Kapitel 6: Ben

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Als ich Beverly gesehen habe, habe ich mir nichts anmerken lassen. Mein Herz schlug schneller und ich fing leicht an zu schwitzen. Die Gruppe stürmte auf Bev zu, die, an die Wand gelehnt, vor Bill stand. Die Gruppenumarmung endete in einem riesigen Haufen, in dem jeder von uns teils unterging.  Jetzt sitze ich an meinem Schreibtisch, vor mir ein Geschichtsbuch. Meine Gedanken schweifen jedoch immer wieder ab, zu dem Moment, vorhin in der Bibliothek. Ich merkte, dass Bev und Bill eng beieinander  standen. Als ich genauer hinsah, konnte ich ihre verschränkten Hände sehen. Das versetzte mir schon einen Stich. Ich mag Beverly immer noch wirklich sehr gern, aber anscheinend hat sie sich für Bill entschieden. Ein wenig frustriert schlage ich mein Buch zu und schmeiße mich auf mein Bett. Auf meinem Nachttisch liegt ein kleiner Notizblock, sowie ein Stift. Ich schnappe mir beides und liege nun auf dem Bauch, den Kopf auf meine linke Hand gestützt, den Stift in der rechten Hand. Die Worte fließen regelrecht von meinen Gedanken auf mein Papier.

Stiche in meinem Herzen

Wie ein scharfes Messer aus der Glut

Denn ich bin es nicht für den dein Herz brennt

Bin ich anscheinend nicht gut genug.

Ich knülle das Papier zusammen und werfe es in die Richtung meines Papierkorbs. Es landet kurz davor. Ich drehe mich auf den Rücken und starre die Wand an. Meine Gedanken schweifen ab. Wie Bev dort so leblos in der Luft hing, wie wir sie herunterholten, wie ich sie küsste und sie wieder erwachte... Inhalt von vielen meiner Träume, die mal zur Abwechslung keine Albträume waren.

Da klingelt  das Telefon.  Ich höre, wie meine Mutter den Hörer abnimmt. „Ja?... Ben!", schreit sie von unten. Also stehe ich auf und gehe nach unten, wo meine Mutter ungeduldig auf mich wartet. Sie gibt mir den Hörer. „Es ist Richard." Sie dreht sich um und geht zum Esstisch, wo mein Vater und mein Bruder sitzen und essen. Ich hebe den Hörer an mein rechtes Ohr. „Rich?" Ich höre ein schweres Atmen. „Ben." Mehr sagt er erst mal nicht. So kenne ich ihn gar nicht. „Ja?", sage ich leise. „Richie, alles okay?" „Ja.", schnauft er. „Das denke ich aber nicht!", sage ich und wechsle die Hand. „Morgen. Zwölf. An unserem Stammplatz. Abgemacht?" Ich überlege kurz. „Ja, okay.", sage ich und nicke dabei. Da fällt mir auf, dass Richie dies durch den Hörer ja gar nicht sehen kann. Ich lehne mich gegen die Wand. „Rich?"- „Hm?"- „Wieso schnaufst du so?" Er zögert merklich. „...Nur weil du kein Sexleben hast..." Ich lache auf. „Ja genau, Richie. Vor allem du, Großmaul." Nun lacht er auch. „Na schön... Ich bin gerade sehr schnell Rad gefahren, weil ich sonst später nach Hause gekommen wäre, als ich darf...", sagt er kleinlaut. Ich lache auf. „Ha, das sieht dir ähnlich. Bis morgen also." Ich lege auf. Morgen ist der Tag vor Silvester und der Schnee von Weihnachten ist geschmolzen. Ich gehe wieder nach oben und nehme wieder meinen Stift. Jedoch wollen die Worte sich nicht mehr zu Sätzen bilden. Also lege ich alles auf meinen Schreibtisch und gehe schlafen.

welcome to the losers' club // abgebrochenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt