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Erneut öffnete ich meine Augen und bemerkte sofort, dass ich noch immer in Alex Armen lag. Innerlich zeichnete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht, doch äußerlich erschien es nicht auf meinen Lippen. Ich fühlte mich wohl bei ihm, doch alles Schönes musste irgendwann enden.

Ich nahm vorsichtig seine Arme von mir und stand auf, zwar noch auf wackeligen Beinen, doch trugen sie mich die Treppen nach unten. In der Küche setzte ich mich auf einen der freien Stühle.

Nach ein paar Minuten, Kraft sammeln, stand ich wieder auf und schmierte mir ein Brot und nahm mir einen Apfel aus der Obstschale. Beides verdrückte ich und legte mich dann auf das Sofa. Mir war noch unwohl dabei, hier zu liegen, doch ich kam nicht bis auf den Boden, bei den Schmerzen, die die Wunden noch auslösten.

Schritte näherten sich mir und dann setzte sich jemand auf das Sofa, neben meinen Füßen. »Hey...«, murmelte sie. »Hey«, erwiderte ich und sah sie an. Ihre braunen Haare versteckten ihr Gesicht. »Es tut mir leid.« Ihr Körper erzitterte. »Was tut mir leid?«, fragte ich verständnislos und runzelte meine Stirn, verstand nicht, was sie meinte. »Hätte ich diese Dinge nicht über Alex gesagt, wärst du nie verletzt worden. Amelie, du bist wegen mir fast gestor-« Ich unterbrach sie lautstark. »Hey, hey, hey! Natürlich nehme ich deine Entschuldigung an, aber es ist okay. Es war meine Entscheidung in den Wald zu gehen. Außerdem muss ich bald sowieso wohl wieder mal zur Schule. Alex ist ja nur wegen mir hier geblieben und dann kann ich mich darauf gefasst machen, dass solche Schlampen antanzen, die ihn bezirzen werden. Es war besser es jetzt zu erfahren, als später.« Ich schenkte ihr eines meiner besten aufgesetzten Lächler.

»Wirklich?«, hakte sie unsicher nach. Ich nickte. Kräftig schlang sie ihre Arme um mich. »Danke«, flüsterte sie in mein Ohr. »Nicht dafür.« Ich zog mich etwas zurück und sah sie dann stumm an.

»Ich gehe ein bisschen in den Wald«, meinte ich dann. Sie riss geschockt ihre Augen auf. »Nein!«, schrie sie. »Du wurdest gerade erst verletzt!« Ich nickte schmunzelnd. »Weiß ich doch. Ich wollte auch nicht weit, nur auf eine Bank am Waldrand.« Chloe atmete erleichtert aus und nickte dann einverstanden. Sie blieb zurück, während ich nach draußen lief. Überall war es weiß und ließ mich mich überrascht umsehen. Es hatte geschneit? Vor kurzem war es noch so schön warm und nun? Zu schneller Klimawandel.

Plötzlich landete eine Schneeflocke auf meiner Nase, zu der ich schielte, ehe ich zum Himmel aufsah. Immer mehr Schneeflocken tanzten vom Himmel herab, ließen die weiße Landschaft noch weißer werden. Ein aufrichtiges Lächeln, legte sich auf meine Lippen.

»Wow«, hauchte ich und drehte mich um mich selbst. Meine kupferroten Haare flogen im eisigen Wind mit und für diesen einen Moment, fühlte ich mich wahrlich frei.

Meine Beine bewegten sich wie ferngesteuert, als ich wie gefesselt durch den Schnee wanderte. Auf meinen Lippen trug ich ein Lächeln. Der Winter war meine liebste Jahreszeit.

Er war kalt und doch wunderschön. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Winter spiegelte mich wieder. Doch war ich im Gegensatz zu dieser Jahreszeit nicht wunderschön, sondern nur kalt. Ich war wie eine Eiszeit. Keine Schönheit trug ich bei mir. Genauso wie kein Vertrauen. Ich hatte Angst, dass ich nur benutzt wurde. Wieso sollte sich jemand mit mir abgeben? Alex tat es auch nur, weil ich seine Gefährtin war, doch spüren tat ich ihn nicht.

»Ich spüre es aber...«, hauchte eine schwache Stimme in meinen Kopf. Ich riss meine Augen auf. Spürte mein Herz flattern. »April....« Eine Träne stahl sich aus meinen Augenwinkeln. Meine Hände schlug ich schluchzend vor meinen Mund.

»Wir werden stärker, Amelie. Bitte gib nicht auf...Ich muss jetzt wieder gehen, sonst kippst du uns noch um...« Ich spürte wie sich kleine schwarze Punkte vor meinen Auge sammelten, doch ich schüttelte sie weg. Wollte nicht, dass sie ging und doch musste sie, das wusste ich.

»Danke, April...Das habe ich gebraucht.« Ich lief weiter durch den Schnee, blieb irgendwann stehen und schaute in den Himmel, der graugefärbt war und von dem noch immer Schneeflocken fielen. Eigentlich lief ich jetzt durch den Schnee und saß nicht auf der Bank. Ich hoffte, ich machte damit keinen Fehler.

Ich schlug einen Feldweg ein und schaute in die Ferne, seufzte genüsslich. Meine Beine gaben nach und ich ließ mich einfach in den Schnee fallen. Blieb einfach in der Kälte liegen und ließ den Schnee meine Kleidung nässen.

Wie lange ich liegen blieb, schätzte ich nicht ein. Stand irgendwann wieder auf und spürte, dass April stärker geworden war. Sie hatte schon mit mir sprechen können und trotzdem hatten sie und ich noch genug Kraft, um uns zu verwandeln. Ich wechselte meine Gestalt, was nicht weniger schmerzhaft als sonst auch war und lief auf vier Pfoten durch den eisigen Schnee. Er knirschte unter mir und mein Kopf legte sich wie automatisch in den Nacken und stieß ein lautes Heulen aus.

Meine Beine wechselten von einem langsamen Gang, zu einem Sprint und trugen mich soweit, bis ich hechelnd nicht mehr konnte und anhalten musste. Aber auch wenn ich ziemlich schnell gerannt war, hatte ich auf meine Verletzungen geachtet. Ich wollte nicht riskieren, dass ich damit wieder Probleme hatte und Alex Sorgen bereitete.

Ich schloss meine Augen, härte in der Ferne ein bekanntes Heulen. Gähnend, streckte ich mich und legte meinen Kopf auf meine Pfoten. Der Spaziergang war wohl doch anstrengender gewesen, als ich gedacht hatte. Müde nickte ich ein.

~*~

»Amelie, wach auf...Alex sucht uns.«

Verwirrt öffnete ich meine Augen und sah mich um. Ich lag noch immer am Feldweg im Schnee und der leichte nieselnde Schnee, hatte sich zu einem kräftigeren verändert. Bevor er noch schlimmer werden konnte, stand ich auf und suchte nach der Spur zurück, die ich sogar ziemlich schnell fand und folgte.

Ich ließ, während des Rennens, ein lautes Heulen von mir. Nach einiger Zeit kam ich am Ende des Feldwegs an und trabte als Wolf weiter. Ziemlich schnell bemerkte ich aber, dass ich gar nicht nach Hause gelaufen war, sondern auf einer vollbefahrenen Straße stand. Wieso hatte mich die Spur denn hier her geführt?

Plötzlich kam ein Auto angefahren. Ich stand da - wie erstarrt. Doch ehe das Auto mich erwischen konnte, bremste es quietschend. Ich zuckte bei dem Knall der Autotür zusammen, starrte nur das Auto an, was wenige Zentimeter vor mir gehalten hatte. Und plötzlich sah ich eine Hand, die nach mir greifen wollte und biss der Person knurrend in die Hand, die er zischend weg zog. Mein Körper drehte sich blitzschnell um und trug mich in die entgegengesetzte Richtung und hoffte darauf, wirklich zu Hause anzukommen.

Und wirklich, nach einiger Zeit, in der ich durchrannte, sah ich das Haus. Meine Beine trugen mich schneller, kratzten die letzte Kraft auf den Zielgeraden zusammen. Um auf mich aufmerksam zu machen, kratzte ich an der Tür. Ich wollte mich nicht hier zurück verwandeln. Wollte niemanden meinen nackten Körper zeigen.

Sofort wurde die Tür aufgerissen und Chloe stand in der Tür. »Bei der Göttin, ich dachte, dir wäre was passiert!«, rief sie und schlang ihre Arme um meinen Halt. Ich knurrte erschrocken auf. »Hey, ganz ruhig«, brummte sie. »Komm erstmal rein. Du bist ja pitschnass.« Da ließ ich sie nicht lange warten und lief ins Innere. Sie legte mir frische Sachen auf das Sofa und ging dann in die Küche. Schnell streifte ich mir die Sachen über. Kaum hatte ich das Oberteil angezogen, stürmte Alex ins Wohnzimmer und sah mich geschockt und gleichzeitig erleichtert an.

Doch die Erleichterung verschwand, als seine braunen Pupillen sich Pechschwarz färbten. Seine Muskeln waren angespannt und sein Körper zitterte und bebte. Seine Hand...hatte eine Biss Spur und blutete.

»Alex?«, fragte ich unruhig und besorgt. Er kam auf mich zu und schloss mich in seine Arme. »Laut nie wieder weg«, knurrte er mich an und ich wusste sofort, dass nicht Alex es war, sondern sein Wolf Ciro, der die Kontrolle über ihn übernommen hatte.

»Ciro, Alex, ich bin nicht weggelaufen. Nur der Schnee hat mich gefesselt und dann bin ich einfach losgelaufen«, versuchte ich mich zu erklären. Er knurrte nochmal, gab dann jedoch die Kontrolle an Alexander ab.

»Versprich mir trotzdem, niemals wegzulaufen.« Ich setzte ein Lächeln auf. Ich schaffte es nicht, ein echtes aufzubringen. Doch warum konnte ich ihm kein echtes schenken? Vertraute ich ihm nicht? Hatte ich keine Kraft? Ich wusste es einfach nicht.

My broken Mate Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt