Teil VIII

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"Würdest du jetzt endlich mal aufhören hier auf und ab zu tigern, wie ein Idiot und dich endlich mal hinsetzen?" Gabe lag ausgestreckt auf einem der Betten und schob sich genüsslich einen Schokoriegel in den Mund. Sein Blick folgte Sam, der immer wieder quer durch das Zimmer schritt und nachdenklich zu der Wand, die zu Deans Zimmer führte, warf. "Beruhig dich mal, er ist vermutlich duschen gegangen oder zieht sich um. Er wird schon nicht plötzlich durchdrehen und abhauen", sagte er etwas genervt und spielte mit der Schokoriegelverpackung, die silbern im Licht der Sonne aufleuchtete. "Warum kann ich dann das Wasser nicht hören?", fragte er und blieb stehen, nicht sicher, ob er sich nun zu Deans Zimmer oder zu Gabriel wenden sollte, entschied sich aber für Gabe. "Ich dachte, er kommt direkt wieder zu uns", meinte er und verzog die Mundwinkel. Seufzend lehnte sich Gabriel zurück und schüttelte den Kopf. "Setz dich, Großer, und lass ihm etwas Freiraum" Sam setzte sich nur widerwillig auf das andere Bett und richtete den Blick zur Tür. Der Riegel traf ihn völlig unvorbereitet am Kopf und Gabriel grinste. "Pass doch auf, kommt nicht oft vor, dass ich meine Süßigkeiten teile", er zwinkerte ihm zu und Sam sah auf den Riegel, der ihm in den Schoß gefallen war. "Aber du hattest Recht, er hat sich ganz schön verändert", meinte Gabe nach einer Weile des Schweigens. "Nicht, das mir seine dummen Sprüche oder die sarkastischen Bemerkungen fehlen würden, aber er war mal sehr viel lockerer.", er zuckte mit den Schultern.

Dean blinzelte einige Male und kam zurück in die Realität. Seine Augen brannten wieder einmal, es würde nicht viel fehlen und er würde wieder wie ein kleines Kind zusammenbrechen und anfangen seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Der Schmerz kam zurück, die Gewissheit nichts tun zu können und es war grausam das jeden Tag neu erleben zu müssen. Jeden Tag diese Einsamkeit zu spüren, die Leere in seinem Herzen und zu wissen, dass nichts diese Leere jemals wieder füllen können würde. Der Blick auf die Uhr verriet ihm, das er schon wieder eine halbe Stunde einfach vor sich hingestarrt hatte. Schnell sprang er unter die Dusche und ließ das warme Wasser die verkrampften Muskeln lösen. Seine Hände fuhren über sein Gesicht und genoss die warme Flüssigkeit auf seiner Haut. Er trocknete sich ab, zog seine übliche blaue Jeans, das schwarze T-Shirt und ein dunkelblaues Hemd darüber und fuhr sich durch die noch nassen Haare. Mit seinen wenigen Habseligkeiten ging er rüber und öffnete die Tür zu Sam und Gabes Zimmer. "Da bist du ja", sagte Sam und sah zu ihm auf. In seinem Blick lag unglaubliche Erleichterung. "Ich war noch duschen", meinte Dean nur und blieb an die Wand gelehnt stehen, er sah ziemlich verloren aus, trotz des winzigen Raums. "Also, weswegen sind wir eigentlich hier?", fragte Gabriel in die Runde, setzte sich mit Schwung auf und klatschte einmal in die Hände. Erwartungsvoll sah er in Deans ausdrucksloses und Sams etwas enttäuschtes Gesicht. "Ein Vampir", sagte er. "Er treibt in der Stadt anscheinend sein Unwesen, es werden immer wieder Leute vermisst und irgendwann blutleer in der Nähe des Flusses gefunden." "Ein Vampir? Ein einziger?", fragte Dean nun doch überrascht. "Wir sitzen hier in diesem miesen, baufälligen Drecksloch nur um einen Vampir zu killen?" "Was ist daran so schlimm? Es sterben immer noch Menschen, Dean, das sollte dir nicht egal sein."

Richtig, sollte es nicht, dachte Dean, aber dem war so..... Es war ihm egal, dass Menschen starben, er wollte wieder zurück in seine eigene kleine Welt. Zurück zu den Erinnerungen, am liebsten würde er nur noch in den unendlichen Flashbacks leben, wenn sie ihn nur den Schmerz vergessen ließen.

"Es ist dir wirklich egal, oder?", Sam war geschockt, seine Augen verrieten den leisen Zweifel, die Angst, sein Bruder könnte die Frage bejahen. "Ja, Sammy, es ist mir egal! Denn weißt du was? Ich fühle nichts mehr außer meinem eigenen Schmerz! Ich wache jede Nacht auf, herausgerissen aus unglaublichen Alpträumen, aus unendlichen Möglichkeiten wie Cass und Lil gestorben sind! Ich habe jede nur erdenkliche Variante tausende Male in meinen Träumen durchlebt, eine schrecklicher und schmerzhafter als die vorherige und meine Fantasie ist nicht gerade klein wie du weißt!", Dean war wütend, er war frustriert, er wusste, dass es falsch war, alles an seinem kleinen Bruder auszulassen und das er sich Gedanken um das Wohl anderer machen sollte, es aber nicht tat. Alles war verkehrt herum, nichts mehr wie vorher. "Jedes Mal wenn ich für dich nur vor mir herstarre, glaubst du, dass das immer nur glückliche Erinnerungen sind? Sind es nicht! Nicht immer, irgendwann kommt der Moment, wenn sich die Gesichter zu dämonischen Fratzen verziehen, Worte zu Lügen und den schärfsten Messern werden. Du willst wissen wie ich mich fühle? Du willst, dass ich mit dir rede? Ich kann es aber nicht, Sam! Mit jedem Mal, das ich Castiels Namen auch nur ausspreche oder an sie denke, flammt der Schmerz wieder auf. Es brodelt in meiner Brust und jede kleinste Bewegung, jedes noch so kleine Wort ist wie Alkohol das die Flammen nährt und es brennt! Es brennt in meiner Seele, in meinem Kopf und in meinem Herz! Mein ganzer Körper steht unter Flammen. Meine Gedanken drehen sich immer nur um ihren Tod, um die nicht gelebten Tage die sie nicht hatten. Was wäre aus Lillian geworden? Hätte sie etwas mit Tieren gemacht? Hätte sie sich der Jagd angeschlossen, hätte ich das überhaupt zugelassen? Hätte sie ihr restliches Leben damit verbracht anderen Menschen zu helfen, wäre sie Krankenschwester oder sogar Ärztin geworden?! Wann hätte sie wohl geheiratet, selbst Kinder bekommen? Wie wäre ihr Mann, würden wir ihn mögen oder hätte sie sich von uns abgewandt, weil wir ihn nicht leiden konnten? Wären Cass und ich noch immer so glücklich wie am ersten Tag, würden wir immer noch jeden Morgen zusammen aufwachen, dicht in den Armen des anderen und so unbeschwert Lächeln? Kannst du es mir sagen, Sammy? Kannst du mir sagen, was sie wohl noch mit ihren Leben angefangen hätten? Vielleicht wäre ich irgendwann nicht nur Vater gewesen, sondern hätte sogar Enkelkinder gehabt!" Dean schluckte, es war einfach viel zu viel, Tränen liefen seine Wangen hinunter, obwohl er sie jetzt so lange im Zaum hatte halten können. "Jede wache Sekunde denke ich darüber nach, was wohl aus unser aller Leben geworden wäre, doch wenn ich wieder aus diesen Träumen und Alpträumen aufwache, weiß ich, dass ich es niemals erfahren werde! Ich werde nie erfahren, ob mein kleines Mädchen vielleicht eine großartige Chirurgin oder eine liebevolle Mutter geworden wäre, denn sie hat keine Chance ihr Leben zu leben. Sie hatte alles noch vor sich! Sie hätte sich verlieben sollen, hätte die Herzen der Jungs brechen müssen, mit Cass und mir abends Schokolade essen sollen, wenn es ihr schlecht ging und ihren ersten Herzschmerz mit nach Hause bringen sollen. Alles wäre besser gewesen als das hier! Ich hätte ihr unzählige Freunde gewünscht, denen sie sich anvertrauen könnte, wenn sie mit uns Streit hatte oder wir anderer Meinung waren. Sie hätte ein normales Leben haben sollen! Cass hat sein Leben bei den Engeln aufgegeben, nur um mehr Zeit für mich und Lil zu haben. Er hat alle Kontakte abgebrochen und sich mit mir ein Leben aufgebaut. Wir waren so verdammt glücklich, Sammy, und jetzt ist alles weg! Niemand kann mir diese Zeit zurück bringen, niemand kann diese Leere in meinem Herzen füllen. So sehr ich mir das wünsche, aber nicht einmal du kannst diese unendliche Einsamkeit von mir fernhalten. Vielleicht verstehst du überhaupt nicht, was ich meine, du warst nie Vater, aber ich kann dir sagen, das wünsche ich dir auch nicht. Ich wünsche niemandem, dass er dasselbe durchmachen muss wie ich. Niemand sollte sein Kind verlieren, das ist einfach nur grausam.....und wenn ich irgendwann.......irgendwann diesen Dreckskerl erwische, der mir meine Familie genommen hat, dann wird ihm nichtmal Gott helfen können. Er wird sich wünschen in der Hölle gelandet zu sein statt mir in die Hände zu geraten. Er hat mir alles genommen und das werde ich ihn spüren lassen! Ich werd ihm zeigen wie ich mich fühle, wie ich mich in den letzten vier Monaten gefühlt habe. Er wird wissen, wie es sich anfühlt innerlich tausende und abertausende Tode zu sterben! Das schwöre ich, Sammy", sagte Dean und fuhr sich durch die Haare. Er merkte wie er wieder weniger Luft bekam. Panik und Schmerz kämpften um die Oberhand und teilten sich schlussendlich den Gewinn. Dean sackte zusammen, mit dem Rücken rutschte er die Wand hinunter. "Ich habe ihn geliebt!", flüsterte er. "Ich hab sie beide so sehr geliebt! Ich wünschte ich würde überhaupt nichts mehr fühlen, Sammy. Gar nichts....."

Thousand Years - Destiel #SpringAwards18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt