Marinette

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Dunkelheit. Orientierungslos. Einsamkeit.

Ich fühlte mich schwach. Der Sturz hatte mich wohl so stark verletztet, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Ich erinnerte mich schwach, aber ich wusste, dass mir ins Bein geschossen wurde, obwohl ich schon wehrlos war.

,,Mist!", dachte ich mir. Ich versuchte mich irgendwie zu bewegen, nur einen Finger, doch selbst dafür war ich nicht in der Lage. Alles schmerzte noch. Aber ich hatte das Gefühl, dass etwas fehlt. Irgendwas, was wichtig für mich war.

,,Tikki! Tikki!", schrie ich. Man konnte es aber nicht als Schrei bezeichnen. Es war viel mehr ein Krächzen, welches traurig klang. Am liebsten würde ich einfach weinen, so verzweifelt war ich. Doch ich wollte hier keine Schwäche zeigen. Nicht an dem Ort, wo der lebte, den ich einst liebte. Der einst mein Leben war. Für den ich alles getan hätte: Adrien.

Plötzlich wurde eine Tür geöffnet, die ich vorher noch nicht erkannt hatte. Herein kam eine junge Frau. Ihre langen braunen Haare waren ordentlich gekämmt und hingen glatt vom Kopf. Ihre olivgrünen Augen passten zu ihren Make-up. Insgeheim passte alles zu ihr.

,,Du bist wach. Das freut mich sehr, Ladybug!", zischte sie mir zu. ,,Hätte ich damals gewusst, dass du nur eine kleine Bäckerstochter bist, hätte ich dich nicht so ernst genommen."

Verwirrt sah ich sie an. Wovon sprach sie? Kannten wir uns? Oder kannte sie nur mich, ich sie aber nicht?

,,Wer bist du?", fragte ich vorsichtig, worauf sie in ein schallendes Gelächter fiel. Ich erkannte den Hass, die Wut.

,,Hey, es verletzt mich, dass du dich nicht an mich erinnerst. Dabei sind wir doch so!", ich erkannte, dass sie ihre Finger kreuzte. Bruchstücke von Erinnerungen kamen mir entgegen. Volpina! Adrien! Lila!

,,Du?", fragte ich geschockt, worauf sie nur breit Grinsen konnte. Diese Person hatte Adrien beklaut und ihn angelogen. Alles nur, um Adrien zu beeindrucken. Lila Rossi war eine falsche Schlange - oder eher ein falscher Fuchs.

,,Du hast ihn beklaut!", meinte ich wütend.

,,Du hast es ihm aber nicht wiedergegeben, oder? Du hast es jemand Fremden gegeben. Das nenne ich stehlen, Marinette!" '

,,Ich habe ihm das Buch wiedergegeben! Du hast es achtlos in den Müll geworfen!" Lila holte eine Spritze hervor und stach mir diese ohne Fürsorge ins Bein. Ich schrie auf, keuchte vor Schmerzen. Niederträchtig blickte Lila auf mich herunter. Mit ihren Augen starrte sie auf mich herunter. Ich wusste, dass sie es genoss, mich leiden zu sehen.

,,Gute Nacht, Ladybug." Sie verließ die Zelle, ich blickte ihr nur hinterher. Wie kann es sein, dass sie hier lebt? Sie hat Adrien bestohlen. Ich dachte immer alle würden ihre gerechte Strafe bekommen. Doch ich hatte mich getäuscht, schon wieder.

Ich merkte, wie meine Lider schwerer wurden. Mit aller Kraft versuchte ich mich gegen das Mittel zu wehren. Doch verlor und fiel somit in einen traumlosen Schlaf.


,,Aufwachen!", wurde mir ins Ohr gebrüllt. Langsam öffnete ich die Augen, doch schnell gingen sie wieder zu. Ich hatte keine Kraft, wollte einfach nur hier liegen. Ich hatte so lange nicht mehr so fest geschlafen. Vielleicht lag es daran, dass mir nichts mehr passieren konnte. Ich konnte nur noch sterben.

Plötzlich wurde ich auf die Beine gerissen. Ich versuchte mich noch irgendwo zu halten, doch ich fiel geradewegs auf den Boden. Unsanft landete ich auf meiner Schulter. Ich verzerrte mein Gesicht und hoffte sehnlichst mich wieder hinlegen zu dürfen. Ich wurde hochgehoben und durch die Flure geschleift. Ich wollte mich wehren. Ich wollte nicht wie ein Ding behandelt werden. Es war demütigend, nicht einmal selbst gehen zu können.

Wir kamen in einem hellen Raum an. Ich wurde auf einem Stuhl gesetzt, Hände und Beine wurden sofort angekettet. Schwach bekam ich mit wie jemand sprach, aber konnte diese Stimme nicht zuordnen. Aber ich erkannte jemanden vor mir, wenn auch vernebelt. Die Haare und das Gesicht waren wie damals, wenn man von den Narben absah.

,,Adrien? Bist du es wirklich?"

Meine Sicht wurde etwas klarer.

Seine Augen waren gerötet, sein Atem war flach und er schien durcheinander zu sein. Seine Haare waren wild durcheinander, nicht wie sonst ordentlich zur Seite gekämmt.

Hinter ihm erkannte ich Lila und ein kleines Mädchen, die eine Spritze in der Hand hielt. Entsetzt sah ich die Spritze an, dann wieder zu Adrien.

,,Adrien, ist alles Okay?"

Jetzt sah er mir direkt in die Augen. Es sah so aus, als hätte er geweint. Auch jetzt erst erkannte ich, dass auch er angebunden war.

,,Du bist an allem hier Schuld!", sagte er mit kalter Stimme.

Dieser Satz, dem ich mir all die Jahre selber sagte, wurde mir von Adrien gesagt. Wie gerne würde ich jetzt in Tränen ausbrechen. Doch ich würde diesen Menschen nicht noch den Wunsch erfüllen, mich weinen zu sehen.

,,Du bist ein Insekt, was sich ständig versteckt. Ein Insekt, was Angst vor dem Insektenspray hat. Und jetzt sitzt du hier. Alleine. Ohne Familie. Die Familie, die du ermordet hast."

,,Was! Ich habe sie nicht ermordet, sondern du! Du hast mich in die Falle gelockt, damit ich sie alleine lasse! Du hast das Kommando gegeben, sie zu erschießen! Du hast so viele Menschenleben auf dem Gewissen! Du bist an allem hier Schuld und wirst es immer sein! Du bist hier das Arschloch und Monstern nicht ich!" Tränen flossen aus meinen Augen. Meine Eltern waren tot. Meine Freunde waren weg. Adrien hatte Recht, ich war alleine und saß hier. Aber er hatte meine Familie ermordet, nicht ich!

Seine Fesseln wurden gelöst und er stand auf. Muskeln kamen zum Vorschein, ein eleganter Gang, der mich zum fürchten brachte. Doch ich erkannte auch etwas, was schwer zu erkennen war: Er zitterte. Selbst ich hatte es kaum gesehen. Er zweifelte. An sich selbst?

Er stand nun direkt vor mir, starrte mich mit seinen Augen an. Seinen gelben Augen.

"Was zum..?", fragte ich mich irritiert. Seine glühend gelben Augen hatten lila Sprenkel! Er ging wieder und schlenderte zum jungen Mädchen. Adrien flüsterte ihr etwas ins Ohr, daraufhin verließ er die Zelle. Lila gab den Männern hinter mir ein Handzeichen, woraufhin sie mich befreiten und unsanft aus den Verhörraum in meine Zelle zerrten.


Wieder war ich alleine. Es war dunkel, ich hatte die Orientierung verloren. Alles drehte sich und mir war schlecht. Ich glaubte, es lag an der Spritze, die sie mir vor einigen Stunden gaben. Mein Bein pochte vor sich. ,,Vorhin hast du noch nichts von dir gegeben!", meinte ich zu meinem Bein, was darauf nur ein piksen als Antwort gab. Es war eine Schusswunde, die nur schlecht behandelt wurde.

Ich kroch zu meiner Plane, legte mich hin. Ich musste hier raus, doch davor musste ich Adrien retten. Er war nicht so, wie jeder erzählt: mutig, vorlaut und selbstsicher. Er wirkte gegenüber mir wie das komplette Gegenteil. Und ich musste Tikki finden. Hier war sie nicht sicher. Was Adrien alles mit ihr anstellen würde? Oder gar Hawk Moth?

Ich erinnerte mich an Kim, der an Valentinstag akumatisiert wurde wegen Chloe. Daraufhin wurde er zu Dark Cupid. Er war wie ein Engel, nur eben einer, der alle dazu brachte, die Liebe zu hassen. Damals hatte sich Adrien, besser gesagt Cat Noir, für mich geopfert und den Pfeil abgefangen. Das waren noch die alten Zeiten. Natürlich hatten ich und Cat ihn besiegt, doch es war anders. Ein Kuss! Ich hatte ihn geküsst. Es war nicht mein erster, aber einer der besten. Nein, sogar der Beste! Ein Kuss, der vom Herzen kam, hatte ihn damals zurück geholt. Er war wieder bei mir, der gute Cat. Ich drehte mich zur Seite, ignorierte den Schmerz in meinem Bein und versuchte einzuschlafen. Heute hatte es keinen Sinn mehr, wach zu bleiben.

Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien AgresteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt