Teil XII

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Sam hatte es nicht einmal bemerkt, er war tief in seinen Unterlagen und Recherchen abgetaucht während er Dean über den Vampir und die verschiedenen Opfer aufklärte. Als Dean endlich aus seiner Trance wieder erwachte, redete Sam immer noch irgendwas über Pläne, die er hatte, wenn sie den Vampir erledigt hatten. "... wenn wir dann einfach noch ein paar Tage von Zuhause wegbleiben?" Sam hob den Blick und Dean sah ihm in die Augen. "Ich weiß, was das werden soll, Sam", sagte Dean und fuhr sich kurz übers Gesicht. Die letzten Worte der Erinnerung hallten noch in seinem Kopf wider und fühlten sich wie kleine Nägel an die durch seine Kopfhaut gedreht wurden und in sein Gehirn eindrangen. "Was meinst du?", Sam schluckte kurz, doch Dean bemerkte es. "Du willst mich von Zuhause fernhalten, damit ich nicht immer erinnert werde oder? An Lillian....", er stockte, "Und an Cass...." Sam sah betreten zu Boden. "Es war nur so....du hast eben glücklicher gewirkt", sagte Sam. "Ich dachte, wenn du dich vielleicht ablenkst, dann....." "Dann würde ich vergessen?", fragte Dean und lächelte traurig. "Ich will nicht vergessen, Sam. Natürlich tut es weh, immer und immer wieder alles zu durchleben, immer zu erwarten, dass meine Tochter aus ihrem Zimmer gelaufen kommt und in meine Arme springt oder das Cass um die Ecke kommt und mir einen Kaffee in die Hand drückt. Aber ich will keinen einzigen Tag vergessen, an dem ich mit den Beiden glücklich war. Ich würde für diese Erinnerungen einen ganzen Haufen Schmerzen ertragen." Er stand auf und begann damit die Waffen zu säubern, die in Sams Tasche waren. Sein Bruder schwieg, er wusste nicht, was er noch sagen könnte um Dean davon zu überzeugen, doch Dean schien seine Entscheidung bereits getroffen zu haben.

Etwa eine Stunde später hatten sie das peinliche Schweigen nicht mehr ausgehalten und waren in den Wagen gestiegen. Es gab schließlich einen Vampir zu jagen. Da Sam wusste, aus welcher Bar der Vampir seine Opfer verschleppte, postierten sich die beiden an der Ecke und beobachteten den Eingang. Die Nacht war klar, man konnte die Sterne sehen und die kühle Nachtluft hielt Dean wach. Sam und er hatten beschlossen sich abzuwechseln was das Anstarren der Tür anging. Der Nachtclub hatte die ganze Nacht offen und noch bis in den frühen Morgen, da sollten sie ab und zu schlafen. Sam beobachtete aufmerksam den Türsteher, der immer wieder einige hübsche junge Damen in den Club gehen ließ und andere wegschickte. Für Sam machte das keinen Sinn, denn für ihn sah jede von ihnen gut aus, er konnte kein Muster erkennen. Dean hatte die linke Seite der Vorderbank mach hinten geklappt, doch seine Augen waren nach draußen gerichtet. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, sah er durch das Fenster hinaus und hoch in den Himmel. Wenn man genauer hinsah hätte man sicher die Sterne in seinen Augen funkeln sehen können, doch es war niemand da, der ihm so nah gekommen wäre. Seine Gedanken stiegen auf, er dachte über Dinge nach, die nie zuvor durch seinen Kopf gegangen waren. "Was meinst du, Sammy, können sie uns sehen?", murmelte er. Er hatte Sam zwar angesprochen, doch er rechnete nicht unbedingt mit einer Antwort. "Ich meine, sie haben ihren persönlichen Himmel, ihr persönliches Wellnessprogramm da oben, vermutlich interessiert es sie ja überhaupt nicht wie es uns hier unten geht...." Sein Blick schweifte in weite Ferne, es war als suche er nach neuen Sternenbildern und noch weiter entfernteren Galaxien. Der Halbmond spiegelte sich leicht in der Windschutzscheibe des Impalas und erhellte Sams Gesicht, doch Dean sah nicht hin. "Nein.", seine Stimme klang traurig, aber auch ernst. Es schien ihn zu schmerzen, diese Worte aussprechen zu müssen. "Nein....", seine Worte wurden sanfter, "Ich glaube nicht, dass sie uns sehen können.... Aber, Dean, das heißt nicht, dass es ihnen egal ist.....das wir ihnen egal sind" Dean schloss die Augen, doch die Sterne waren immer noch da, sie tanzten vor seinen Augen, hinter den geschlossenen Lidern. "Und Gottes Plan? Glaubst du, den hat es jemals gegeben?", fragte Dean und öffnete die Augen wieder, nichts hatte sich geändert, die Sternestanden noch wie zuvor, das Sternbild des Skorpions leuchtete noch immer und im Band des Orion erschien es as erhellte ein einziger Stern den gesamten Himmel. "Gott hat diese Welt schon lange verlassen, Dean, das weißt du. Aber wer weiß, vielleicht kommt er zurück, vielleicht gab es tatsächlich irgendwann mal einen großen Plan", er zuckte mit den Schultern. Dean lachte. "Unsinn..... All das hier.... Das ist doch völliger Schwachsinn! Sieh ums an, wir sitzen hier in meinem Wagen und beobachten einen Nachtklub als wäre nie etwas geschehen, dabei ist irgendwo da oben meine Tochter....", er seufzte. "Sie war einfach nich viel zu jung zum Sterben, sie hatte ihr ganzes Leben noch vor ihr.... Wieso konnte ich nicht an ihrer Stele sterben? Und an Castiels?", sein Gesicht nahm einen verzweifelten und traurigen Ausdruck an. "Tu das nicht, Dean, gib nicht dir die Schuld! Du weißt nicht, was passiert ist, du weißt nicht, weshalb sie gestorben sind." "Und du glaubst das macht es besser? Diese Unwissenheit ist das schlimmste was ich jemals gefühlt habe! Nicht zu wissen ob sie gelitten haben, ob Cass Lillian nur hatte beschützen wollen, oder ob sie vor Angst weggelaufen ist....", seine Stimme stockte. Sam schwieg. Es gab nichts, dass seine Worte ändern würden, keine Worte, die Dean Trost spenden konnten. Irgendwann hatte er die Augen wieder geschlossen und schlief ein. Sam beobachtete ihn eine Weile und vergaß ihren Auftrag völlig. Er starrte auf Dean hinab und schenkte dem Klub keine Beachtung mehr. Zum ersten mal seit einer langen Zeit schien Dean wieder schlafen zu können. Ohne Alpträume. Ohne Castiel oder Lillian, die ihn heimsuchten. Seine Dämonen schienen zu schweigen.

Zufrieden lehnte Sam sich zurück und wandte den Blick wieder nach draußen, die Schlange hatte sich mittlerweile aufgelöst und nur noch der Türsteher, so wie ein paar Raucher standen vor dem Eingang. Einer der Raucher fiel Sam jedoch ins Auge. Der Typ trug schwarze Jeans, die in einem Paar alter ausgelatschter Springerstiefeln steckte. Seine Hände spielten mit etwas, das in seinem Kapuzenpulli versteckt war, er schien irgendwie nervös und ungeduldig zu sein. Als er den letzten Rest seiner Zigarette eingeatmet hatte, ließ er den Stummel fallen und blies den Rauch noch im Gehen aus, ehe er, von einem misstrauischen Blick des Türstehers begleitet, wieder im Inneren des Klubs verschwand. Sam hatte sich das Gesicht eingeprägt, zumindest den Teil der nicht unter der schwarzen Kapuze verschwunden war. Einen Moment lang überlegte er Dean zu wecken, aber er war sich nicht sicher, vielleicht war er gar nicht der den sie suchten. Vielleicht war ihm einfach nur kalt gewesen, warm war es um diese Jahreszeit schließlich nicht mehr, schon gar nicht mitten in der Nacht. Das Thermometer am Armaturenbrett zeigte 11°C und Sam bekam eine Gänsehaut. Es war wirklich eisig draußen, er zog seine Jacke enger um sich, warf seinem Bruder noch einen Blick zu und konzentrierte sich wieder auf den Einsatz.

Bis ein Mann mit einer jungen, sehr attraktiven Frau an der Seite die Bar verließ und mit ihr in einer Seitengasse verschwand. Das musste er sein.

Thousand Years - Destiel #SpringAwards18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt