London, Oktober. Diana.
Es fühlte sich so an, als würde der Bass die Wände erbeben lassen. Dianas Ohren schmerzten bereits von der schrillen Musik und ihr Kopf würde dies ebenfalls nicht mehr lange mitmachen. Leicht schwankend bahnte sie sich ihren Weg durch die immer noch tanzende Menschenmenge, deren Körper sich schwitzend aneinander pressten und sich mit der Musik bewegten.
Das permanente Auf- und Abwippen des DJ's wurde bereits schwächer, er gähnte andauernd und hatte die Kappe tief in die Stirn gezogen. Ein Zeichen für ihre geschulte Augen, dass die Party bald zu Ende sein würde.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Diana endlich die Flügeltür sehen konnte und noch eine weitere, bis sie sie erreicht hatte. Ihre braunen Haare klebten ihr feucht im Nacken und hatten sich bei den Schläfen zu winzigen Locken gedreht, die sie sich genervt aus dem Gesicht wischte. Der Bodyguard nickte ihr kurz zur Verabschiedung zu und stemmte dann mit seinen breiten Armen die Türe auf, durch welche sie schnell nach draußen verschwand.
Der Alkohol sorgte dafür, dass Diana aufgeheizt war, weswegen sie die beißende Kälte noch nicht wirklich wahrnahm, als sie draußen ankam. Der Himmel hatte eine gräuliche Farbe angenommen und es roch vermehrt nach Zigarettenqualm und Regen. Diana ließ einige Momente verstreichen, ehe sie sich auf dem Weg zum Bus und somit Nachhause machte.
Schnell checkte sie, ob alles noch da war, aber die wichtigsten Dinge - wie Ausweis, Handy und Geld - waren sicher in ihrem schwarzen BH oder der Jeanstasche verstaut. Mit jedem Schritt, den sie ging, wurden die knutschenden Pärchen weniger und die Musik leiser. Die Uhr eines gewaltigen Kirchturms in der Nähe zeigte 4 Uhr morgens.
Die Kieselsteine knirschten unter ihren Füßen und sie war froh, nur eine Viertelstunde zur Bushaltestelle gehen zu müssen, da ihre Beine sie in den hohen Schuhen bereits unendliche Qualen erleiden ließen. Das Ethanol ließ außerdem die Beine ganz schwer werden und sie hatte Schweißausbrüche, die schon nicht mehr menschlich waren. Der kühle Wind linderte Dianas Beschwerden wenigstens etwas und wehte ihr ihre Haare aus dem Gesicht, die sie gestern Abend noch mühevoll zu Locken gedreht hatte. Die üblichen Versprechen, die sich Leute in Momenten wie diese geben, wie Nie wieder Alkohol oder Nächstes Mal bleibe ich nüchtern erlaubte sie sich erst garnicht, da sie wusste, dass sie sich nicht daran halten würde. Dafür liebte sie das Gefühl zu sehr, frei zu sein und dazuzugehören.
In Gedanken versunken nahm Diana einen erstickten Schrei wahr, der aus einer dunklen Gasse rechts neben ihr kam, bei dem alles zusammenzucken zu schien. Selbst die Vögel auf den Häuserdächern flogen davon. Abrupt blieb sie stehen und konzentrierte sich auf den schmalen Gang.
Die Panik, die ihr in den Magen stieg, versuchte Diana zu verdrängen. Ihre Kopfhaut begann vor Angst zu prickeln, als sie vage zwei Gestalten wahrnahm: eine zierliche, kleine Frau und ein breitschultriger Mann, dessen Oberkörper in einem Tanktop steckte, was es ihr ermöglichte, sogar von weiten seine Tattoos zu erkennen. Einer seiner bemuskelten Arme hatten die der Frau eisern im Griff, während sich der andere unter ihr Kleid schob. Dabei weinte die Schwarzhaarige geräuschvoll und versuchte, ihn wegzudrücken, hatte aber keine Chance. Dianas Nackenhaare stellten sich bei diesem Anblick auf und ihre Hände wurden schweißnass.
Schnell sah sie sich um, aber weit und breit war niemand zu sehen. Es sollte aber auch niemanden wundern - nicht viele Menschen trauten sich in eines der Elendsviertel hier in London, wo es nur so von Opiumhöhlen, Bordellen und Pubs wimmelte. East End. Sie presste ihre Lippen aufeinander und verfluchte diese elenden Alkoholiker, die sich nie im Griff hatten. Ohne darüber nachzudenken brüllte sie einmal laut "Hey!" und lief auf die beiden zu, so schnell wie sie ihre Beine in diesem Zustand eben trugen.
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His Own Salvation.
Mystery / ThrillerSeine persönliche Erlösung. „Niemand bemerkte, wie schuldig er sich fühlte, sie sahen nur seine Schuld. Niemand sah den Schmerz, in dem er sich befand, sie sahen nur den Schmerz, den er verursachte. Niemand merkte, dass er sich selbst hasste, weit m...