Nun ist es Richie, der rot wird. Alle fangen lauthals zu lachen. Bev dreht sich schadenfroh zu Rich um, der sie mit großen Augen anstarrt. „Wahrheit oder Pflicht, Richard?", fragt sie lächelnd. Sie genießt es sichtlich, ihn jetzt mit seinem vollen Namen zu ärgern. Rich kackt mit seinen Fingerknöcheln, was mir einen Schauer über den Rücken jagt. Ich hasse es, wenn Leute das tun. Nach kurzem Zögern sagt er mit geschwollener Brust bestimmt: „Pflicht natürlich." Alle versuchen nun, sich das Lachen zu verkneifen. Bev grinst böse. „Tja, was haben wir denn heute für dich, mein Lieber?" Sie stützt das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger ihrer rechten Hand. Mit der anderen kratzt sie sich demonstrativ den Kopf. Man sieht leichte Unsicherheit in Richie aufsteigen, was mich noch mehr schmunzeln lässt. Selbst schuld. „Hm..." Bev überlegt immer noch. Sie will ihn wohl besonders ärgern. Erneut knackt Rich mit seinen Fingerknöcheln und betrachtet genauestens seine kurzen Fingernägel. „Also, mein Lieber..." Er schaut Bev an, die, schelmisch grinsend, ihre Handflächen aneinander reibt, wie ein verrückter Wissenschaftler, der soeben ein Monster erschaffen hat. „Rich, du wirst..." Seine Augen werden größer und größer, bis sie beinahe aus seinen Augenhöhlen zu fallen drohen. „...du gehst jetzt in die Küche und holst einen Löffel voll Senf. Und dann... Guten Appetit!", grinst sie. Richies Kinnlade fällt herunter. „Senf?", fragt er angeekelt. Richie hasst Senf abgrundtief. Einmal waren wir Hot Dogs essen, und der Verkäufer hatte ihm unter den Ketchup Senf getan, obwohl Richie extra sagte „Ohne Senf für mich bitte." Nach einem Bissen hatte Rich alles fallen lassen und seinen Mundinhalt ausgespuckt. Danach folgte sein Mageninhalt und machte Bekanntschaft mit dem Gebüsch neben dem Hot Dog Stand. Ich weiß noch, wie sehr mein Bauch wehtat vor Lachen, aber auch, wie sehr es Richie mitgenommen hat. Er ist damals den Rest des Tages mit ungesund gräulicher, blasser Farbe im Gesicht herumgelaufen. „Ich hasse dich, Beverly!", ruft Rich aus der Küche. Wir alle lachen. Eddies Armbanduhr piept. Früher hieß das „Eddie, vergiss die Tabletten nicht!", heute hieß es „Nur noch zehn Minuten bis Neujahr!" Erfreut sprangen wir alle auf. „Wow, ich kann es nicht glauben, dass dieses Jahr schon um ist...", sagt Ben nachdenklich. Wir hören ein Klirren aus der Küche. Bev eilt hin, einen kurzen Moment später lacht sie lauthals. „Dachtest du, du würdest um deine Pflicht herum kommen, Rich?" Sie hebt den Löffel, den Rich schnell ins Küchenwaschbecken geworfen hatte, als er das Piepen von Eddies Uhr hörte, auf und holt erneut Senf aus dem offen daneben stehenden Glas, während wir uns um die besten Plätze im Türrahmen rangeln. Rich bekommt große Augen und stammelt „A-A-Aber Bev, ich hasse Senf..." Sie grinst. „Ich weiß." Sie hält ihm den Löffel vor die Nase und schwenkt diesen hin und her. Rich rümpft die Nase und weicht zurück. „Richard!", ruft Bev, so wie ein Kidnapper, der seine Opfer mit Süßigkeiten in seinen Van lockt, um sie dort umzubringen. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. „Es ist Pflicht, schon vergessen?", ruft Mike triumphierend und wir halten uns die Münder zu, um nicht laut loszulachen. Wiederwillig öffnet Rich seinen Mund, während er anscheinend erneut kurz davor ist, zurückzuweichen. Bev schiebt den vollen Löffel in seinen Mund und Rich schließt diesen langsam. Bev zieht den Löffel zurück und legt ihn wieder ins Waschbecken. Richie stockt, und wedelt unkontrolliert mit seinen Armen in der Luft herum. Er läuft grün an, dann sehen wir, dass er den Senf tatsächlich runterschluckt. Wir fangen an zu jubeln und wollen ihn abklatschen, doch er rennt an uns vorbei, ins Wohnzimmer, wo seine angefangene Sprite auf seinem Platz steht. Schnell trinkt er diese auf einem Schluck aus und knallt den Becher auf den Tisch. „Argh!", schnauft er und stützt sich an Ben ab, der nun neben ihm steht. Währenddessen schaut Eddie auf seine Uhr. „Und?", frage ich. „Fünf Minuten noch." Dann stellt Richie eine Frage, die wir von keinem anderen erwartet hätten als von ihm. „Wie ist das eigentlich mit Mitternachtsküssen? Ich meine, hier ist nur ein Mädchen, aber ich meine, Freunde teilen ja auch und so..." Alle starren ihn perplex an. Bev errötet. Dann ergreift Bill das Wort: „I-Ich denke m-m-mal nicht, dass Bev z-zu so w-w-was bereit wäre..." Er wendet sich ihr zu. „O-O-oder?" Bev schüttelt den Kopf. „Wofür haltet ihr mich eigentlich?" Entrüstet trinkt sie den letzten Schluck aus ihrem Becher und stellt diesen neben die anderen auf dem Sofatisch. Beleidigt dreht Richie sich um. Ich stehe neben ihm, und höre nur „Wenn ich einen Neujahrskuss will, bekomme ich ihn auch." Verwundert lege ich den Kopf schief, drehe mich dennoch nicht zu ihm. Stattdessen frage ich nur „Was?" „Nichts." Rich wendet sich uns wieder zu. Alle schauen Eds an, der auf seiner Uhr die Sekunden herunter zählt. „30 Sekunden!" Derweil geht mir eins nicht mehr aus dem Kopf: Was meinte Richie? „Zwanzig, neunzehn..."
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welcome to the losers' club // abgebrochen
FanfictionSieben Kinder, ein Geheimnis. Sie teilen eine Erfahrung, ein Trauma, etwas, dass niemand Anders auf der Welt weiß. Doch das Leben geht weiter, keiner fragt. Ein Leben nach dem Kampf, in ein neues Jahr, ein besseres Jahr. Oder? ~ Billy, Beverly, B...