Fourth

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London. Sarah.

Es dauerte sehr lange, bis Sarah in dieser Nacht endlich Schlaf fand. Sie nickte immer wieder kurz ein - und war eine halbe Stunde später schon wieder auf. Das kleine Nachttischlämpchen, dass neben ihr stand, spendete angenehmes Licht, welches  Schatten auf die Wände malte. In Sarahs Brust herrschte eine seltsame Unruhe, die seit dem Vorfall mit Oliver nicht mehr weggehen wollte. Irgendetwas stimmte mit der Taschenlampe nicht, damit lag Caroline richtig. Dinge explodierten doch nicht einfach so, oder? Auch das stundenlange Putzen mit Tom konnte diese nicht unterbinden, und mittlerweile war es tief in der Nacht. Stöhnend stand sie von ihrem Bett auf und schlüpfte in eine Jogginghose, Hausschuhe und ein Fleeceshirt, ehe sie leise die Tür öffnete. Auch wenn das Institut über 400 Leute unterbringen könnte und die meisten Räume leer standen - so kam es ihr doch so vor, als würde man jedes Geräusch hören, weswegen sie sehr darauf achtete, mit schnellen Schritten in Richtung Küche zu huschen. Margot war schon lange im Bett und würde gar nicht mitbekommen, wenn sie sich einen warmen, beruhigenden Tee machen würde.

Das ganze Institut war dunkel, zumindest die ersten beiden Etagen. Sarah war froh, dass sich ihr Zimmer in der ersten Etage befand - in der gleichen wie die Bibliothek, einen Ort, den sie über alles liebte. Hunderte, teils mehrere Jahrzehnte alte Bücher schrieen förmlich danach, gelesen zu werden. Zudem war auf diesem Geschoss nur Wills Zimmer, aber am anderen Ende des Flurs und man musste noch eine kurze Treppe hinunter gehen.

Auch im Erdgeschoss war alles ruhig und die Küche penibel aufgeräumt, wie Sarah feststellte.

Gerade als sie mit der dampfenden Tasse in den Händen wieder im Flur stand, nahm sie ein dumpfes Geräusch wahr, dass von draußen zu kommen schien. Sie erstarrte in ihren Bewegungen und konzentrierte sich mit all ihren Sinnen auf die Haustür. Dong. Da, schon wieder! Sie blinzelte gegen die Dunkelheit an, stellte die Tasse am Boden ab und bewegte sich langsam auf die Tür zu, um durch den Spion zu gucken. Viel außer dem dunklen Zugang zum Haus konnte sie nicht erkennen, bis sich eine zusammengerollte Gestalt am Boden zu bewegen schien. Sie konnte einen schwarzen Haarschopf ausmachen. Einen durchaus bekannten schwarzen Haarschopf. Aber was um alles in der Welt tat Will da draußen? Ihr war eingetrichtert worden, man dürfe unter gar keinen Umständen die Haustüre öffnen, wenn man a) unbewaffnet oder b) eine fremde Person draußen vorzufinden war. Keine der beiden Fälle traf hier zu, woraufhin Sarah die Türe aufmachte. Zur Not konnte sie ihm die Tasse über den Schädel ziehen.

Das vage Mondlicht ließ Sarah nur erkennen, dass er verwundert zu ihr hinaufschaute. "Will." Sie hielt ihr Stimme gesenkt, um Tom nicht zu wecken, der genau im Zimmer neben dem Eingang schlief. "Was zur Hölle machst du mitten in der Nacht hier draußen?"

"Ach, du warst mir schon immer die Liebste, Sarah." Sie sah seine weißen Zähne aufblitzen. "Auch wenn ich gehofft hatte, Tom würde mein stummes Flehen erhören und mir in mein Zimmer verhelfen. Bei ihm hätte es mich wenigstens nicht gewundert, dass er so spät wieder Agatha nachgestellt hat; du musst wissen, er hegt eine heimliche Schwärmerei für sie. Wieso du so spät aber noch im Haus herumgeisterst, ist mir ein Rätsel." Sarah musste an den Gedanken daran, wie Tom abends mit einem Fernrohr draußen stand und Agatha beobachtete, wie sie die Spülmaschine einräumte, lachen, wenn auch nur kurz, woraufhin Will sie verdutzt ansah. "Ich glaube wirklich, dass du die einzige Person bist, die meine Plattitüden unterhaltsam findet." Es ging ein penetranter Alkoholgeruch von Will aus und seine Lippe war aufgeplatzt; getrocknetes Blut zierte die Stelle.
„Du bist betrunken", stellte sie fest, griff dann um seinen Arm und half ihm ächzend, aufzustehen. "Sehr betrunken." Auch wenn sie sich nicht erklären konnte, warum, verspürte sie eine vage Enttäuschung.

"Bin ich nicht", widersprach Will und lehnte sich fast mit seinem gesamten Gewicht auf sie, auch wenn er versuchte, es nicht zu tun. Seine Bewegungen wirkten seltsam hölzern, nicht so elegant wie sonst immer, was wahrscheinlich am Rausch lag. "Du bist nur... verschwommen." Er blinzelte ein paar Mal. Kurz ließ sie ihn los, um die Tasse zurück in die Küche zu bringen, wobei er sich an die Wand lehnen musste, um den Halt nicht zu verlieren. Selbst im dunklen Flur konnte sie erkennen, dass seine Augen funkelten...

His Own Salvation.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt