Kapitel 21

239 8 0
                                    


„Hier, dein Tee. Willst du mit runter an die Schanze oder soll ich Anders mitnehmen?"

Alessandra zieht fragend die Augenbrauen hoch, dreht sich dann zu ihrem Begleiter und meint: „Danke, Joachim."

Lars grinst daraufhin, aber der Skispringer ist sich nicht ganz sicher, wie die junge Frau so schnell dahintergekommen ist, dass er Lars mit einer kurzen Nachricht darum gebeten hat, mit dem dampfenden Pappbecher auf sie zu warten.

„Ich sollte noch nach seiner Schulter schauen. Wenn Anders das recht ist, würde ich zum Wettkampf runterkommen."

„Klar ist Anders das recht."

„Was ist mir recht?" Er gibt seinem Zwilling einen sanften Schlag gegen den Hinterkopf. „Und außerdem sucht Stjernen dich jetzt schon seit einer Viertelstunde, also hopp, hopp. Gut geschlafen?"

Er wartet gar nicht darauf, dass sein Bruder ihm irgendwas erklärt, sondern schenkt Alessandra seine ganze Aufmerksamkeit, samt strahlendem Lächeln natürlich. Sie lächelt leicht und versucht, sich hinter dem Pappbecher zu verstecken, aber Anders grinst nur weiter, scheint das als Antwort hinzunehmen und zieht seinen Zwilling dann in die Richtung vom Auslauf, von wo ihnen schon ein rufender Andreas entgegenkommt.

„Komm", murmelt die Medizinstudentin und geht auf den Container zu, ohne zu schauen, ob der Athlet ihr tatsächlich folgt, doch das tut er und sitzt bald darauf auf einer Bank und zieht sich das Shirt über den Kopf.

Alessandra ist froh darüber, dass der Tee ihre kalten Finger etwas aufgewärmt hat, als sie die Schulter abtastet. „Hast du Lars' Übungen gemacht? Wie fühlt es sich an?"

„Natürlich. Ich merke keine Verspannung mehr, bei den Simulationen fällt es auch nicht auf."

Sie ist erleichtert, das zu hören, und atmet beruhigt aus. Es hätte ihr gar nicht gefallen, ihn morgen springen zu lassen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Und tatsächlich fühlt sich alles ganz normal an.

„Gut", lächelt sie und hält Joachim sein Oberteil hin. Er erwidert das Lächeln sanft und bietet ihr seine Hand an, sobald sie beide wieder ihre Jacken anhaben.

„Hi, Alessandra."

Sie dreht sich in die Richtung der Stimme und sieht Hayböck mit geschulterten Ski. Joachim zieht sie sofort etwas näher an sich, aber sie drückt beruhigend seine Hand und erwidert leise: „Hallo."

Glücklicherweise ist der Österreicher gerade auf dem Weg auf die Schanze, weshalb er nichts weiter sagt und mit einem Zwinkern weitergeht.

„Keine Morde an der Schanze", flüstert sie und schaut zu Joachim, der sich ein Grinsen nicht verkneifen kann, aber die Stirn weiterhin in Falten hat.

Bald stehen die beiden relativ nah an der Schanze. Nur ein paar Deutsche sind in der Nähe, beachten sie jedoch kaum.

„Wieso bist du nie irgendwelche Wettkämpfe gesprungen?", fragt Joachim, während sie den Flug eines Slowenen verfolgen.

Kurz schaut die junge Frau schüchtern zu dem Skispringer hinüber, aber er sieht sie gar nicht an, sondern hat seinen Blick weiter auf die Flugschanze fixiert.

„Ich weiß nicht. Mir wurde mehrfach angeboten, in das Nationalteam aufgenommen zu werden, aber das hab ich von Anfang an abgelehnt, weil es mir neben der Schule zu viel war. Sonst, norwegische Wettkämpfe oder so hätte ich springen können, aber dafür war mein Niveau zu hoch, das hätte keinen Sinn gemacht. Und die Meisterschaften...ich weiß nicht, ich mache mir nicht viel aus der Anerkennung. Ich springe nicht, um damit Geld oder Ansehen zu bekommen. Es ist einfach alles für mich...gewesen, es hilft mir, mich zu entspannen, aber auch zu konzentrieren, einfach frei zu sein, komplett bei mir selbst."

Noen ting var bare aldri ment å væreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt