute hatte er ein schwarzes Sakko über einem ziemlich tief ausgeschnittenen weißes Shirt an. Dazu eine ebenso enge schwarze Jeans und weiße Sneakers. Der Mann hatte deutlich erkennbar einen ziemlich interessanten Modegeschmack. Ohne dabei übertrieben eitel zu wirken. Kein anderer Lehrer an unserer Schule konnte ihm diesbezüglich das Wasser reichen.

«Na, Herr jeon , womit haben wir denn das Vergnügen Ihrer Anwesenheit verdient? Wollen Sie etwa zu mir? In den Englischkursus? Ihre Arbeit ist bereits durch meine Kollegin bewertet. Da ist alles, soviel darf ich auch verraten, bereits in trockenen Tüchern. Und das wissen Sie doch auch schon längst, oder?»

Eine plötzliche Mundtrockenheit liess meine Antwort weniger selbstbewusst gelingen als mir lieb war. Es klang fast so, als hätte ich mehrere Sprachfehler gleichzeitig.

«Mmmh! K...nar! Fnau Lie ... snie hant nit nir ... anso,... isch weissch nit....«

Herr Kim lächelte wieder. Sehr verständnisvoll. War er eigentlich immer so nett? Zu allen?

«Alles in Ordnung, Jungkook ? Ich wollte Dich jetzt nicht in Verlegenheit bringen? Oder hast Du was mit Deinen Zähnen? Oh, mein Gott. Jetzt verstehe ich. Deswegen bist Du so schweigsam. Verstehe. Ich habe auch sehr lange meine Zahnspange tragen müssen. Aber es hat sich doch gelohnt, oder?»

Ich schüttelte geradezu verzweifelt den Kopf. Jetzt würde mich Herr Kim für völlig bescheuert halten. Verdammt!

«Ich habe noch nie eine Klammer getragen», spuckte ich mit Gewalt die Worte aus. «Mein Mund ist nur so verflucht trocken.»

«Ach so. Klar. Möchtest Du vielleicht was trinken?»

Taehyung, äh, Herr Kim bot mir einen Schluck von seinem Kaffee an, den er anscheinend eben gerade aus dem Automaten gezogen hatte.

maverick - taekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt