Marinette

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Sie legte vor mir ein Buch hin und öffnete dieses. rasch suchte sie eine bestimmte Seite, die sie auch schnell fand und mir präsentierte.
Verblüfft schnaufte ich sie an. Alles ungeschehen machen? Was für ein netter Gedanke! Ich schüttelte ungläubig den Kopf und musterte sie kritisch. Woher wollte sie all das wissen? Nur, weil sie die Schrift lesen konnte, hieß es noch lange nicht, dass sie Ahnung hatte. Ich war selber einst Ladybug gewesen und bis heute hatte ich keine Ahnung von etwas. Ich wusste etwas über Kwamis, ihren Verwandlungsstufen und ihr Alter. Ich hatte miterlebte Erfahrungen als Ladybug, die sie nicht hatte. Erfahrungen, die sie niemals erleben würde und haben konnte.

,,Hör mir zu. Ich helfe nur, wenn du mir ein paar Fragen beantwortest. Solange können wir den begrenzten Zeitraum ruhig sitzen bleiben und genießen." Ruhig sah ich sie an. Ein leichtes Lächeln lag auf meinen Lippen.

Sie biss sich auf die Unterlippe, atmete dann einmal tief ein und aus. Sie sah mich frustriert an, nickte jedoch.

,,Wieso komme ich nicht aus der Stadt? Als ich abhauen wollte, prallte ich gegen eine Wand. Einer unsichtbaren Wand. Wie zur Hölle ist sowas möglich?"

,,Ich weiß es selbst nicht genau. Was ich aber weiß, dass Gabriel dazu viele Miraculous braucht. Wir vermuten, dass er alle außer deinem im Besitz hat. Diese Kraft, die er damit erzeugt, reicht wohl schon für eine, wie du sie nennst, unsichtbare Wand."

,,Aber warum merkt das keiner? Ich meine, Paris kennt jeder. Jedem hier müsste aufgefallen sein, dass Paris verschwunden oder nicht mehr zu betreten ist. Warum setzt sich kein anderes Land für uns ein?"

,,Sie helfen uns nicht, weil sie uns nicht sehen. Es ist schwer zu erklären und kompliziert, aber die anderen Länder sehen Paris wie damals. Sie sehen wunderschöne Straßen und eine geordnete Regierung. Für sie ist alles wie immer. Hawk Moth erschuf ein Trugbild für alle, die außerhalb von Paris leben. Nur die Pariser sehen die Realität."

,,Und es gibt kein Entkommen?" Sie schüttelte traurig den Kopf. Ich stieß einen tiefen Seufzer aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Die Situation war zum Haare raufen. Ich konnte nicht einfach gehen. Hawk Moth hatte dafür gesorgt, dass jeder in seiner neuen Ordnung leben musste. Sie konnten sich nicht wehren. Ihr damaliger Held, Cat Noir, hatte sich dem Bösen zugewandt und sie eiskalt verraten. Ich, Ladybug, wollte vor meiner Verantwortung weglaufen. Es war meine Pflicht, den Bürgern zu helfen, aber ich war zu feige, etwas zu unternehmen. Meine dummen Gefühle hatten mich aufgehalten.

Zehn verdammte Jahre hatte ich gewartet und nichts getan. Ich hatte der Regierung die Macht gegeben, die Bürger zu brechen. Gehofft, Adrien würde wieder zur Vernunft kommen. Nur die Befreiten waren noch da, und einige alleinstehende Aufständige, die den Mut hatten, sich zu wehren. Sie waren Kämpfer, ich nur eine armselige Ladybug.

,,Wie genau kann ich alles ungeschehen machen?" Mit einem Funkeln in den Augen sah mich an. Schnell blätterte sie durch das Buch, bis sie eine bestimmte Seite aufschlug. Mir wurde schlecht. Meister Fu hatte mir einst diese Seite erklärt.

,,Der ultimative Wunsch soll mir helfen? Du weißt aber schon, dass ich auch Adriens Miraculous benötige, oder?"

,,Ja, ich weiß. Aber alle in unserem Team versuchen alles, diesen Ring zu bekommen. Es braucht nun mal seine Zeit."

,,Zeit, die wir nicht haben! Hawk Moth hat meinen Miraculous! Er kann den Wunsch aussprechen" Verwundert sah sie mich an. Langsam nahm sie das Buch und klappte es zu. ,,Du schließt dich uns an?" Mit einem zögerlichen Nicken bestätigte ich ihre Frage. Zwar war ich mir noch immer etwas unsicher gegenüber den 'Befreiten', aber ich war nun endlich bereit, etwas zu tun. Die letzten Tage hatten mich verändert. Nicht viel, aber eines hatten sie mir gezeigt: Adrien war verloren. Ich musste endlich akzeptieren, dass er nicht mehr der Alte war. Ein Kuss würde ihn nicht retten. ,,Mein Miraculous aber ist noch -!", sie unterbrach mich schnell: ,,Darum hat man sich schon gekümmert. Dein Miraculous ist in unserem Besitz." Erleichtert atmete ich aus. Tikki war gerettet worden. Wenigstens ging es ihr gut.

Mit einem breiten Lächeln sah sie mich an. Ihre Augen funkelten wie verrückt. Sie kam mir bekannt vor. Ich hatte das Gefühl, ich würde sie schon ewig kennen. Die Art, wie sie mich anlächelte, erinnerte mich jemanden. Aber wie viele erinnerten mich an irgendeinen? Wie oft hatte ich schon 'Freunde' gesehen?

,,Kennst du eine Izzy?" Fragend zog sie eine Braue hoch. Schüttelte dann aber langsam den Kopf.

,,Nein, aber wie sah sie aus?"

,,Schlanke Figur, dunkle Haut, lange, braune Haare und braune Augen, hat so ein Tattoo an der Schläfe."

,,Tattoo? An welcher Seite und wie sah es aus?" Kurz musste ich überlegen. Bildlich stellte ich mir nochmal die Situation vor: Ich war betrübt, weil mein Elternhaus den Erdboden gleichgemacht wurde, als plötzlich Izzy auf mich sprang und mir ein Messer an die Kehle hielt. Sie stieg von mir, erzählte kurz was von 'fehlerhaft eingestuft' und zeigte mir die Schläfe. Ein Halbkreis auf der linken Schläfe. Ich weiß noch, wie traurig sie wirkte.

,,Auf der linken Schläfe war ein Halbkreis. Warum?"

,,Vertraue ihr nicht, hörst du. Welche wie sie sind gefährlich und unberechenbar." Ich nickte nur, stellte keine weiteren Fragen. Ich vertraute so gut wie niemanden mehr. Auch dem Mädchen konnte ich nicht vertrauen, obwohl etwas in mir sagte, dass ich es konnte. Mein Unterbewusstsein wollte ihr vertrauen, weil sie kein bisschen fremd wirkte. Eher wie eine vergessene Freundin. Ich kannte aber nicht mal ihren Namen. Vielleicht sagte sie ihn mir jetzt? Schließlich bin ich ja jetzt auch eine Befreite und hatte ein Recht, ihren Namen zu erfahren. Und wer ihr Boss war.

Aber wollte ich all das wirklich erfahren? Ich meinte, ich wollte wissen, mit wem ich nun zusammenarbeitete. Was wenn einer war, der mich hasste oder den ich hasste? Meine Beispiele, die ich gerne nennen würde, waren tot oder haben sich Adrien angeschlossen. Aber wer wusste schon, wer mich hinter meinem Rücken hasste. Was war, wenn der Boss des Mädchens mich hasste und versuchte zu töten? Wenn er mir die Schuld für alles gab?

,,Ich weiß, du wolltest mir deinen Namen nicht sagen, aber ich muss ihn wissen. Ich muss langsam wieder anfangen, anderen zu vertrauen, damit ich mit euch zusammenarbeiten kann."

,,Mir zu vertrauen ist riskant, Marinette. Je weniger du weißt, umso besser geht es dir."

,,Ich vertraue dir, egal wie riskant es ist. Du kommst mir so bekannt vor! Ich habe das Gefühl, ich würde dich schon ewig kennen." Sie atmete aus, sah mich an und sprach: ,,Man nennt mich Kathleen."

,,Kathleen?", fragte ich ungläubig, sie nickte nur. Ich hatte ihren Namen bei den zimmern gelesen, wo ich mich in der Etage aufhielt. Ich dachte, dass sie mir gefährlich werden würde. Aber dass sie mir so begegnet hätte ich nie erwartet gehabt.
,,Ich wurde von Adrien ausgebildet. Ich weiß nicht, was mich so motiviert hatte, seine Schülerin zu sein. Naja, jetzt sitze ich hier mit der Feindin von Paris." Ein leises Lachen kam von ihr. Es war traurig und verächtlich zugleich.

,,Wie lange lebst du schon bei Adrien?"

,,Seit ich sechs Jahre alt bin. Meine Mutter starb bei einem Brand, ansonsten wäre ich bei ihr geblieben."

Adrien hatte ihr ihre Kindheit gestohlen. Vielleicht auch ihre Mutter ermordet. Ich wollte gar nicht wissen, was er noch mit ihr gemacht hatte.

Oder mit anderen Kindern.

Adrien musste gehen. Ich konnte nicht zulassen, dass noch mehr Menschen leiden mussten. Kathleen vor mir zu sehen gab mir neue Kraft. Noch mehr Kraft. Sie kämpft gegen ihn, obwohl er sie ausgebildet hatte.

Ich würde Adrien töten, wenn es sein musste. Darauf schwor ich auf meinem Leben!

Die Geschichte von Marinette Dupain-Cheng und Adrien AgresteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt