Kapitel 5: Richie

338 23 4
                                    




Sonnenschein kitzelt mich an der Nase. Ich rümpfe die Nase und setzte mich auf. Meine Brille liegt auf meinem Nachttisch. Ich hebe sie hoch und setze sie mir auf die Nase. Heute war es soweit. Ich schaute über meine Tür auf die Uhr. Zehn vor neun. Ich stapfe ins Bad und putze mir die Zähne. Meine Laune liegt heute unten im Keller, denn heute ist der erste Therapie-Termin. Ja, Therapie. Ich, Richard Tozier, gehe tatsächlich in eine Therapiesitzung. Ich ziehe mich an und schleiche nach unten. Ich habe heute nun wirklich keine Lust,  mit irgendwem zu reden. Um zehn fängt es an... Ich schaue auf die Uhr- neun. Es rückt immer näher. Ich stopfe mir einen Pfannkuchen, der von gestern übrig ist, in meinen Mund und gehe wieder nach oben. Natürlich will ich meine Angst vor Clowns loswerden. So richtig Lust habe ich dennoch nicht.

Oben setze ich mich auf mein Bett und starre gegen die Wand. Was soll ich tun, bis ich losmuss? Wie auf ein Stichwort klingelt unten das Telefon. Meine Mutter geht ran und schreit meinen Namen. Oh man, wer ist das denn schon wieder? Widerwillig stapfe ich die Treppe wieder runter und meine Mum drückt mir den Hörer in die Hand. „Eddie." Dann geht sie wieder ins Wohnzimmer. Was wollte der denn so früh? „Ja, Eds?", sage ich mit gedämpfter Stimme. Meine Mutter muss ja auch nicht alles mitbekommen. „Richie, ich hätte nie gedacht dass ich das mal sage, aber..." Er zögert. „Es ist okay, wenn du schwul bist- ich bin es aber nicht!", sage ich und lache. „Haha." Eddie klingt leicht angespannt. „Jaja, okay, was ist denn?" Ich höre, wie er einmal tief einatmet und dann sagt: „Können wir uns heute Abend treffen? Ich habe da so ein Problem und ich dachte, du könntest mir helfen." Ich lege verwundert den Kopf schief. „Was?" Eddie scheint jetzt genervt. „Komm einfach vorbei. So gegen fünf." Dann legt er auf, ohne dass ich antworten kann. Ich hänge den Hörer ebenfalls auf und gehe ins Wohnzimmer, wo meine Mutter gerade eine Socke stopft. „Ich bin heute Nachmittag bei Eddie. Für ein... Schulprojekt." Meine Mutter schaut mich an und hält kurz inne. Dann nickt sie. „Okay, pass auf dich auf." Dann fixiert ihr Blick meine Socke, die sie in den Händen hält und setzt die Nadel erneut an. Ich drehe mich um und sehe auf der Uhr, dass ich mich langsam aufmachen muss. Schwerfällig gehe ich in die Garage und schnappe mir mein Fahrrad. Ich fahre los. Ich fahre so langsam, dass ich fast umkippe, aber schneller geht es irgendwie nicht. Ich lege nicht so besonders großen Wert auf diese Sitzung, bei der mein Vater mich angemeldet hat. Schlussendlich stehe ich dann doch vor der Eingangstür zu dem Therapieraum und trete vorsichtig ein.

Ich will nicht darüber reden, wie es war. Ich habe keine Ahnung, ob's geholfen hat, aber ich bin nun wieder auf dem Heimweg. Es ist langsam dunkel draußen, und ich überlege, was ich vergessen hatte... Irgendwas war da doch. Da fällt es mir wie Schuppen von den Augen: Eddie! Ich wende auf der Straße und rase mit meinem Rad zu dem Haus der Kaspbraks. Dort klingele ich Sturm, bis Mrs Kaspbrak öffnet. Ohne Worte stürme ich an ihr vorbei und renne die Treppe hoch. Mrs Kaspbrak stammelt nur „Äh, Richard?", doch ich bin schon an Eddies Zimmertür. Ich klopfe. Eddie ruft: „Nicht jetzt, Mum! Richie kommt gleich!" Ich öffne die Tür und Eddie sieht mich an. Dann entfährt ihm ein leises „Oh." Er sitzt auf seinem Bett, neben sich die Schullektüre. Dann klopft er neben sich auf das Bett. „Oh, Eddie, denkst du nicht, wir sind zu jung für sowas?", sage ich grinsend. Er verdreht nur die Augen und lässt sich auf den Rücken fallen. „Mach die Tür zu, du Perversling." Ich schließe also die Tür und setze mich auf die Bettkante. „Dein Psychiater ist da!", sage ich euphorisch. „Den brauche ich wohl auch...", seufzt Eds und setzt sich wieder auf. „Da ist dieses Mädchen..." Ich muss noch weiter grinsen. „Lily?", frage ich. Er nickt nur und beginnt zu erzählen. „Weißt du, du sagst immer, du kannst so gut mit Mädchen und so, also dachte ich, ich frage dich um Rat." Ich höre beim ersten Teil leichte Ironie heraus, ignoriere es jedoch geflissentlich. „Ja, okay...?" Ich schiebe meine Brille hoch und schaue Eds an. „Dann leg mal los." Kaum habe ich zu Ende gesprochen,  legt er los und ich kann seinen wirren Gedankengängen über seinen Schwarm kaum folgen. Am Ende fragt er nur: „Was soll ich tun?" und schmeißt sich wieder auf sein Bett. Ratlos schaue ich ihn an. „Ähm... Ich würde sagen- du magst sie sehr, nicht wahr?" Er nickt. „Nächste Woche ist der Mitternachtsball in der Turnhalle, richtig?" Eddie hebt den Kopf und legt diesen schief, als wüsste er, worauf ich hinaus wollte. Zögernd nickt er. „Da wollte ich eigentlich nicht..." Ich lasse ihn nicht ausreden. „Du wirst dahin  gehen. Und du wirst mit Lily tanzen. Und dann- Boom!" Ich gestikuliere wild mit meinen Armen und Eds beobachtet dies fasziniert. „Was boom...?", fragt er zögernd. Ich grinse ihn an. „Du, Edward Kaspbrak..." Ich tippe mit meinem Zeigefinger auf seine Brust. „küsst sie dann einfach!" Mein Masterplan scheint eher weniger gut anzukommen, denn Eddies Augen werden groß und rund. Dann setzt er sich auf. „Vor der- der ganzen Schule?", stottert er. Ich nicke triumphierend. Er schüttelt wild den Kopf, sodass seine dunklen Haare hin und her fliegen. „Das kannst du vergessen, Rich! Das ist der dümmste Plan aller Zeiten!" Ich lege den Kopf schief. „Was meinst du, wie ich es in der dritten geschafft habe, Rachel..." Seine Kinnlade fällt herunter. „Rachel? Du und Rachel?" Ich nicke und grinse schelmisch. Dann fängt Eddie an zu lachen. „Ja genau, und wenn alle schlafen, verwandelst du dich in Superman und rettest die Welt!", lacht er und kugelt sich beinahe vor Lachen. Beleidigt sitze ich vor ihm. „Hey, ich habe sie wirklich geküsst!", rufe ich. „Und falls du dich nicht daran erinnern kannst, haben wir wirklich schon mal die Welt ge-." Ich stocke. Eddie hält inne und schaut mich an. Keiner von uns aus dem Club der Verlierer hat seit dem Vorfall darüber gesprochen. Stillschweigen. Eddie schaut mich entsetzt an, während ich ein Bild studiere, welches an der Wand gegenüber hängt- ein Bild von Eddie und seiner Mutter bei seiner Einschulung. Im Hintergrund laufen Bill und Georgie lang. Okay, es reicht. Ich drehe mich zu Eddie. „Eds, wir können nicht immer nur so tun, als wäre nichts passiert, okay?" Er wendet sich seinen Fingernägeln zu und knabbert an diesen herum. Ich schlage seine Hand runter. „Eddie, ich meine es ernst! Einmal in meinem Leben meine ich gerade etwas wirklich ernst!" Wutentbrannt stehe ich auf. „Wir treffen uns alle morgen Mittag. Dafür sorge ich. Und ich sorge dafür, dass wir endlich mal darüber reden was passierte und es nicht totschweigen! Wenigstens unter uns, Eddie! Verstanden?" Ich stürme aus seinem Zimmer, er läuft mir hinterher. „Richie!" Ich bleibe stehen. „Du hast Recht. Okay? Bis morgen." Leise geht er zurück in sein Zimmer. Ich verlasse das Haus und fahre nach Hause.

welcome to the losers' club // abgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt