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Luhan machte gerade eine kurze Pause um in der Küche die Reste von der heutigen Mittagskarte zu essen – Rinderbäckchen in Rotweinsauce mit Tagliatellennester und Artischockenblumen – als Junmyeon in die Küche trat. Eine Senkrechte Falte zwischen den Augenbrauen, die Luhan gerne davon geküsst hätte.

„Alles in Ordnung? Du siehst bedrückt aus."

Junmyeon seufzte, bevor er sich neben Luhan an die Küchentheke lehnte. Luhan bot ihm seine Gabel an und Junmyeon stahl ein paar Rindfleischstückchen, bevor er noch einmal seufzte.

„Was? So schlimm dass nicht einmal Kyungsoos Rinderbäckchen es wieder gutmachen können?"

„Ich denke Sehunnie hat Heimweg", vertraute Junmyeon ihm an. „Ich habe versucht die Wohnung so gut wie möglich für ihn herzurichten aber er wirkt mit jedem Tag nur trauriger. Nächste Woche fängt die Uni an und ich weiß nicht ob ich ihn bis dahin wieder aufmuntern kann. Er muss Zuhause schrecklich vermissen. Seoul ist so anders als Chungcheongbuk-do weißt du? Ich verstehe dass er bedrückt ist aber ich wünschte er würde mit mir reden damit ich ihm irgendwie helfen kann."

Luhan beschlich die Vermutung das Sehun nicht wirklich wegen Heimweh bedrückt war. Er versuchte sein schlechtes Gewissen zu unterdrücken. „Du solltest abwarten Junmyeon. Das legt sich bestimmt bald wieder."

Er zuckte die Achseln und sah so bedrückt aus dass Luhan das Herz in der Brust schwer wurde. „In der ersten Woche wirkte alles so gut. Er war so aufgeregt und war gar nicht zu stoppen. Ich habe Angst dass er jetzt angefangen hat zu bereuen hierhergekommen zu sein." Er sah Luhan mit geweiteten Augen an. „Oder schlimmer! Was wenn er bereut bei mir eingezogen zu sein?"

„Das tut er bestimmt nicht", versicherte Luhan. „Er ist dein Bruder, ich bin mir sicher dass er gerne mit dir zusammenlebt."

„Ich hoffe es." Er lächelte zerknirscht. „Weißt du ich bin mir gar nicht so sicher wie gut ich Sehunnie in Wahrheit kenne. Ich wusste nicht, dass er jemanden hat in den er verliebt ist." Luhan biss sich auf die Unterlippe. „Und als ich ihn darauf angesprochen habe, wollte er mir nicht sagen wer es ist." Er schüttelte den Kopf, die Falte zwischen seinen Brauen noch tiefer. „Mein kleiner Bruder hat Geheimnisse vor mir Luhan."

„Die hat er bestimmt nicht", sagte Luhan schnell. „Es ist ihm wahrscheinlich nur peinlich. Du weißt wie Jugendliche manchmal sind."

Luhan war früher alles peinlich gewesen. Sein Körper hatte nicht immer so reagiert, wie sein Verstand es ihm befahl und sein Mund war dazu verdammt gewesen zu stottern und dumme, überstürzte Dinge zu sagen. Er war sich immer etwas weniger klug als seine Mitschüler vorgekommen und hatte sich dafür geschämt wenn er etwas nicht wusste, was die anderen als Selbstverständlichkeit betrachteten. Er hatte mit seinen Freunden, nicht darüber gesprochen und seine Familie war keine Option gewesen, obwohl er es wahrscheinlich hätte tun sollen und vielleicht auch nur damit sie ihm sagten, dass alles ganz normal war und er sich erst an sich selbst gewöhnen musste. Als Teenager, so hatte er gelernt, entfremdete man sich nämlich von sich selbst und musste sich erst wieder kennenlernen. Das dauerte und war ganz normal.

Luhan fragte sich ob Sehun auch jemanden brauchte mit dem er reden könnte und ob es Luhans Schuld war, dass ihm eine Person, vielleicht die Wichtigste, gestohlen wurde. Luhan hatte ihm das Versprechen abgenommen Junmyeon nichts von Luhan zu erzählen aber mit wem sonst sollte er darüber reden? Sehun war nicht wirklich noch in dem Alter in eine Identitätskrise zu verfallen aber so viel hatte sich in den letzten Wochen mit dem Umzug und dem baldigen Studienbeginn geändert...und dann war da natürlich auch noch die Sache mit Luhan und seinem Starrsinn unbedingt in ihn verliebt sein zu müssen. Sehun sollte mit jemandem darüber reden und Luhan hatte ihm Junmyeon als Vertrauensperson weggenommen.

BittersüßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt