Aufgewühlt

1.7K 60 2
                                    

Eigentlich hatte ich gedacht, ich hätte meine Freunde ausgetrickst. Ich hatte gedacht, dass man es mir überhaupt nicht anmerkte, dass ich auch nur ansatzweise um Theo trauerte. Ich hatte mich wirklich für so klug gehalten, doch nach und nach vergingen die Wochen und meine Träume wurden immer schlimmer.

Ich stand jedes verdammte Mal aufs Neue auf einer verlassenen Straße und starrte wie festgewachsen auf den Boden, über den das Laub huschte. Dann war da dieses Flüstern zu hören und bis ich mich versah, riss der Boden auf. Theo versuchte herauszuklettern und jedes Mal schmerzte alles in mir, als er zu flehen begann, dass ich ihm helfen solle. Doch selbst, wenn ich es wollte, konnte ich nicht. Ich blieb wie eingefroren stehen und sah dabei zu, wie er wieder hinuntergerissen wurde, bevor ich in der Ferne das Wiehern eines Pferdes wahrnahm und dann aus meinem Schlaf gerissen wurde.

Ich hatte mich schließlich irgendwann einfach abgekapselt, bis ich sogar aufhörte in die Schule zu gehen, indem ich irgendeine Krankheit vorgaukelte. Ich war einfach so verwirrt und traurig, dass ich nicht mal mehr meinen Bruder sehen wollte. Nur Scott hatte mich bis jetzt immer wieder besucht, um sicher zu gehen, dass ich keine Dummheiten anstellte. Dieser trauerte momentan aber für sich selbst, da Kira zu den Skinwalkern gegangen und er somit wieder allein war.

Als am Nachmittag niemand zu Hause war, wurde ich aus meinem Delirium gerissen, als es auf einmal klingelte. Ich seufzte und hoffte, dass die Personen einfach weggehen würden, doch als es nochmal klingelte, rappelte ich mich genervt auf und stapfte nach unten. Als ich die Tür öffnete, hätte ich sie aber am liebsten wieder geschlossen. Es waren Scott und Malia.

„Alicia, du musst endlich aus diesem Haus heraus.", begann Malia direkt.

„Lasst mich einfach in Ruhe.", murmelte ich und wollte die Tür wieder schließen, doch schon hatte sich Malia an mir vorbei ins Haus gedrückt.

Ich seufzte genervt, bevor ich Scott ansah, der mich mitfühlend musterte. Ich schätzte es zwar einerseits, dass er mich nicht alleine leiden ließ, aber dennoch war die Situation zwischen uns etwas unangenehm, seit der Sache mit Kira.

„Könntest du bitte nicht einfach hier hereinplatzen?", grummelte ich meine Halbschwester an, die mit verschränkten Armen vor mir stand.

„Hör auf dich in Selbstmitleid zu suhlen, Alicia. Ich weiß, dass es nicht einfach ist, aber ist ja auch nicht so, als wärst du Jahre mit Theo zusammen gewesen. Er war ein absoluter Widerling und du hast besseres verdient.", rief sie mir ins Gedächtnis und auch wenn sie recht hatte, störte mich gerade alles an ihr. Sie zeigte keinerlei Mitleid und redete meine Gefühle herunter, als wäre es nichts.

„Tut mir leid, dass nicht alle von uns emotional dämlich sein können.", zischte ich ihr entgegen und deutete ihr erneut, dass ich sie nicht hier haben wollte.

Scott seufzte, da er merkte, wie die Situation zu eskalieren drohte, doch bevor er seine Einwände äußern konnte, feuerte Malia zurück: „Ich bin emotional dämlich? Was bist du denn dann gerade? Du heulst einem Jungen hinterher, der dich offensichtlich nur benutzt hat, um an das zu kommen, was er wollte und ich hasse es, es dir so zu sagen, aber das warst offensichtlich nicht du."

Da riss mir der Geduldsfaden. Ich wusste, dass sie irgendwo recht hatte, aber gleichzeitig wusste sie überhaupt nichts. Theo war ein Widerling gewesen, aber dennoch hatte ich immer das Gefühl, dass dort noch etwas wäre, was er nicht spielen konnte.

Irgendwie schienen alle damit klar zu kommen, was passiert war, außer mir. Ich verstand mich zum Teil selbst nicht, denn immerhin trauerte ich einer Person nach, welche mich zwar scheinbar irgendwo gemocht hatte, aber gleichzeitig keinerlei Gewissensbisse hatte, wenn es darum ging, dass er mich oder meinen Bruder verletzte. Das Streben nach Macht hatte aus ihm einen furchtbaren Menschen gemacht und doch schien es so, als hätte es die Möglichkeit gegeben, dass er sich ändern hätte können.

Malia redete immer weiter auf mich ein und wurde dabei auch immer lauter.

„Schau mich doch wenigstens einmal an!", schrie sie mich nun beinahe an und riss mich somit mit einem Mal komplett aus der Fassung.

„Halt den Mund! Halt einfach den Mund, Malia! Denkst du ich habe es mir herausgesucht? Denkst du ich wollte es so? Denkst du ich wollte das Alles hier? Denkst du ich wollte Allison sterben sehen? Oder dass ich unbedingt herausfinden wollte, dass Andrew nicht mein Vater ist und dass ich meine Mutter sterben sehen wollte? Denkst du es hat Spaß gemacht alles den Bach untergehen zu sehen? Ich dachte endlich es wäre vorbei und ich könnte glücklich sein! Kannst du dich in mich hineinversetzen? Denkst du ich wollte mich von ihm so einlullen lassen?", brüllte ich sie an und war ihr mittlerweile bedrohlich nahegekommen, weswegen sie zurückwich.

„Du hättest dich von ihm fernhalten sollen. Du wurdest mehrfach gewarnt, Alicia.", sagte sie nun leiser und etwas mitfühlend.

Ich lachte bitter auf, während mir Tränen die Wangen hinunterflossen und atmete dann tief durch, da ich realisierte, dass ich etwas übertrieben hatte. Dann lächelte ich leicht, aber unglaublich traurig.

„Wir alle haben eine Person, bei der wir denken, dass wir zu viel Zeit mit ihr verschwendet haben", sagte ich und spielte bei ihr dabei auf Stiles an, was sie verstand, „Und so doof es sich anhört, ich hab nicht das Gefühl zu viel Zeit mit Theo verschwendet zu haben. Ganz im Gegenteil. Wir hatten zu wenig Zeit."

Niemand sagte etwas, die beiden sahen mich einfach erstaunt an, während sich bei mir alles überschlug und ich einfach aus dem Haus ging.

BE YOURSELF ³Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt